Über die Alpen mit dem Klassiker...

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Kölner Umland
Tach zusammen,
nachdem mein letzter Reisebericht hier für viel Erheiterung gesorgt hat mache ich zur letzten Tour nun auch einen kurzen Bericht. Den Bericht zum Jakobsweg im Herbst 18 gibt es hier

Nachdem die Bikes und auch die Fahrer auf dem Jakobsweg lediglich durch einen Sonnenstich und Alkohol an ihre Grenzen kamen, hatten wir uns für diesen Sommer eine andere Tour überlegt: Wir fahren von Köln aus nach Venedig!
Mitte Juli stand die Planung und es konnte schon fast losgehen - doch private Gründe zwangen zur Verzögerung und zur Abkürzung. Wir konnten anstelle von Montag erst Freitag abreisen, sind daher kurzerhand in einen Zug nach München gestiegen, von da aus zum Staffelsee und bei Freunden genächtigt.
Die Bikes:
Mein Begleiter fuhr ein Centurion (Racoon 92? keine Ahnung, ursprünglich war wohl eine 563er LX drauf), mit 3x8 739er XT, nur die Kurbel eine hässliche STX/RC - damit die Trennung nicht so weh tut. Laufräder sind LX Paralax in Ritchey Vantage Comp, Vorbau von meinem alten Orange, Lenker ein X-tra (wer hat die Vertrieben?).
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Ich selbst fahre ein Merida Redskins mit Heavy Tools Stahlgabel und Monstervorbau (Rahmen hoffnungslos zu kurz) und gleichen Lenker. Dazu ebenfalls 739er XT, Laufräder sind DX in Mavic 231.
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Wir fahren beide leichte Rubena Reifen (hatte ich mal günstig gekauft), außerdem moderne Softgummigriffe auf China. Dazu haben wir Rahmentaschen montiert und Ortlieb Seatpost-Bags anstelle von Rucksäcken.

Zum Einrollern (Mein Begleiter hatte dieses Jahr noch keine Berge gesehen) wurde eine Tour im Karwendel genutzt - zuerst ging es von Huglfing durch Eschenlohental nach Wallgau, von da aus nach Vorderriss. Dort warteten im wunderbaren Gasthof zur Post schon unsere Berg-erfahrenen "Locals", @ArSt und @Silberrücken , vielen Dank für den netten Tour-Auftakt! Den Bericht dazu gibts hier

Nachdem wir auf der schönen Binsalm genächtig hatten, ging es am zweiten Tag zum ersten hohen Gipfel. Ursprüngliche Planung war der einfache Aufweg übers Plumsjoch, runter nach Pertissau, dann ins Zillertal. Nach Mannis Ratschlag ("Jungs-das könnt ihr noch euren Enkeln erzählen wenn ihr das macht") wagten wir uns dann aber doch über das naheliegende Lammsjoch. Die Tour über die Lammsenhütte ist als "Expert-MTB"-Route teilweise beschildert. Und das zu recht - der Bereich ab etwa 1800m ist mit unserem ungefederten Material kaum fahrbar. DIe schöne Aussicht oben ist leider Nebelverhangen, aber hauptsache oben gewesen!
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Dafür ist der Downhill auf der anderen Seite durchaus spannend, länger, und mir auch sehr viel lieber als der vom Plumsjoch. Auf dem hatte ich im Frühjahr bereits grenzwertige Erfahrungen gesammelt, wie @mcada und @Thias, @AirTomac mitbekamen.
Unten im Inntal angekommen, ging es gleich den Radweg entlang weiter, und dann durchs Zillertal. Bei strömendem Regen nahmen wir nach einem Kaffee in Mayrhofen noch einen langen Straßenuphill zum Gasthof Breitlahner
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Dort gab es dann auch noch ein Getränk, das wir am nächsten Tag hinter uns lassen sollten: Vorsicht, dieses Bier liegt wie ein Stein im Magen:
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Am dritten Tag ging es dann bei Regen und Nebel mit 50m-Sichtweiten hoch zum Schlegeisspeicher, der Weg ist recht unspektakulär. Vom Schlegeisspeicher allerdings gabe es dann einen lustigen Wanderweg aus Steinplatten hoch zur Lavitzalm. Trotz Gepäck war das hier ein richtiger Fahrtechnik-Spaß, denn die Steinplatten sind immer wieder versetzt, so das hier wirklich vorsichtig und bedacht bergauf gefahren werden muss. Teilweise auch getragen ;)
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Von der Lavitzalm zum Pfitscher Joch ist es nur noch ein Katzensprung, bzw. noch 300 Höhenmeter und 3 Bachquerungen mit Nassfuss-Garantie.
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Von dort aus ging es dann herunter nach St. Jakob, und ab da wieder hinauf zum Pfunderer Joch.
Nachdem sich das erste Joch noch gut erstrampeln ließ, wurde es hier ganz schön bitter. Das Wetter klärt zum Glück auf, aber meine Beine machten irgendwann schlapp. die letzten 400 Höhenmeter bis hinauf aufs Joch waren eine Schiebquälerei für mich, dafür die Aussicht von oben um so schöner.
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Leider musste dann auch der erste Abschnitt (etwa 1,5km) runter zum großen Teil getragen werden, wegen Schnee, steilen Schlammpassagen und unfahrbarem Geröll.
Auf der Wettenbergalm gabs dafür erstmal ein Radler. Danach gings bergab - etwa 20km am Stück! Bis hinab ins Pustertal und zur Übernachtung in St. Sigmund. Danach gabs dann zur Belohnung auch eine Pizza in Wagenradgröße - und was uns besonders freute - einen kleinen Grappa hinterher!

