Offener Brief;
Radfahren im Walde
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
Sie   haben   für   das   Mountainbike-Rennen   âGold   Trophy   Sabine   Spitzâ   2013   in   Bad 
Säckingen   als   baden-württembergischer   Ministerpräsident   die   Schirmherrschaft 
übernommen. Mit Ihrer Offenheit gegenüber dem Mountainbiken stehen Sie in bester 
Tradition Ihrer Partei, denn es war die Fraktion der Grünen, die sich, unterstützt durch die 
Stellungnahmen   der   Umweltverbände,   im   Gesetzgebungsverfahren   1995   zum   neuen 
Landeswaldgesetz vehement gegen die Einführung der unsäglichen 2-m-Regel in § 37 
Abs. 3 Satz 2 LWaldG eingesetzt hatte.
Das 1976 in Kraft getretene Landeswaldgesetz hatte sich in der Praxis bewährt, bedurfte 
aber in ein paar wesentlichen Punkten der Korrektur. Zudem sei die Neuformulierung des 
§   37  Abs.   3,   insbesondere   wegen   der   technischen   Entwicklung   bei   den   Fahrrädern 
notwendig   gewesen.   So   würden   zum   Beispiel   mit   den   sogenannten   Bergfahrrädern 
unbefestigte, schmale und steile Wege und Pfade befahren. Dies könne zu Gefährdungen 
anderer Waldbesucher und zu Beeinträchtigungen des Naturhaushalts führen. Aus diesem 
Grund sollte klargestellt werden, dass das Radfahren nur auf geeigneten Wegen zulässig 
sei,   ohne   die   Erholungsmöglichkeiten   der   Radfahrer   unnötig   einzuschränken. 
Fahrradfahren sei nach der vorgesehenen Regelung daher nicht erlaubt auf FuÃwegen, 
auf   Sport-   und   Lehrpfaden   sowie   auf   Waldwegen,   wenn   sie   unter   2   m   breit   sind 
(Ausnahmen siehe unten), so die Begründung zum damaligen Gesetzentwurf.
Der   frühere   Landtagsabgeordnete   Johannes   Buchter,   seit   2003   Bürgermeister     von 
Gäufelden, erwiderte in der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs, 
Drucksache 11/5385: 
âDie Regierung will ja das Radfahren im Wald auf Wegen unter 2 m Breite generell 
verbieten. Ich sage Ihnen, Herr Minister Weiser jetzt schon voraus, daà Sie bei dieser 
Tour einen Speichenbruch erleiden werden - ganz einfach deswegen, weil erstens Baden-
Württemberg das einzige Land im Bundesgebiet ist, das eine solche Regelung vorsieht, 
und   weil   Sie   zweitens   eine   solche   Regelung   vorsehen,   ohne   den   wissenschaftlich 
gesicherten Beweis angetreten zu haben, daà Radler für gröÃere Erosionsschäden sorgen 
oder auch nur eine gröÃere Wildstörung hervorrufen als Wanderer.
Es ist auch zu bemerken: ln den Städten gibt es jede Menge Radwege unter 2 m Breite, 
auf denen sich wesentlich mehr FuÃgänger befinden. Dort passiert praktisch nichts.
(Beifall bei den GRÃNEN)
Dort soll es unproblematisch sein, aber im Wald wird es plötzlich zum groÃen Problem 
hochstilisiert. Ich sage darauf nur: Da wurde wieder einmal Klientelpflege betrieben.
(Beifall bei den GRÃNEN)â
Auch möchte ich nicht versäumen kurz den Abgeordneten Dr. Caroli, von Ihrem aktuellen 
Koalitionspartner, der SPD zu zitieren:
âWir sind trotzdem mit der ganzen Regelung nicht ganz zufrieden und sind in der Zukunft 
weiterhin offen für Ãnderungen.â
Tatsächlich haben 2007 und 2010 Abgeordnete der SPD in Anfragen an den Landtag, 
Drucksachen  
14/1089  und  
14/5786,   verhalten   versucht   auf   eine   Gesetzesänderung 
hinzuwirken.
