AlpX 2009, schon wieder ein Sommermärchen oder nicht alle Wege führen nach Rom

Ich hätte übrigens gerne am Ende oder zwischendurch so eine elektronisch nachgezeichnete Marschkarte. Wäre das möglich?

Twobeers
 
Ich spreche mal mit meinem Verleger .... wenn sich was machen lässt gerne ... :D

ED: welchen Maßstab hätte der Herr denn gerne?
 
Einen GPX-Track, oder besser die KML-Datei für Google-Earth, für den Abschnitt Brenner-Rom könnte ich mal raussuchen. Allerdings fehlt da natürlich EP's legendärer "Der Mann, der auszog sein Handtuch zu retten"-Schlenker.:D
 
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Tag 15 – Auf der Suche nach dem heiligen Pfad

Zum Glück sind die Tage immer so lang, dass man von der folgenden Nacht nichts mitbekommt. Wir sind jetzt dabei, in den 15. Tag zu starten und außer an die Träume, in denen sich komischerweise immer alles um das Radfahren dreht, kann ich mich an nichts erinnern.

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Frühstück im Hotelgarten aus 1001 Nacht

Im Gegensatz zu dem Hotelzimmer ist das Frühstück in Florenz Spitzenklasse. Vollgefuttert und mit prall gefüllten Taschen verlassen wir den Frühstücksraum. Kurze Zeit später sitzen wir auf unseren Bikes und rollen aus der Garage des Hotels, und ich fühle mich dabei irgendwie wie ins Mittelalter oder in einen Indiana Jones Film zurückversetzt. Bei schönstem Sonnenschein fahren wir durch die noch menschenleeren und verlassenen Straßen der Altstadt, wo im Laufe des Tages wieder der Höllensturm von Touristen und Geschäftemachern die Szenerie bestimmen wird.

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Wer glaubt, das Wetter hat mal was anderes als blauen Himmel im Angebot der irrt ... Sorry!

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Ein Stadtzentrum nur für Touristen

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Der Dom, nochmal in hell ...

Auf den langsam zum Leben erwachenden Straßen, die noch mit riesigen schwarzen Tuffsteinblöcken im Mittelalter oder noch viel früher gepflastert wurden, fährt es sich selbst mit modernster Federungstechnik unangenehm und irgendwie beschwerlich. Nach einem kurzen Zwischenstopp auf dem Piazzale Michelangelo von dem man einem fantastischen Blick über Florenz hat, verlassen wir die Stadt in südlicher Richtung. Es ist ein traumhafter und (verglichen mit gestern) sehr ruhiger Sonntagmorgen.

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Nach einer kurzen Einrollphase läuft es ganz gut, und wir kommen zügig auf der wunderschönen „Via Chiantigiana" voran. Die Straße, welche Florenz und Siena über viele elegant geschwungene Kurven mehr oder weniger auf direktem Wege miteinander verbindet, führt durch die sanften Hügel der Toskana, welche sich an diesem Morgen von ihrer schönsten Seite zeigen.

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Wir wollen von rechts unten nach links oben ... normalerweise fährt man sowas ja direkt aber für Fernreisende gelten andere Gesetze

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Zu unserem Glück sind heute nicht mehr so viele Motorradfahrer unterwegs wie gestern auf dem Weg nach Florenz. Auf unserem Weg zum nächsten Zwischenziel, Siena, durchfahren wir das über die Grenzen von Italien hinaus berühmte Chianti Gebiet. Beim Chianti handelt es um die Region zwischen Florenz und Siena, welche in Deutschland vor allem wegen dem dort erzeugten Rotwein bekannt ist. Neben Rotwein wird hier auch erstklassiges Olivenöl produziert.

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Hier wäre eine fette Lärmschutzwand mal sinnvoll gewesen ... :mad:

Unterwegs treffen wir auf zwei Rennradfahrer aus Florenz, welche uns von unserem Glück erzählen, die schönste Straße der ganzen Gegend für unseren Transfer ausgewählt zu haben. Irgendwann biegen die beiden wieder in Richtung Florenz ab (endlich, da so diese unsägliche Raserei beendet wird) und wir nähern uns Panzano in Chianti. Das gefährliche an diesem Ort ist der Tag, an dem wir hier durch müssen. Es ist Sonntag und Sonntag ist Markttag! In diesem Fall bedeutet das, dass uns eine besonders hinterhältige Prüfung bevorsteht.