Von St. Sigmund aus ging es am vierten Tag Richtung Cortina. Dafür wird einmal das Pustertal durchfahren bis St. Vigil, und von dort aus das Limoer Joch überfahren.
Kurz vor dem ersten Anstieg zum Joch zickte meine Hinterradbremse:
irgendwas schliff dort in regelmäßigen Abständen.... ich schaute und schaute... großer Schreck und SCHXXXXX! Die Felge wölbte sich! Durchgebremst/geplatzt!
Also vorsichtig zurück ins Dorf gerollert, dann am Radladen gewartet bis der Freundliche seine Siesta beendet hatte... Zuerst meinte er es müsse bis morgen warten da er ein Hinterrad aus dem Laden holen muss - unser Hotel in Cortina war allerdings schon gebucht. Also ihm vorgeschlagen einfach das vorhandene Hinterrad eines Leihrades zu nehmen (er hatte noch zwei mit Felgenbremse). Und für eine ziemlich unvernünftige Summe dann ein 760er XT/Ritchey Rock Pro Hinterrad mit RaceKing erstanden. Er meinte noch: Das schafft ihr heute nicht mehr bis nach Cortina... und sah uns schon nur noch von hinten.
Der Aufweg zur Fanes-Hütte stellte sich als sehr gepflegt und gut fahrbar heraus, das Regenwetter trug aber auch nicht zur guten Laune bei:
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Von der Hütte aus sind es allerdings nur etwa 150Höhenmeter zum Joch, und dort beginnt der beste XC-Downhill den ich bisher gefahren bin: Steil in verschiedenen Graden, teilweise mit grober Schotterauflage , aber sehr abwechslungsreich und alles schnell fahrbar! Und: Ewig lang! Bis nach Cortina ging es dann nur noch den Berg runter.

Am fünften Tag ging es dann von Cortina aus steil hinauf bis an den Croda da Lago.
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Auf dem Abweg von dort, auf dem Weg zum zweiten hohen Pass des Tages erwischte uns dann ein Unwetter mit Hagel und Starkregen. Durchnässt und verfroren nahmen wir einen Kakao auf der nächsten Hütte und entschlossen uns für mehr Wärme im Tal, und eine Straßenetappe: Wir fuhren über Pecol und Dont den Passo Duran an - eine klassische Rennradroute die auch der Giro regelmäßig mitnimmt.
Über den Passo Duran ging es runter in das Vallo Agordina, wo wir im schönen Städtchen Agordo einen Ruhetag einlegten. Ein sehr schöner Ort, mitten in den Dolomiten-Ausläufern, toller Ausgangspunkt für vieles, toller Ort zum Ausruhen, Füße hoch legen, Moratti trinken.

Aus dem Valle Agordina gibt es mehrere Wege raus, wir entschieden uns dafür dem Fluss zu folgen, Richtung Belluno. Die Hauptstraße gefiel allerdings nicht wirklich daher wurde hier ein Canyioning -Abenteuer daraus
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Es wurde noch deutlich tiefer und wilder, auch mit Kletter-Passagen. Irgendwann am Nachmittag wechselten wir dann wieder auf die Straße, rollten über Sedico am Piave entlang raus aus den Bergen, und nächtigten in Crocetta del Montello (Tipp- B&B Al Bagolaro, super Unterkunft!).