Wie schon die Bedenken im Gesetzgebungsverfahren 1995, wurden auch die beiden 
VorstöÃe   insbesondere   unter   dem   Hinweis,   das   baden-württembergische 
Landeswaldgesetz sähe bereits die Möglichkeit vor, dass die Forstbehörde Ausnahmen 
nach § 37 Abs. 3 Satz 4, 2. Halbsatz LWaldG zulassen könnten, abgewehrt.
Unbestritten sei jedoch, hieà es weiter, dass neben dem vorhandenen Angebot von rund 
80.000   Kilometern   gut   ausgebauter   ForststraÃen   schmalere,   fahrtechnisch 
anspruchsvollere   Wege   insbesondere   für   Mountainbiker   besonders   reizvoll   seien. 
Aufgrund bestehender Interessenskonflikte, unter anderem mit den Wanderverbänden und 
ungelöster   Fragen   der   Verkehrssicherungspflicht   und   den   damit   verbundenen 
Haftungsfragen sowie der Frage der Ãbernahme der Kosten für die Streckenunterhaltung 
sei die Vorlage eines Gesetzentwurfs bis 31. Juli 2010 nicht sinnvoll gewesen. Bei der 
Beurteilung sei auch zu berücksichtigen, dass jede Ãnderung der bestehenden Rechtslage 
zugunsten der Mountainbiker die Rechtsunsicherheit und die Haftungsrisiken von über 
200.000 Waldbesitzern in Baden-Württemberg vergröÃert haben sollte.
Wie Sie der durch das Land Baden-Württemberg geförderten  
Konfliktanalyse aus 2006 
entnehmen können, handelt es sich vor allem um einen sozialen Konflikt. In diesem 
Zusammenhang wird vielfach betont, dass sich nach einer intensiven Konfliktphase kurz 
nach dem Auftreten des Mountainbiken in den 1990er Jahren das Verhältnis auf den 
Wegen zwischen den Nutzer verbessert hat. Verschlechtert hat es sich wieder durch neue 
Gesetzesregelungen,   die   im   Rahmen   der   Novellierung   des   Landeswaldgesetzes 
vorgenommen wurden und deren Resultat ein 2-Meter Fahrgebot für Radfahrer ist. 
Von Seiten der Planungsakteure wird die Regelung als ein Minimalkonsens verstanden, 
deren   Wirkung,   Konflikte   zu   reduzieren,   fragwürdig   ist.   Ihre   Umsetzung   kann   nicht 
kontrolliert werden und hat Konfliktpotenziale nicht entschärft. Im Gegenteil, der Konflikt 
wurde neu entfacht. Forderungen nach einer Deregulierung im Erholungsbereich werden 
lauter, nicht nur von den Mountainbikern, auch von Reitern und Radfahrern. 
Wie sich nicht erst jetzt, insbesondere am Beispiel Kirchzarten mit den Bürgerentscheid 
zum âGiersbergâ und dem Ende des âUltra-Bike-Marathonâ herausstellt, bildet § 37 Abs. 3 
Satz 2 LWaldG BW den Nährboden für Streit und Zwietracht unter Erholungssuchenden, 
Vereinen und Dorfgemeinschaften. 
Die bestehenden Konflikte mit den Wanderverbänden werden tatsächlich durch die 2-m-
Regel erst aufrechterhalten und in allen anderen Bundesländern rechtlich anhand des 
MaÃstabes der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz gelöst. 
Natürlich   haben   auch   Freiheitsrechte   ihre   Grenzen.   Das   Betretungsrecht   hat   seine 
Schranken an dem Grundrecht anderer Erholungssuchender, deren Rechtsausübung nicht 
verhindert oder mehr als notwendig beeinträchtigt werden darf. Damit kann aber nicht 
gemeint sein, dass sich, nach der 
aktuellsten Studie 2 % der Wanderer sehr und 4,6 % 
ziemlich   an   der   bloÃen  Anwesenheit   von   Radfahrern   stören.   Dieser   Grundsatz   der 
Gemeinverträglichkeit   ist   bereits   in   §   37   Abs.   1   Satz   3   LWaldG   konkretisiert   und 
verpflichtet zu gegenseitiger Rücksichtnahme. So kann es dem Radfahrer gegebenenfalls 
geboten   sein   abzusteigen,   um   dem   FuÃgänger   dem   ihm   gebührenden   Vorrang 
einzuräumen.   Auf   der   anderen   Seite   sind   auch   die   FuÃgänger   an   die 
Gemeinverträglichkeitsklausel gebunden und dürfen Radfahrer nicht unnötig behindern.