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Wie Will das mit dem Bremsen, sprich anhalten, bis Rom hinbekommen hat, ist mir bis heute ein Rätsel

Bei unserer Ankunft quillt der Ort über vor Autos und Menschen. Dazu locken die allerleckersten Essensdüfte, die ich jemals riechen durfte. Es ist einfach unglaublich, welch leckere Düfte hier permanent unsere Geruchssinne umschmeicheln. Es bedarf einiger Disziplin und körperlicher Überwindung nach dem Satz "Los, wir fahren weiter" auch die entsprechende Reaktion zu zeigen.... *oh man duftet das LECKER hier... ich verspüre auch schon ein leichtes Hungergefühl... umdrehen?*

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Auf Wiederschnüffeln ihr leckeren Düfte ...

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Es geht voran ... Arrivederci Firenze!

Zum Glück geht es erst einmal ein längeres Stück bergab, so dass wir uns von diesem teuflischen Ort ohne weitere Zwischenfälle schnell entfernen können. Auf immer noch angenehm leeren Straßen fahren wir staunend durch die Landschaft und nähern uns immer mehr Siena, einem weiteren Höhepunkt unserer Reise. Ich stelle fest, dass selbst wenige Kilometer vor der Stadt nichts von Siena zu sehen ist. An einem Kreisverkehr zwei Kilometer vor dem Ort ist nicht erkenntlich, in welche Richtung wir fahren müssen, um in die Stadt zu kommen. Ich überlege schon, was uns hier wohl erwarten könnte. Existiert Siena überhaupt oder handelt es sich um einen ganz banalen Betrugsfall?

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Unendliche Eichenwälder und Weinberge ...

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Echte Handarbeit

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Pause? Ach nöö, lass uns lieber weiterfahren ...

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Wo ist denn nun dieses Siena?

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Nix zu sehen? Ok, dann doch ne Pause ...

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Nach 24h Fahrzeit auf Asphalt sind sogar 150m Schotter ein Traum ... :love:

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Siena? Nee, immer noch nix zu sehen ...

Dank einer spontanen Autofahrerbefragung im Kreisverkehr wissen wir wenige Augenblicke später Bescheid und fahren in die richtige Richtung. Mit nur rund einem Siebentel an Einwohnern ist Siena deutlich kleiner als Florenz und mir auf Anhieb viel sympathischer als der große Bruder im Norden. Heute weiß ich, dass Siena eine der ältesten Universitätsstädte Italiens ist und rund ein Drittel der Bewohner der Stadt Studenten sind.

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Es gibt hässlichere Ecken auf der Welt als diese ...

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Siena!! Geschafft, jetzt nur nicht Kopflos agieren ...

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Wir fahren langsam und vorsichtig durch die schmalen Gassen der Altstadt, die eigentlich nur Fußgängern vorbehalten sind. Auch hier ist die Geschichte der Stadt förmlich greifbar. Dem Bauchgefühl folgend treffen wir kurze Zeit später auf dem Piazza del Campo ein. Hier befindet sich das neben dem Dom wohl wichtigste Gebäude der Stadt. Das Rathaus mit seinem über 100 m hohen Turm kann getrost als das Wahrzeichen der Stadt bezeichnet werden. Der Platz selbst ist mit roten Backsteinen gepflasterten und jährlich einmal Austragungsort eines spektakulären Pferderennens. Allein diese Vorstellung ist beeindruckend. Auch auf dem Platz ist das Radfahren übrigens nicht erlaubt, wie mich eine gut aussehende Polizistin freundlich aber sehr bestimmt wissen lässt.

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Eis oder Rolex ... da man beides nicht unbedingt braucht können wir uns nicht entscheiden und schlendern erstmal weiter ...

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Piazza del Campo

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Der Platz verströmt auf jeden Fall eine besondere Atmosphäre

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Will, konzentriert und entschlossen wie immer, beim einwirken lassen der Geschichte und Architektur des Platzes

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Ich sag nur Pferderennen auf dem Aussenring ... allein die Vorstellung ist einfach Unglaublich


Nach einer kleinen Pause (ohne Eis) besichtigen wir noch den Dom, welcher zwar kleiner als der in Florenz, aber nicht weniger prächtig ist. Da die Zeit wie immer drängt, verlassen wir die Stadt in südlicher Richtung.

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Scusi, wo gehts denn hier bitte zum heiligen Pfad?


