Hallo,
normalerweise verliere ich meine Zeit nicht mit dem Kommentieren von Artikeln, aber das Thema geht mir ziemlich nah.
Ich bin in Sibiu / Hermannstadt geboren, habe da meine ersten 19 Jahre verbracht, wohne aber seit 9 Jahren in München. MTB fahre ich seit 1998,
bis zum Umzug ausschliesslich in der Gegend von Sibiu. Meine Eltern wohnen noch in Sibiu, ich fahre etwa 3-4 mal im Jahr dorthin und nehme jedes Mal mein Fahrrad mit, so dass auch mit der aktuellen Lage der Trails vertraut bin. Soviel zu meiner Kenntnis der Lage.
Die Fotos im Artikel sind so was von übel, dieser komische Hipster-Farbstich (Instagram?) macht all die schönen Fotos zunichte.
Herr Fasching sticht nicht gerade mit seiner guten Kenntnis über das Land hervor. Es wurde ja die Spanne zwischen Arm und Reich besprochen, und
seine Aussage "das Fehlen einer breiten und wohlhabenden Mittelschicht wie wir es kennen" ist ganz daneben. Es gibt auch hier in Deutschland die
breite Mittelschicht, die wohlhabende Mittelschicht, aber eine breite wohlhabende Mittelschicht habe ich bisher nicht angetroffen, soviel zum
"wie wir es kennen". In Rumänien gibt es sehr wohl eine breite Mittelschicht, die sich ein entsprechendes Leben bezahlen kann: eigenes Haus bzw. Wohnung, eigene Autos, jährliche Urlaubsfahrten. Klar ist das Haus nicht so viel wert wie ein in Deutschland gebautes, und die Reise geht nicht auf die Malediven sondern nach Griechenland, in der Türkei oder nach Bulgarien. Nur sind in Rumänien die Unterschiede zwischen den Regionen sowie zwischen Stadt und Land viel größer, als man es von Deutschland her kennt, hier schwanken zwar auch die Einkommen regional, aber es gibt nicht diese gewaltigen Unterschiede. Wobei, wenn ich jetzt München mit einigen Teilen Brandenburgs oder Sachsen-Anhalts vergleiche, geht das schon in dieser Richtung. Es ist richtig, dass Korruption und insbesondere die Vetternwirtschaft die Entwicklung des Landes negativ beeinflussen, aber das Fehlen einer Mittelschicht ist nicht der Grund dafür.
Es ist tatsächlich so, dass ziemlich viele Arbeiter (etwa ein Fünftel, entspr. Statistiken über Google) den Mindestlohn bekommen, der zurzeit bei etwa 180 EUR liegt. Das sind auch meistens unausgebildete oder schlecht ausgebildete Arbeiter, und es ist wieder regional unterschiedlich. In Sibiu werden Fachkräfte händeringend gesucht.
Woher er die 20% Quote der Zigeuner nimmt, kann ich nicht sagen. Offiziell gehören 2,5% zur Etnie der Roma, inoffiziell fast das Doppelte. Einige meiner Freunde würden jetzt sagen "Der ist doch nur ein arroganter Pferdehintern und macht uns alle zu Zigeunern", ich nehme einfach an dass er sich um eine Größenordnung geirrt hat.
Was mich aber auf die Palme gebracht hat, war Folgendes: "Viele Pfade haben wir Motorradfahrer ausgefahren, die braucht sonst keiner." Hallo, ist
da was locker ? Ich habe vor etwa einen Monat gesehen, wie die Pfade von den Endurofahrern hergerichtet wurden: der Wanderweg zum Cindrel, der vor 3 Jahren noch bretthart und superflowig war, war jetzt komplett aufgerissen von den Reifen der Enduros und ist zu einem verblockten Umfahren von Steinblöcken geworden. Macht zwar immer noch Spass, aber viel weniger als vorhin. Ach ja, und Naturschutzreservat ist es auch... Ich hatte bisher immer eine gute Meinung über Endurofahrer, da ist aber nicht viel übrig geblieben.
Als letzte Meinung zum Interview möchte ich noch kurz seine Entscheidung für Rumänien besprechen. Er sagt "Des weiteren ist es in Rumänien problemlos möglich, dass Gelände mit dem Auto zu befahren und auf die höchsten Gipfel zu fliegen, hier wird unser Sport von der Bevölkerung begeistert aufgenommen". Mit anderen Worten: hier kümmert sich keiner um die Gesetze / das ist hier nicht reglementiert. Genauso ist es aber in Serbien, Bosnien, Kroatien und der Ukraine, Länder die von der Lage her näher sind. Ganz nebenbei werden in Rumänien Stimmen deutlich die für ein Verbot von wildem Befahren und einer Einführung einer sogenannten Offroad-Vignette plädieren. Das Thema habe ich auch lange mit einem meiner besten Freunde besprochen, der für die Organisation der Superkarpata zuständig ist (Offroad Wettbewerb). Er hat ganz klar gesagt: für uns wäre es kein Problem, die Superkarpata anderswo zu veranstalten. Wir kommen aber nach Rumänien, weil wir uns hier sehr wohl fühlen und uns das Land, die Leute und die Wildnis in den Bergen sehr gefallen. Ich glaube, dem muss ich nichts mehr hinzufügen.
Thema Helibiking: nichts für mich, wer keine Zeit zum hinaufkraxeln oder -schieben hat soll es doch gerne machen und Spaß dabei haben. Wer zahlt schon 1750,- EUR für 3 Tage Helibiking ? Ja genau, die Leute die beruflich eingeengt sind und in den 3 Tagen soviel Spass wie möglich haben möchten. Ich finde es schon eine rationale Entscheidung, und ich könnte mir gut vorstellen dass ich mit 40 als Milionär
auch Helibike und Heliboarde.
Wer noch keine MTB Erfahrungen in Rumänien hat, sollte vielleicht nicht vom Höhenunterschied auf die Befahrbarkeit nach oben der Trails schliessen. Für einige der Trails die ich kenne, schiebt man 8h und fährt dann in 20-30min wieder ab. Da wünscht man sich schon einen Heli.
Gruss,
Alex