Abgesehen davon, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 02.10.2012 - Az. VI 
ZR   311/11   nochmals   klargestellt   hat,   dass   Waldbesitzern   keine   weiteren   Verkehrs-
sicherungspflichten auferlegt sind, erfolgte das Betretungsrecht immer schon auf eigene 
Gefahr und begründet weder für den Staat, und damit insbesondere für die Forstbehörden, 
noch für die betroffenen Grundeigentümer eine Haftung oder bestimmte Sorgfaltspflichten. 
Eine Haftung des Eigentümers für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren 
würde der Billigkeit widersprechen, weil der Zugang zu seinem Grundstück nicht in seinem 
eigenen, sondern im öffentlichen Interesse eröffnet wird.
Durch das Betretungsrecht werden Grundeigentümer kraft Gesetzes Beschränkungen in 
der Rechtsausübung unterworfen, die ihre Grundlage im öffentlichen Recht, insbesondere 
in der Sozialbindung des Eigentums, haben (Art. 14 Abs. 2 GG). Daher brauchen die 
Eigentümer aus dem Betretungsrecht auch keine Schäden hinzunehmen, die über ein 
zumutbares Maà hinausgehen.
Bei Spaziergängern, Wanderern, Läufern wie Radfahrern kann man aber bei gewöhnlicher 
Ausübung davon ausgehen, dass sie keinen Schaden anrichten. Damit stellt sich aber 
auch die Frage nach dem Wegeunterhalt, wie in allen anderen Bundesländern auch, 
gerade nicht.
Im   Ãbrigen   belastet  das   Radfahren   die  Natur   nicht   erheblich   mehr  als   das   einfache 
Betreten, soweit es sich auf (ausgewiesene, angelegte) Wege bezieht.
Beschädigungen von Dünen (so empflindliche Dinge gibt`s aber in Baden-Württemberg 
wohl eher weniger) wären nur durch rechtswidrige Nutzungen möglich. Im Ãbrigen kann 
drohenden Beeinträchtigungen der Natur bei Bedarf gemäà § 52 Abs. 3 NatSchG durch 
Schutzverordnungen und Anordnungen entgegengewirkt werden (vgl. Oberverwaltungs- 
gericht für das Land Schleswig-Holstein, Aktenzeichen: 1 LA 15/09 vom 12.05.2009). 
Gemäà § 37 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz LWaldG kann die Forstbehörde Ausnahmen 
zulassen. 
Bereits 1995 wurde auf diese Möglichkeit hingewiesen, die Anfragen an den Landtag 2007 
und 2010 brachten diese Erkenntnis nochmals hervor. Ein 
Runder Tisch zum Radfahren 
zwischen 2006 und 2008, der Baden-Württemberg auf dem Weg zum Fahrradland Nr. 1 
sah, hatte zum Mountainbiken dennoch nur folgendes Ergebnis:
âDie gegenwärtige gesetzliche Regelung, die das Radfahren im Wald auf Wegen von unter 
zwei Meter Breite nur ausnahmsweise erlaubt, ist für das Mountainbiking von Nachteil. 
Aus diesem Grunde soll ein Mediationsverfahren durchgeführt werden mit dem Ziel, die 
aktuellen Konflikte zu lösen und die Situation für die Mountainbiker zu verbessern.â 
Das ist nun fünf Jahre her. 
Nach zweijährigen Verhandlungen veröffentlichte die Schwarzwald Tourismus GmbH am 
17. Juni 2013 die Initiative  
âMehr Singletrails für Mountainbiker im Schwarzwaldâ. Das 
Konsenspapier zu dieser Initiative stellt den Minimalkonsens zwischen Tourismus, Forst, 
beiden Naturparken des Schwarzwaldes und dem Schwarzwaldverein dar.