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Der ursprüngliche Plan, bereits in Parma auf den Pilgerpfad zu stoßen und nach Rom zu fahren, wurde von Will aufgrund eines kurzen Momentes der Vernunft zwei Tage vor der Abreise in Berlin verworfen. Dieses Projekt wäre in der Kürze der Zeit von uns wohl doch nicht zu schaffen gewesen. Eine längere Strecke mit deutlich mehr Höhenmetern und Entfernungskilometern wäre die Folge gewesen.

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Das war Siena ...


Nun ist es endlich soweit. Seit Riva hatte ich auf diesen Moment gewartet – weg von den Landstraßen Italiens hin auf die heiligen Pfade der Geschichte in Richtung Rom. Der Einstieg in den Pilgertrail bereitete uns einige Mühe. Wills satellitengestützte Technik berichtete eine gefühlte halbe Stunde immer wieder was von nur noch 200 m bis zum Pfad. Mehrere Stacheldrahtzäune, Gräben und bewohnte, mit Wachhunden gesicherte Privatgrundstücke später haben wir es dann endlich geschafft.

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Auf den Spuren der Geschichte ... wo ist denn nun endlich dieser Pfad?

Wir befinden uns nun wirklich auf dem heiligen Pfad und ab sofort sind wir als Bruder Eispickel und Bruder Will im Auftrag des heiligen Vaters unterwegs. Es ist ein gutes Gefühl, endlich im Auftrage des Herrn zu reisen :lol: Der Herr hatte uns natürlich einige Prüfungen auferlegt und so trug es sich zu, dass der Weg recht beschwerlich wurde und teilweise äußerst schwierig zu finden ist. Immer wieder müssen wir anhalten und nach dem Weg suchen.

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Geschafft, ab sofort sind wir auf dem Pilgerpfad unterwegs. Wie kann man nur freiwillig auf Asphalt reisen, wenn es so wundervolle Autofreien Schotterpisten gibt?

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Siena hält sich hartnäckig im Hintergrund

Wir haben in der letzten Stunde, seitdem wir Siena verlassen haben, gerade einmal 10 km geschafft und der Zeitplan wankt inzwischen mehr als bedrohlich. Normalerweise wollten wir an diesem Tag in Siena losfahren und nun ist es bereits 17:00 Uhr und wir sind gerade einmal 10 km hinter Siena.

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Je länger wir jedoch auf dem Heiligen Pfad unterwegs sind, desto besser finden wir die wenigen und teilweise gut versteckten Zeichen und auch die kleinen beschwerlichen Anstiege werden etwas harmloser. Ein kleines Picknick mit Blick auf Siena gönnen wir uns noch, bevor es auf die letzte Etappe des Tages geht.

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Siena im Hintergrund, Picknick im Vordergrund (ja, das muss reichen um den ganzen Tag auf dem Rad rumzulullern)

Die Landschaft südlich von Siena hat sich wieder völlig gewandelt. Die Hügel werden sanfter und der Wald bzw. die Olivenhaine und Weinberge, die uns nördlich von Siena noch umgeben, sind verschwunden. Stattdessen unendlich weite abgeerntete Felder um uns herum. Es ist irgendwie speziell und aufregend schön, aber auch gespenstisch zugleich.

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Nach den Tagen auf der Straße war der Weg einfach nen Gedicht

Wir haben wie bereits den ganzen Tag schon strahlend blauen Himmel, und es ist einfach unglaublich, hier alleine und ohne Autos über die staubigen Schotterpisten zu rollen. Die Sonne senkt sich bereits bedächtig immer weiter zum Horizont, und Abendstimmung legt sich über die Landschaft. Es ist ein ganz besonderes und schwer zu beschreibendes Erlebnis, dass live erleben zu dürfen. Ich genieße jeden Augenblick und bin einfach nur froh, dass wir die Straßen zwischen Riva und Siena endlich hinter uns gelassen haben.

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Wie kann man hier nur freiwillig mit nem Rennrad langfahren? :spinner:

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Fast wie zu Hause :love:

Die Belohnung des Tages steht uns allerdings noch bevor. Da wir immer noch deutlich hinter unserem Plan zurückliegen, fahren wir so lange wie möglich weiter. Um eine Unterkunft wollen wir uns später kümmern. Auf diese Weise kommen wir in den Genuss, einen der schönsten Sonnenuntergänge, die ich jemals erleben durfte, in voller Länge zu genießen.

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Ein Sunsetride der Extraklasse

Alleine nur umgeben von aus dem Nichts auftauchenden Weinbergen und dem Wind, die von der untergehenden Sonne angestrahlten Zypressen... mir fehlen einfach die Worte, um die Einzigartigkeit dieses Moments zu beschreiben. Wir rollen über die Schotterpisten der Eroica, und es ist einfach nur wunderbar... ich fühle mich in diesen Momenten unendlich frei und einfach nur glücklich.

