Big-[A]llmountain-Freeride sei tot, kam mir zu Ohren.

Moehrenprincess

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Als ich mit dem Biken so richtig anfing, gab's was, das sich Big Mountain Freeride nannte - Opa erzählt aus dem Krieg. Sah cool aus, war aber auch gefährlich, glaube ich. Hab's nie selbst probiert, aber ein Drittel meines Gehirns dachte, dass ich auch irgendwie irgendwann zumindest mal halb so krasses Zeug fahren kann. Die Helden waren Darren Berrecloth und Matt Hunter und noch so ein paar andere Leute, Namen kann ich mir nicht merken. Es gab kuhle Filme in 720x680 Pixeln und mit ziemlich wilden Stunts oder wie das damals hieß. Ich baute mir auf jeden Fall ein Rad mit viel Federweg auf und hatte zusammen mit anderen Leuten ziemlich viel Spaß. Das Rad wurde rauf und runter und in der Ebene gefahren, hoppste durch die Gegend und dicke Treppenflatdrops runter und so weiter und so fort. Man könnte sagen, ein typischer Freerider eben, auch wenn er nicht in hunterschen Dimensionen bewegt wurde.

2011 passierte dann etwas fatales. Ich fuhr ein Rennen mit. Die erste "Hamburger Endurochallenge", organisiert vom E-Bike-Urgestein Matschi Faber.

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Die Folgen waren mir da noch nicht klar. Was hatte ich getan? Ich habe mir selbst, meinem Rad, dem Sport den eigenen Strick gedreht und die Dornkrone aufgesetzt. Denn bekanntlich tötete Enduro alles. Vor allem tötete Enduro Freeride:mad::heul:

Ich musste mir schließlich, um noch viel Federweg haben zu dürfen, einen Downhiller aufbauen, denn Freeride war verboten. Abgeschafft von der Enduro Leistungsgesellschaft; einer unheimlichen Geheimorganisation, bei der es nur noch um Gegeneinander und Selbstoptimierung und Rennen ging. Nur die Gabel blieb:

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Aber Freeride war das nicht mehr. Schaut euch die verbissene Haltung an:(

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Moment mal! Stimmt das? Mittelalte Jungs mit viel Federweg und zweifelhafter Liftschlangenattitüde erzählen es freilich allen, die es nicht hören wollen: Schwadronieren von der Guten Alten Zeit™. Von ehernen Männerbünden, die auszogen auf die Trails, ohne einen Gedanken an Konkurrenz. Von endlosem Spaß in Wäldern in denen es noch echte Freiheit® gab. Wo Felsen gesprengt, Bäume gefällt und Förstern Mittelfinger gezeigt wurden. Von Marzocchi-Girls, die so schön waren, dass selbst diese stahlharten Männer weinen mussten. Von Drei-Stufen-Flatdrops. Von hektoliterweise Bier am Lagerfeuer direkt aus dem Eichenfaß Krombacherdünnblechfaß. Von Nächten in undichten Zelten jenseits der Baumgrenze und von der jugendlichen Energie, die Morgens die Salami auf der Nutella umwehte, während beim Frühstück gemeinschaftlich in den Wind gepinkelt wurde. Von Fahrrädern, die so schwer und mächtig waren, wie Hannibals Kriegselephanten. Von Federwegen, die schluckten wie nope, we're not doing this. Das war schon widerlich sexistisch als es noch der Leitspruch von Akiratuning war.. Von Rittern in Knie-Schienbein-Panzern und Oversize-Jerseys mit leuchtenden Motocross-Wappen. Von Eiern groß und hart wie Bowlingkugeln, mit denen sie trotzdem den ganzen Tag biken konnten. Davon wie sie barfuß auf Legosteinen mit dem Bike auf dem Rücken einen Vulkan erklommen, um das Schicksal der Welt mit dem Jah-Drop in die Lava zu...
...ich schweife ab. Lassen wir das. Aber eins ist klar: Früher™ war alles deutlich besser und hatte erheblich mehr Seele©. Die neuen Enduros hatten keine Seele. Man konnte mit ihnen zwar schneller fahren als mit den alten Freeridern, es war bergauf nicht mehr so anstregend und die Drops, die man sich tatsächlich auch runter traute - und nicht nur bestaunte oder neben denen stehend man denjenigen, die sie sprangen, gute Tipps zurief - funktionierten auch mit den 160mm Federweg, die man den kastrierten Enduros gelassen hatte. Aber Spaß durfte das natürlich nicht machen. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen:o

Eigentlich hatte ich die letzten Jahre richtig viel Spaß auf meinen Enduros. Aber ich habe im Forum gelesen, ein Enduro ist es eigentlich nur, wenn man Rennen fährt. Oder zumindest immer versucht, die allerschnellste Linie zu nehmen. Wenn es um Spaß auf Enduro-Trails geht und man nicht DH-Reifen + Insert braucht, ist es All-Mountain. Aber All-Mountain ist eigentlich war für bäuchige Männer über 45 mit Nachwuchs, Kleingarten und Zubehör am Lenker, die an der Schlüsselstelle schieben. Geht also beides nicht. Zu langsam und spaßorientiert für Enduro, zu jung, schlank und kinderlos für All-Mountain. Und mit einem DH-Bike kann ich wirklich nix mehr Anfangen, komme ja so schon nicht oft genug in den Park...

