Hallo,
Eine gute Frage, welche vielleicht nicht nur mit einem Satz beantwortet werden kann.
Die große Sattelüberhöhung verbessert in der Hauptsache das Kletterverhalten und im Besonderen das Beschleunigungsverhalten, durch die Möglichkeit den Krafteinsatz Beine auf die Pedale durch einen zusätzlich wirkenden Lenkerzug zu verstärken. Um im Wiegetritt einen effektiven Zug auf den Lenker zu bringen muss der Lenker vergleichsweise tief positioniert sein. Ist der lenker "nur " weit vorne (oder "zu" weit vorne) kann man schlecht ein günstigen Zugwinkel auf die Arme entwickeln.
Würde man völlig ohne Lenkerzug Kraft auf die Pedale bringen wollen, wäre lediglich das eigene Körpergewicht als Maximalkraft möglich.
Gerade für steile Passagen und Beschleunigungsvorgänge braucht man aber erheblich mehr kraft wie nur die eigene Gewichtskraft. Die nach vorne gebeugte Haltung verbessert sozusagen nur "nebenbei" die Schwerpunktlage (und Aerodynamik).
Selbst mit einem Freerider kann man ohne weiteres alleinig mit vorbeugen des Oberkörpers eine nahezu identische Schwerpunktverlagerung erreichen wie mit einem 15cm
sattel-überhöhten Bike, nur eben mit dem nachteil das mit stark angewinkelten Armen ein großteil der Zugkraft für die Haltearbeit des gebeugten Ellenbogengelenks verschwendet wird, ohne das für länger Zeit ein effektiver Zug auf den Lenker gebracht werden kann.
Die Vorspannung des hinteren Beinstreckers hervorgerufen durch eine tiefe Oberkörperhaltung halte ich für nicht so wesentlich. Über diese Effekte zu spekulieren überlasse ich lieber in medizinischen Dingen kompetenteren Personen.
Ein anderer Aspekt in Bezug auf den tiefen Lenker erlaube ich mir noch beizufügen:
Ich persönlich finde das selbst Steilstufen mit einem tiefen Lenker wunderbar runterzufahren sind. Bei Steilstufen abwärts kommt es in der Hauptsache darauf an den Körperschwerpunkt nach hinten /unten zu bringen - dies ist wie gesagt mit einem tiefen Lenker genauso gut möglich wie mit einer hohen Lenkerposition , solange man in beiden Fällen den
Sattel gleich tief versenkt hat.
Ungünstig für eine Gewichtsverlagerung nach hinten ist ein zu weit entfernter Lenker und nicht ein tiefer Lenker.
Desshalb mein Tipp: lieber kurz und tief als zu lang (lang und tief ist nur für ein weit vorne verlagerten Wiegetritt gut, welcher aufgrund der mangelhaften Traktion beim MTB sowiso nicht in Frage kommt)
Ich gebe allerdings zu das es einem subjektiv so vor kommt das ein hoher Lenker einem Vorwärtsüberschlag entgegen wirkt. Dies ist aber definitiv nicht der Fall , lediglich die Gewichtsverlagerung des Körperschwerpunktes nach hinten beugt einem Vorwärtsüberschlag (beim
Bremsen/Steilstufen etc) vor.
Aufgefallen ist mir dieser Sachverhalt als ich vor einiger Zeit einmal eine "Bikewaage" gebaut habe bei dem man den Neigungswinkel des Bikes mit aufsitzendem Fahrer verändern konnte. Die Radlast(vorne /hinten) wurde mittels zweier Digital-Waagen unter den
Reifen gemessen.
Es war für die maximale mögliche Steilstellung der Waage praktisch vollig egal ob ein CC-Bike oder ein Freerider auf diese Mess-Konstruktion gestellt wurde. Hauptsache man konnte sein Körpergewicht möglichst weit über das Hinterrad bringen.
Das Ergebnis war sehr erstaunlich und vereinfacht gesagt : ein zu langer Freerider hatte deutlich schlechtere Überschlagswerte wie ein kurzes CC Bike mit tiefen Lenker und Gewichtsverlagerungsmöglichkeit nach hinten.
Das Geheimniss mit einem Bike auch in schwierigen situationen gut zurechtzukommen lieg darin , in wie weit der Fahrer in der Lage ist seine Radlasten von vorne nach hinten aktiv zu verändern. Der Idealfall wäre eine Variation von
100% Radlast vorne zu
100% Radlast hinten egal ob steil bergauf oder bergab. Ein kurzer Radstand hilft jedenfalls bei dieser Übung....
Grüße,
Lutz Scheffer