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Damit war unser Glück allerdings noch nicht aufgebraucht, denn kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, geht direkt vor uns ein riesiger gelber Vollmond über dem Horizont auf. So etwas habe ich hier bisher in dieser intensiven und beeindruckenden Art noch nicht erlebt. Es ist einfach wunderbar und ich stehe minutenlang auf der Schotterpiste und bekomme den Mund vor Staunen nicht zu....

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Ich kann einfach nicht aufhören zu fotografieren ...

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Hier braucht man etwas mehr Phantasie, um sich vorstellen zu können was das menschliche Auge Live daraus zaubert ...

Leider setzte mit dem Mondaufgang auch schnell die Dämmerung ein, und es wird recht zügig kälter und dunkler. Wir befinden uns immer noch mitten im Nirgendwo. Weit und breit gibt es keine Stadt oder ein Hotel zu sehen. Die drei privaten Weingüter, die wir ansteuern, kommen als Übernachtungsoption leider nicht in Frage.

Wir müssen eine Entscheidung treffen. In geschätzten 10 km Luftlinie entfernt gibt es in südöstlicher Richtung die Andeutung einer Stadt. Als zweite Option gibt es in südwestlicher Richtung deutlich näher, dafür aber auf einem höheren Hügel, eine Ruine wo wir ebenfalls Zivilisation vermuten.

Wir entscheiden uns für die Ruinenstadt. Mit Bergen sind wir ja bestens vertraut. Eigentlich wollten wir am Fuße des Berges eine Unterkunft auftun, aber dieser Plan scheitert irgendwie. Kurz bevor es finster wird, halte ich einfach einen Audi Q7 an und frage den Fahrer nach einer Übernachtungsmöglichkeit.

Er spricht zwar kein Deutsch oder Englisch, aber er versteht meinen ungewöhnlichen italienischen Slang und weiß recht schnell, was ich von ihm will. Keine Minute später stehe ich mit seinem Mobiltelefon vor seinem Auto und unterhalte mich mit einer perfekt englisch sprechenden Lady, die uns ihre Unterkunft für diese Nacht anbietet.

Der Audi Fahrer sagt was von einen Kilometer den Berg hinauf und dann das vierte Haus auf der linken Seite, aber so richtig verstanden habe ich nicht, was er von mir wollte. Egal, denke ich mir, wir finden das schon. :D

Unterwegs halten wir an jedem Haus auf der linken Seite, aber wirklich erwarten tut uns hier niemand. Anscheinend müssen wir doch bis rauf auf den Hügel. Da es inzwischen stockdunkel ist bleibt uns auch gar nichts anderes übrig. Ich bin hungrig, erschöpft und will nur noch ankommen, aber der Anstieg nimmt einfach kein Ende.

Die angekündigten wenigen Meter sind bereits mehrfach vorbei, als wir oben am Stadttor ankommen und zu unserer Überraschung sogar erwartet werden. Die Herbergschefin, mit der ich telefoniert habe, ist extra für uns runter zum Stadttor gekommen, um uns zu ihrer Unterkunft zu bringen. Solch einen freundlichen und netten Empfang hatten wir nicht erwartet. Ich bin schwer beeindruckt und überlege, ob mir so etwas wohl in Deutschland jemals passieren könnte.

Wir sind in Montalcino, zu Deutsch Steineichenberg, einer mittleren Kleinstadt mit rund 5000 Einwohnern angekommen. Als ich das erfahre, bin ich wirklich überrascht, denn mit so vielen Menschen hatte ich hier oben aus der Ferne nicht gerechnet. Unsere Unterkunft, für 30,00 € die Nacht inkl. Frühstück, ist ein Traum, der keine Wünsche offen lässt. Nebenbei bemerkt wurde diese Unterkunft von mir - neben der Übernachtung im Heu die außerhalb der Konkurrenz lief – zur Top-Unterkunft der gesamten Italienreise gekürt.

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Montalcino by night

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Der Nachtisch war nur die Krönung eines Weltklassemenüs ... :love: :love:

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Hab ich den Tag gerade nur geträumt oder ist das wirklich alles wahr? Will bei der Fotonachkontrolle

Bei einem erstklassigen Abendessen lassen wir den Tag ausklingen, bevor wir gut gesättigt, glücklich, erschöpft und immer noch grinsend um kurz vor Mitternacht in unsere Betten sinken.
 