Aktuell sind im Schwarzwald über 8.500 km MTB-Wege einheitlich markiert. Die Strecken 
verlaufen bis auf wenige Ausnahmen (ca. 2%) auf Forstwegen mit mehr als 2 m Breite. 
Durch die Ãffnung und Ausweisung von Wegen unter 2 Meter Breite für die Nutzung als so 
genannte   Singletrails   für   Mountainbiker,   soll   künftig   der   Anteil   solcher   Singletrail-
Abschnitte ca. 10% am gesamten MTB-Wegenetz betragen. 
Zum einen bedeutet eine Steigerung des Singletrail-Anteils von 2 auf 10% lediglich eine 
Zunahme um 680 km, während es im Schwarzwald allein mehr als 10.000 km markierter 
Wanderwege unter 2 m Breite gibt. Die auf den Tourismusseiten angepriesenen âendlosen 
Singletrailsâ bleiben damit ein hohles Werbeversprechen, wenn die Radfahrer diese Wege 
nicht schiebend oder von der ForststraÃe aus betrachten sollen. 
âDie reizvollen Wurzelpfade werden jedoch nicht schon morgen befahren werden können, 
erklärte Forstpräsident Joos. Jetzt beginne erst die schwierige Suche nach geeigneten 
Wegen. Joos betonte, der Forst sei nicht bereit, neue Wege auszuweisen. Die neuen 
Singletrails müssten aus dem bestehenden Wegenetz heraus entwickelt werden. Und 
jeder Trail benötige einen Träger, der die Strecke auswähle, sie beschildere und pflege. 
Erst   bei   Vorlage   einer   abgestimmten   örtlichen   Konzeption   werde   die   zuständige 
Forstbehörde eine Ausnahmegenehmigung nach dem Landeswaldgesetz erteilen.â, so im 
Südkurier vom 18. Juni 2013.
So ein âbürokratische Ungeheuerâ muss man sich erst mal einfallen lassen. Dabei hatte 
man in Baden-Württemberg erst 2005 ein Solches bezüglich des Reitens abgeschafft.
Mit den Schlagzeilen  
âForst will keine Singletrails ausweisenâ  und  
âKein Interesse an 
Singletrailsâ  offenbart   sich   auch   die   zweite   groÃe   verfassungsrechtlich   bedenkliche 
Regelung des § 37 Abs. 3 Satz 2 LWaldG. Es gibt keine tatbestandliche Festlegung der 
Voraussetzungen und auch kein objektives Verfahren.  Die Befugnis schmalere Wege im 
Wald  zu   nutzen  ist  daher  von  einer  willkürlichen  Freigabe   durch  die   Forstverwaltung 
abhängig.   Ohne   behördliche   Verfahren   und   ohne   das   Vorliegen   der   sachlichen 
Voraussetzungen   für   die   Zulässigkeit   von   Sperren   gemäà Art.   38   LWaldG   kann   die 
Forstbehörde durch bloÃes Untätigbleiben den Radverkehr ausschlieÃen.
Dabei weià der Forst sehr wohl, um die Naturverträglichkeit des Mountainbike-Sports, wie 
das Forstamt Göppingen im Rahmen des 
18. Forstliche Mountainbike-Rennens in Schlat 
2011   wieder   eindrücklich   vorgeführt   hat.   Die   Rennstrecke   sei   nach   dem  Abbau   der 
Sperrungen kaum wieder zu finden gewesen, trotz der über 1000 Ãberfahrten in Training 
und Rennen. Das obwohl im Wettkampf sicher kein schonender Fahrstil gepflegt wurde. 
Die Aussicht auf Ausnahmen durch die Forstbehörden nach § 37 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz 
LWaldG erweist sich als Feigenblatt, das nicht geeignet ist dem Radfahren im Wald auf 
interessanten Wegen substantiell Raum zu geben. 
Herr Ministerpräsident Kretschmann die Vernunft wird sich durchsetzen. 
Damit   in   Baden-Württemberg   das   Radfahren   als   umweltfreundliche   Fortbewegungsart 
nicht weiter, durch die der 2-m-Regel zugrunde liegenden Vorurteile, diskreditiert wird, 
sollte es Ihrer Landesregierung ein Anliegen sein dieses Unrecht zu beenden.
Mit freundlichen GrüÃen