Dass die Resonanz so positiv ist, hätte ich ja fast nicht gedacht. wenn ich so Kommentare wie "geilstes Ratt einfach" lese - dann kommt schon der Stolz in mir hoch. Als ich das Projekt angefangen habe, hatte ich eine traumhafte Situation:
Ich darf mich in der Konstruktion austoben, wie ich will. "Mach einfach mal" war die Angabe.
Einen eigenen Rahmen zu entwerfen, ist natürlich ein Traum eines jeden Bikers. Endlich mal die ganzen Fehler, die andere Machen, nicht machen. Endlich mal sinnvolle Sachen machen, die einen sonst immer stören. Das Problem ist halt einfach nur, dass die Umsetzung mit so einer unendlichen Vorbereitung einhergehen würde, dass man schon nach dem zweiten Strich mutlos aufgibt.
Jetzt aber eben anders, "mach mal" und das Rahmenbauen, das kann ich. So ungefähr kam Alex Clauss auf mich zu. Anfangs war natürlich viel Skepsis bei dem Projekt. Sicherlich war auch von ihm eine große Sorge: "was wenn der Cornelius Scheiße baut und wir hinterher einen Haufen Müll hier stehen haben". Ich denke, dass er diesen Gedanken schon längst über Bord geworfen hat, und ich ihn mit meiner Begeisterung anstecken konnte
Zum Rahmen selber und zu den Entwicklungsgedanken möchte ich gerne ein paar Takte loswerden:
Gewicht:
Wie im Beitrag erwähnt, war eines der Ziele, nicht nur ein weiteres viel zu schweres Fully zu machen. Das Gewicht sollte auf Niveau der aktuellen Endurorahmen aus Alu sein. Dass wir an Carbon nicht so easy rankommen, ist für die Maschinenbauer unter Euch relativ klar, aber an Alu kommen wir ran!
Der Flotte Karl in Größe M/L wie es jetzt ist, wiegt 3267g, gewogen incl lack, allen Lagern, allen Schrauben, incl Hinterradachse, so wie es sich gehört. Das ist nicht schlecht. Ohne Lack lägen wir unter 3 kg. Da man aber Farbe braucht, um heutzutage Aufmerksamkeit zu bekommen, ist es jetzt eben schwerer
Steifigkeit:
Dass das alles gar nicht steif sein kann, ist ja eh klar
Gut, wie kann mans einem verübeln, wenn man nur Bilder kennt. Die erste Regel für Maschinenbauer im ersten Semester "Vertrauen Sie nicht Ihrem Bauchgefühl". Ich denke so kann man es gut ausdrücken.
Der Rahmen ist steif, es ist VORALLEM die Konstruktion rund um das Tretlager, welches das Konstrukt des Intend-Links steif und fest macht. Das ist nicht nur so geworden, weil wir Glück hatten. Das ist schon alles auch so bedacht.
Warum?
Die VPP Aufnahme hat drei Vorteile, zum einen ist die vertikale Abstützung relativ hoch. Genau genommen sind das vom unteren Link zum oberen Link 21 cm. Ein Eingelenker hat : 0cm
Und zum Anderen ist die horizontale Abstützung so kurz wie möglich. Nimmt man z.B. ein Liteville 601 oder ein Nicolai Ion, so stützen sich diese Konstruktionen am Unterrohr ab, was die Sitzstreben incl Umlenkhebel um rund 50% länger macht. Dass eine längere Strebe sich auch mehr durchbiegen kann, ist logisch. Beim VPP wie beim Intend-Link greife ich den Hinterbau sehr weit hinten, und mache die Hinterbaulänge dadurch so kurz wie möglich.
Und zum Dritten kommt die extrem breite Abstützung der Links, insbesondere des unteren Links positiv. Die Abstützbreite der untere Wippe beträgt rund 65mm. Sie ist ein massives, mit einander verschraubtes Alu-Bauteil. Die Bleche, die da so graziös danebenstehen sind zwar mit 2mm aus dem Bauch raus erstmal dünnwandig, aber vergleicht man ein Rundrohr mit 1mm Wandstärke aus Alu mit einem Durchmesser von nur 34,9mm mit der 70mm breiten, 2mm dicken Stahlblechkonstruktion, ist das eine ziemliche Hausnummer.
Natürlich können die Kritiker von Euch nur von Alu und Carbonrahmen auf die Konstruktion des Stahlrahmens nur mit Skepsis schauen. schließlich wirken die anderen Rahmen, dadurch dass sie geschlossen sind, als viel fester. Würdet ihr aber das erste mal in Eurem Leben einen Kran sehen, würdet ihr auch sagen der kann doch kein Haus bauen - kann er aber! Wie gesagt, man darf nicht immer auf das Bauchgefühl vertrauen.
Die Konstruktion ist steif, stabil wird sie auch sein - das zu überprüfen überlassen wir aber Prüfmaschinen und Rennfahrer, die können das selber besser wie wir.