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Tag 16 – Der lange Weg zum Lago di Bolsena

Nach einer kuscheligen Nacht im Doppelbett stärken wir uns bei einem sehr leckeren Frühstück mit frischen Brötchen und selbstproduziertem Honig und Marmelade. Nebenbei lesen wir im Lokalblatt von den lokalen Radrennen, die hier anscheinend regelmäßig stattfinden. Bevor wir den malerischen Ort Montalcino verlassen, will uns unsere Gastgeberin noch ein paar Flaschen Wein mitgeben, den sie hier in der Gegend in ihrem eigenen Weingut produziert und der nach eigener Aussage ein leckerer Tropfen sein soll (freie Übersetzung). Da unsere Rucksäcke bereits mit den bekannten Utensillien vollgestopft sind müssen wir dankend ablehnen. Wir befinden uns mal wieder in einer von vielen selbsternannten Weinhochburgen in der Toscana.

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Endlich mal vernünftige Morgenlektüre ...

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Endlich mal Italien wie ich es mir immer vorgestellt habe

Nach einem kurzen Abstecher durch den Ort und zum Kastello verlassen wir Montalcino in die übliche Richtung. Irgendwo in südöstlicher Richtung wartet der Pilgerpfad bereits wieder auf uns. Der Wettergott sorgt heute zwar wieder für die gewohnt penetrante Himmelsfarbe, doch der massive Gegenwind ist neu. Deshalb schaffen wir es selbst bei vollem Einsatz und einer deutlich bergab führenden Straße nur sporadisch, die 30 km/h Grenze zu knacken.

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Ein Blick zum Himmel verrät mir, alles wie immer

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Will auf dem Weg ins Castello

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Montalcino by day

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Montalcino

Nach einer guten Stunde auf zum Teil auch größeren Straßen treffen wir endlich wieder auf den Pilgerpfad. Leider verlieren wir wenige Meter später gleich wieder die richtige Route und finden uns inmitten der Wildnis wieder. Wills GPS sagt, dass der Pfad hier lang führen müsste, doch die Realität sieht irgendwie anders aus.

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Irgendwo da oben muss der heilige Pfad entlang führen

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Laut GPS ist hier der Pfad :confused:

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Der Pfad wurde anscheinend schon länger nicht mehr bepilgert

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Ich spüre es deutlich, wir sind dem Pfad ganz nah ...

Nachdem wir uns durch mannshohe und stachelnde Sträucher gekämpft haben, führt uns unser Pfad natürlich nicht auf direktem Wege weiter in Richtung Rom, sondern erst mal auf den nächsten Hügel hinauf. Unsere Begeisterung darüber hält sich stark in Grenzen, da es noch ungefähr 200 km bis Rom sind und Will in nicht mal 36 Stunden in Rom in den Zug nach Berlin steigen möchte. Die eingeplante Zeit für die Stadtbesichtigung wird jetzt langsam knapp.

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Ooooh nein ... wieso müssen wir jetzt da rauf? Rom liegt südlich von uns und nicht westlich ...:mad:

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Eine halbe Stunde später werden die mühsam erkämpften Höhenmeter wieder sinnlos vernichtet

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Nach Runter kommt Rauf ...

Je weiter wir fahren, desto karger und öder wird die Landschaft. Es sind fast schon Verhältnisse, wie man sie auf dem Mond erwarten würde. Weit und breit kein Wald oder irgendwelche Anzeichen von Vegetation. So richtig wohl fühle ich mich hier jedenfalls nicht. Ich will hier weg! Hinzu kommt, dass ich bereits den gesamten Morgen von meinen Bremsbelägen terrorisiert werde, die ich heute Morgen gegen meine komplett runtergebremsten Beläge ausgetauscht habe. Seither fahre ich nicht nur eingebremst, sondern auch noch stark von Quietschgeräuschen belästigt durch diese trostlose Gegend.

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Diese Hügel nehmen einfach kein Ende ...

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Im Prinzip gibt es nur einen Punkt am Horizont, wo der Weg hinführen kann ...

Der Weg war auf diesem Stück wirklich kein Vergnügen. Viele Teilstücke führen uns zwar über alte verlassene Landstraßen, aber so richtig vorwärts kommen wir trotzdem nicht. Immer wieder gibt es hier und da einen Schlenker und eine Extrarunde und wir bekommen mehr und mehr das Gefühl, dass wir zwar ständig in die Pedalen treten, aber dabei keinen Meter näher nach Rom kommen. Schuld daran ist wahrscheinlich auch die Aussicht auf eine Burg, die wir gestern Abend bereits aus der Ferne und heute bis zur letzten Stunde des Tages den ganzen Tag im Auge haben.