...aber der Gedanke schlich sich immer wieder ein: Viel plüschiger Federweg für das Unbesiegbarkeitsgefühl auf den hängenden Wurzelteppichen auf der DH-Strecke oder an den Sprüngen, die mir doch noch etwas unheimlich sind. Aber für die paar Besuche im Jahr ein Rad, das nur mit Lift so richtig funktioniert? Klingt nicht so sinnvoll. Und trotzdem. Das mächtige Cove Shocker stahl sich immer wieder in meinen Kopf:

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Und manchmal bleiben Ideen, die sich einschleichen irgendwann hängen und nehmen Formen an. Ich durchstreifte das Netz, nahm sogar Kontakt mit Chaz von Cove Bikes auf, die längst keine eigenen Räder mehr machen und stieß schließlich auf eine Bikemarktanzeige aus Österreich. Nach kaum zäher Kommunikation über fast zwei Monate und ernsthaften Zweifeln, ob der Rahmen je bei mir ankäme, schlüge ich zu, schlug ich zu.

Und hier beginnt die Geschichte des Big-Allmountain-Freeriders: 222mm Federweg und eine Geo, die schon 2007 nicht ultra-progressiv war, Lack so lila wie der 08. März und mit dem hässlichsten Goldeloxal, das die Welt je gesehen hat.

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TLDR: Ich baue ein Rad auf, wundere mich manchmal über Menschen und die Szene - natürlich absolut wertungsfrei - und wünsche euch viel Spaß. Feuer frei:i2:

@everywhere.local: Ich zeig dir jetzt mal slow cooked:o
 
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Fahrrädern, die so schwer und mächtig waren, wie Hannibals Kriegselephanten. Von Federwegen, die schluckten wie ... Von Rittern in Knie-Schienbein-Panzern und Oversize-Jerseys mit leuchtenden Motocross-Wappen. Von Eiern groß und hart wie Bowlingkugeln,
an der Stelle hab ich fast den Frühstückskaffee ausgespuckt 🤣
Danke
 
Das Cove Shocker ist nicht nur fast 20 Jahre alt, sondern ohnehin ein ziemlich krasses Rad. Kanadische North Shore eben. Viel plüschiger Federweg mit viel Progression, dazu dieses etwas unwirkliche Gefühl, dass einige VPP Hinterbauten erzeugen. 150mm Hinterradnabe, 83mm Tretlager. Dazu eine ganze LKW Ladung dickwandiger Aluminiumrohre. Wenn man mit einem Hammer draufhaut, macht es nicht "Dong" sondern "Klack" - vermute ich, sowas würde ich natürlich nie tun. Sehr steif. In schwierigen Passagen erzeugt es sehr viel Grip und Vertrauen, auf Absprüngen fand ich es einen Hauch schwerfällig, beim Landen hingegen ist es dann eben ein Plüschsessel. Egal wie viele Wurzeln und Steine da sind. Dabei empfand ich es insgesamt nicht als unangenehm träge, zumindest für einen Downhiller. Im Sitzen bis zur Liftstation war hart und wäre auch mit langer Sattelstütze hart geblieben.

Das Gewicht war in M gar nicht so hoch, wie die Optik erwarten lässt. Nur etwa 2kg mehr als der Rahmen, mit dem ich jetzt das gleiche mache:D
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Dieser Test hier fasst es ganz gut zusammen.

Wieso bin ich jetzt nicht ins DH-Subforum gegangen? Das klingt schließlich nicht nach einem Rad für den Endurobetrieb. [Enduro für mich: Ein Rad, dass man selbst rauftreten kann und das stabil genug und fähig ist auch sehr schwierige Strecken und große Sprünge auch in hohen Geschwindigkeiten zu bewältigen.] Nein, das Cove eignet sich wahrlich nicht als Enduro. Es ist ein Rad für Lift, Vollgas, große Sprünge. Meins wog damals knapp über 18kg mit 26" Reifen. Wo geht es also hin?


Flashback-Friday
Noch mit dem alten Freerider - ein BeOne Woodbumble+ :love: - a.d. 2012 in Winterberg.

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Hier schleicht sich schon die später so eskalierende Race-Haltung ein. Als hätte ich es gespürt.
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Zurück zur Frage: Wo geht es also hin?
Der Titel verrät es bereits: Wir bauen einen mächtigen Allmountain-Freerider. Ohne "Big", das traue ich mich in diesem Leben nicht mehr. Mein Ziel fürs Biken ist, irgenwann nochmal einen Double oder Stepdown >10m zu springen, ich denke das qualifiziert nicht für "Big". Sicherlich wird der Schwerpunkt des Rades im Bikepark liegen, aber ich möchte es eben so bauen, dass ich es auch mit eigener Kraft ein paar hundert Höhenmeter zum Traileinstieg treten kann, ohne mit Gelenkschäden und Kreislaufzusammenbruch zu enden. Gleichzeitig soll es eben ein bisschen von diesem Unbesiegbarkeitsgefühl eines Downhillbikes mitbringen. Grip generieren, wo es eigentlich keinen gibt, harte Landungen schlucken und das Gefühl vermittel, dass es alles gar nicht so steil und schwierig ist, wie es aussieht. Nicht für Rennen, sondern für Spaß, Mutproben, Grenzerfahrungen und Touren.
Wie nur könnte man das angehen?
 
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