24.07. 15:00 Shingo La, 5055m
Heute morgen bahnt sich in Kargyak ein kleines Drama an: Ein "Rinpoche Sowieso" hat seinen Besuch angekündigt, der Mensch muss irgendwie beinahe halbsowichtig sein, wie der Dalai Lama. Nachdem die Straße von unten noch nicht herauf kommt, soll er von drüben auf den hohen Pass gefahren und dort von diesem Jeep hier abgeholt werden. Ein anderes Auto gibt's diesseits des Shingo La auch bisher nicht. Leider scheitert der Abholversuch schon nach wenigen Metern kläglich im Bächlein von Kargyak. Keine Ahnung, warum man da nicht einfach durchfahren können sollte. Bei unseren fruchtlosen Befreiungsversuchen hab ich jedenfalls das Gefühl, weder Allrad-Antrieb noch Differentialsperre funktionieren überhaupt.
Na gut, ist nicht mein Problem. Mit dem Mountainbike komm ich jedenfalls durch und mache mich auf den endgültig letzten Anstieg der Zanskar-Durchqerung.
Das Wetter macht leider schon bald eine leicht feuchte Grätsche: Dunkle Wolken ziehen auf, es beginnt zu nieseln. Das Tal ist hier hinten trotzdem optisch recht ansprechend, kein Vergleich mit den trockenen, staubigen Schotterwüsten der vorherigen zwei Tage.
Etwas mehr "Trockenheit" wünsch ich mir allerdings schon bald zurück, verläuft meine Straße/Piste/Fantasiestrecke doch mitten im Bachbett, teils unter einem halben Meter schlammigem Gletscherwasser verborgen. Davor gab's auch schon zahlreiche komplizierte seitliche Zuflüsse zu queren. Trockene Füße zu behalten hab ich mittlerweile aufgegeben, barfuß kann man sich in der reissenden Strömung sowieso nicht halten. Also stiefle ich einfach durch... wieder... und wieder... und immer wieder. Der Rinpoche-Jeep hätte hier jedenfalls nicht den Hauch einer Chance, sofern er sich mittlerweile aus dem Bächlein vor Kargyak befreien konnte. Zanskar hat eindeutig ein Wasserproblem: deutlich zu viel davon!
Irgendwann wird die versunkene Piste im Bachbett derartig sinnlos, dass ich auf die Seitenmoräne ausweiche. Hier ist wohl der alte Trekkingpfad, da kriegt man seinen Drahtesel leidlich drübergewuchtet. Auch anstrengend, aber viel trockener!
Nass von unten, nass von oben: Während einem besonders fiesen Regenguss suche ich Schutz in einer kleinen Hirtenhütte. Vollgestopft mit Yakmist und innerlich nicht besonders angenehm, aber immerhin trocken.
Den Yaks ist das Dreckswetter natürlich relativ egal, aber so ein dickes Fell hab ich nicht.
Über den nächsten Fluss gibt's dann wenigstens mal eine Brücke. Ist auch besser so, die unzähligen und überaus feuchten Wasserquerungseinlagen kosten mich heute den letzten Nerv. 
Besonders weit komm ich allerdings nicht fort aus meiner Yakbehausung, da entläd sich das nächste Gewitter. Immerhin findet es mich unter dem blauen Plastikdach eines Teezelts in trockener Sicherheit, versorgt mit Tee und Literatur. Nächste Zwangspause.
Regen vorbei, weiter bergauf. Blick zurück ins Tal des Anstiegs: Eindeutig zu viel Wasser! Mittlerweile hat man mir auch erklärt, wie der Transport seiner Heiligkeit des großen Rinpoche erfolgen soll: Von drüben kommt er im eigenen Jeep über den Pass bis zum Teezelt, steigt dort auf eine Pferdekarawane um und überwindet die fünf völlig überfluteten Talkilometer reitenderweise. Am anderen Ende der Wasserorgie soll dann der Kargyak-Jeep von unten zur Abholung bereit stehen und den erhabenen Lehrer bis kurz vor das Kloster Phuktal chauffieren. Dort warten dann erneut ein paar Pferde für die letzten Kilometer. Na herzlichen Glühstrumpf, ob das wohl alles hinhaut?!
		
	 
Im Umkehrschluss bedeutet das jedenfalls, das mein weiterer Uphill zum Shingo La nun auf einer halbwegs gangbaren Piste verlaufen sollte. Naja... Piste... frisch aufgewühlter Erdhaufen triffts eher. Und natürlich kämpfe ich mich auch auf den restlichen Höhenmetern ein paar mal durch eisiges Wasser, teils fast auf dem Bauch liegend, zwei Füße in den versunkenen Boden gerammt, eine Hand auf nem Felsen, das Rad mit der anderen auf dem Rücken balancierend. Das ist heute verdammt noch mal kein besonderer Spaß!
Ich brauche ingesamt geschlagene fünf Stunden für die kaum eintausend Höhenmeter von Kargyak hinauf zum Shingo La, zuzüglich zwei Stunden Regenpause. Die Hälfte davon musste geschoben oder getragen werden, so viel zum Thema "neue Straße". Die Reiseradler von gestern werden hier mit ihren 25kg-Packtaschen jedenfalls ihr persönliches Waterloo erleben, so viel ist sicher.
Wie auch immer: Sackangestrengt und nass bis auf die Knochen, trotzdem ist der Shingo La der letzte Pass meiner Zanskar-Durchquerung. Von jetzt an geht's nur noch runter, das krieg ich hoffentlich auch in meinem etwas desolaten Zustand noch gebacken!