Ansprechverhalten:
Ein netter Punkt des Intend-Links, der nicht erwähnt wurde, ist das Kugellager, das sich im Dämpferanlenkungspunkt am oberen Link befindet. Dieses Kugellager ist fest im Link eingepresst und sorgt dafür, dass die Seite des Dämpfers, welches mit großem Schwenkwinkel arbeitet, Reibungsfrei sein kann. Dadurch wird die Sensibilität so groß, dass ich beim ersten mal Fahren fast dachte, ich hätte ständig einen Platten. Fakt ist: ich muss jetzt die Dämpfung im Dämpfer stark erhöhen, weil das Gleitlager nicht mehr da ist.
Das ist eine der Sachen, wo ich mir schon immer dachte "warum macht das eigentlich keiner..."
kritische Stellen:
Eure natürliche Skepsis lässt uns natürlich nicht kalt. Wir sind auch mit dem Projekt nicht am Ende, für Alex ist es als kleiner Nischenanbieter, natürlich aber auch nicht möglich, erstmal 3 Jahrelang Dauertest zu machen, bevor er an die Öffentlichkeit geht. Sonst würden wir uns 2020 wieder sehen, und Alex wäre dann von seiner Frau verlassen weil er kein Geld heimbringt.
Keine Sorge, keiner wird Euch was verkaufen, was nicht hält. Der Ärger damit wär noch viel größer, als man Geld verdienen kann.
Das Schöne ist aber auch: Alex bringt mittlerweile 4 Jahre Erfahrung im Rahmenbau mit. Die Rohre, aus denen der Flotte Karl besteht, sind seit Jahrzehnten erprobt, die Dimensionierungen sind nicht nach Superleicht-Kriterien, sondern auch mit Wandstärken, dass man nicht mit dem Aufbringen der Aufkleber eine Delle hat. Insofern ist der Hauptrahmen sowie der Hinterbau aus seit Jahren bewährten Rohrsätzen, geprüften Anbindungen und der exzellenten Verbindungstechnik (=Schweißen) von Alex Clauss eine sichere Sache.
Neu sind die Kastenkonstruktion in der Mitte, welches nur rund 1/10 des Gesamtrahmens ausmacht. Die Zeit um diesen Bereich zu perfektionieren werden wir uns nehmen. Fahren Fahren Fahren, FEM simulationen sowie dynamische Prüfstandtests sind ja selbstverständlich. Die Entwicklung geht weiter. Wir haben den Rahmen so früh fertig gestellt, da es einfach sonst ein Jahr wäre, das man komplett verliert (bis EB 2017). Für kleine Hersteller wie Alex ist es einfach finanziell nicht drin, 5 wichtige Presse-Organe 1 Woche in Gran Canaria einzuquartieren und dabei 10 Rahmen mitzunehmen, aufgebaut mit XTR und Schießmichtot. Es sind halt nicht alle Hersteller reich.... da muss man dann die Eurobike nehmen, die gerade vor der Tür steht. Dass man dafür kritische Stimmen bekommt, muss man einfach hinnehmen.
Geometrie:
Ich gebe mal die wichtigsten Eckdaten frei, diese beziehen sich auf die als erste gebaute Größe, welche ich als M/L bezeichne:
Radstand: 1205mm
Lenkwinkel: 65,5mm
Kettenstrebe: 433mm
Tretlagerhöhe(vom Reifen abhängig): 340mm-345mm
Sitzrohrhöhe: 450mm
Reach: 452mm
Die normalen Rahmenableitungen von Rahmengröße zu Rahmengröße sind selbstverständlich, und insofern auch wieder nicht so wichtig, da Alex als Custom-Rahmenbauer die Möglichkeit hat, Euch da was PASSENDES zusammenzubauen.
Lenkwinkel und Tretlager wirkt auf den ersten Blick relativ flach und tief, was nicht zu einem spritzigen Enduro passt. Dies ist insofern aber genau passend, da der Rahmen nicht auf die üblichen 25-30 % Sag ausgelegt ist, sondern mit 20% gefahren werden sollte, dann erst stimmt Antisquat, Kennlinie(gibt bis zum Sag wenig Frei, ab dem Sag dann aber schluckfreudig), und in Folge dessen auch die Tretlagerhöhe und er Lenkwinkel.
Das Rad wird sobald wie möglich in den Test gehen, wir freuen uns natürlich auf Anfragen der großen Rekationen, z.B. wäre ja Mtb-News eine tolle Möglichkeit ?
Zum Ende noch das stolze Bild der zwei Erbauer, welches am Dienstag morgen, um 3 Uhr früh aufgenommen wurde (8 Uhr Abfahrt zur Eurobike!)
Ganz nebenbei: meine Federgabeln sind jetzt bestellbar und mit den üblichen 3 Monaten Bearbeitungsdauer bei mir zu bekommen! die nächste Charge steht in den Startlöchern!