Hier endete dann unser Alpencross. Wir hatten an Fünf Tagen jeweils über 2000HM, die Anstrengung war spürbar, aber Bier am Abend war auch möglich. Die Bikes haben klaglos alles mitgemacht, Verschleiss hielt sich in Grenzen, problematisch war einzig meine hintere Felge. Unsere ungefähre Strecke:
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Wir hatten noch ein wenig Zeit, daher sind wir ein paar Tage an den Flüssen Piave und Brenta geblieben - beide wunderbar wilde Flüsse.
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Am Ende haben wir noch eine Straßenetappe durch Vicenza, Padua nach MEstre gemacht. Und Venedig ein paar Stunden besucht.
Die Bikes wollten wir verkaufen - leider scheinen die Italiener keine guten Fahrräder zu wollen. Wir wurden schon fast angefeindet...
Daher demontierten wir unsere liebgewonnenen Schaltgruppen und ließen die Rolling Chassis stehen. Die Demontage erfolgte in einem Grünstück direkt an einer vielbefahrenen Straße - niemand fragte uns was wir da treiben. Nicht der einzige Umstand, der mir an Venedig und Mestre zu denken gibt...
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Glück auf! Fahrt Fahrrad!
 
Allen Respekt, vor allem, wenn man mal live gesehen hat in was für einem Tempo ihr, mit Gepäck (!), die Berge hochgeschossen seit! Wahnsinns Leistung Kevin und Lukas!
... aber meine Beine machten irgendwann schlapp. Die letzten 400 Höhenmeter bis hinauf aufs Joch waren eine Schiebquälerei für mich,
Und wenn Du schon mal schlapp machst ... :eek:, dann würde ich in der Gegend wahrscheinlich auf halber Höhe wieder umdrehen.
 
@miles2014 wenn deine Beine schlapp machen, das will was heissen!

Starke Tour, bestimmt ein Erlebnis das noch steiler war als die Bilder, saugeil!!
 
Klasse Reisebericht wie immer, aber warum lasst ihr die teildemontierten Räder dort stehen? Gibts da einen besonderen Grund für?
Das sich die (Nord-)Italiener nicht gerade um altes Material reissen, wundert mich nicht, die Lebensverhältnisse dort sind doch genau wie bei uns..

Vllt. hättet ihr die Räder bereits im Vorfeld an Kinderheime, Flüchtlingsirganisatioben o. ä. offerieren sollen?
 
Schöne Tour und feine Schilderung. Das nicht bekömmliche Zillertaler hat aber auch eine komische Farbe. Im Winter ist das Märzen immer sehr erfrischend.


Prost
kalihalde
 
doch genau wie bei uns..
Das würde ich doch sehr relativieren, dort sitzt das Geld doch lange nicht so locker wie bei uns. Und gerade Venedig-Mestre schaut doch mehr süditalienisch aus, wenns nicht gerade die Flanier-Meile ist.

llt. hättet ihr die Räder bereits im Vorfeld an Kinderheime, Flüchtlingsirganisatioben o. ä. offerieren sollen?
Die Räder waren innerhalb von Minuten weg, haben bestimmt jemandem sehr geholfen. Z. B. indem sie in ein Rauschmittel umgesetzt wurden.
Wir waren tatsächlich bei einem Bike-Schrauber und in einem Rad-Affinen Café, wusste keiner was man sinnvoll damit machen könne.
Hätte man im Vorhinein klären können, so macht es mir auch keine schlaflosen Nächte. Die Rahmen hatten keinen speziellen Wert, und ein neues Bike aufbauen macht Spaß.
 
:daumen:

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Das würde ich doch sehr relativieren, dort sitzt das Geld doch lange nicht so locker wie bei uns. Und gerade Venedig-Mestre schaut doch mehr süditalienisch aus, wenns nicht gerade die Flanier-Meile ist.

Auch wenn ich noch nicht in Mestre war, sind meine nicht gerade wenigen Wahrnehmungen der letzen 10 Jahre aus Norditalien andere, seis drum man muss ja nicht immer der selben Meinung sein. ;)
 
Lieber Kevin,

das ist wieder einmal ganz große Klasse, was du hier zeigst!

Da merke ich dann besonders, was ich inzwischen für ein Alter Sack bin..... :daumen:
Ach Manni, du bist doch bestens dabei! Ein paar Tagesetappe mehr eingeplant, da wäre die Tour für dich auch machbar!

Ich hoffe doch ich bin damit auch Inspiration für andere Menschen, den Drahtesel mal aus dem Keller zu holen.
Flug zurück ab Venedig gibt's pro Person ab 20€...
 
hey kevin,

danke für den coolen bericht! dein jacobsweg hat mir auch schon spaß gemacht. schön geschrieben, tolle bilder und ganz viel respekt vor der sportlichen leistung :daumen:
vg christopher
 
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