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... war ja klar!!

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Rauffahren is leider nicht drin ...

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... endlich gehts wieder abwärts

Die Burg liegt im Prinzip auf dem allerletzten wirklichen Hügel (so die Annahme bzw. Hoffnung) auf dem Weg nach Rom. Ich versuche Will zu motivieren, indem ich ihm sage, dass es von nun an nur noch bergab oder geradeaus geht. Leider habe ich irgendwie den Eindruck, dass das nicht wirklich gut funktioniert.

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Sind wir im noch in einem Brandenburger Braunkohletagebau oder bereits auf dem Mond?

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Endlich holen die Italiener wieder eine neue Landschaftsschablone raus und alles wird anders ....

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Herr im Himmel, wieso mussten die Pilger damals eigentlich unbedingt auf jeden Hügel rauflatschen?

Nach einem sehr langen Tag kommen wir pünktlich zum Sonnenuntergang am Lago di Bolsena an. Ein wunderbar blau schimmernder See inmitten einer Einöde. An dem See gibt es auch endlich wieder Bäume und anscheinend haben wir die Mondlandschaft endlich hinter uns gelassen.

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Der Tag neigt sich langsam dem Ende entgegen ...

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... und wir können unseren Fixpunkt am Horizont immer noch sehen

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Endlich mal wieder was (schönes) anderes fürs Auge, der Lago di Bolsena

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Wir überlegen ernsthaft den Untersatz zu wechseln ...

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Ich kann Will gerade noch davon abhalten, nicht direkt bis Rom weiterzufahren

Um eine realistische Chance zu haben, morgen Rom pünktlich vor Abfahrt des Zuges zu erreichen, entschließen wir uns, wenigstens noch bis nach Bolsena zu fahren und dann dort zu essen und zu übernachten.

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Jeden Tag die selbe Leier ... Sonnenuntergang (der gestrige Sunset wird so schnell jedenfalls nicht getoppt)

Nach einer weiteren knappen Stunde Fahrzeit erreichen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit den Ort. Es scheint recht touristisch zu sein, und wir kehren in einem typischen Touristenrestaurant ein, welches verglichen mit dem Restaurant des Vortages allerhöchstens mittleres Mensaniveau erreicht.

Da es nach dem Essen bereits wieder finstere Nacht ist und wir nicht mal ansatzweise Lust verspüren, noch aufwendig nach einer Unterkunft zu suchen, fragen wir einfach den Kellner. Ich erkundige mich nach einer Unterkunft in Richtung gut und günstig und zeige dabei fragend auf das nur wenige Meter neben uns befindliche Hinweisschild für eine Unterkunft.

Günstig sieht es aus, aber ob es auch gut sein würde, bezweifele ich. Meine erneute Nachfrage nach gut bringt mir nur die lapidare Antwort ein: es ist günstig, was willst Du mehr... das sagt alles. Da wir eigentlich nur noch schnell ins Bett wollen, machen wir uns daran, die Unterkunft genauer zu inspizieren.

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Bolsena - Unterkunftssuche aus dem Restaurant heraus - 30m die Straße runter und dann links

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120km vor Rom gescheitert ... Will ist geknickt & enttäuscht, denn die Triumphfahrt auf der Via Francigena nach Rom entfällt. Das große Ziel ist unerreichbar ...

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Für alle die mal ne Nacht in den 60ern erleben wollen ... der Geheimtipp schlechthin!!!

Ich klingele und trete ein. Der Flur ist ja schon mal eine Einladung, die Zimmer dagegen sind viel bescheidener, und normalerweise würde ich ganz sicher dankend ablehnen. Der hübsch restaurierte Hausflur, in dem ich mich ein paar Jahrhunderte zurückversetzt fühle, hat es mir aber irgendwie angetan. Unser Zimmer verströmt sehr überzeugend das Flair der 60er Jahre und ich lege bei Will ein gutes Wort für die Unterkunft ein.

Es ist so, wie der Kellner es beschrieben hat... günstig, aber letztendlich für eine Nacht in Ordnung. Es kostet uns einige Mühe, die Chefin davon zu überzeugen, dass die Räder über Nacht aus Sicherheitsgründen unbedingt im Vorraum unseres Liebesnestes abgestellt werden müssen. Da sie sich ein wenig zimperlich mit ihrer antiken Einrichtung gibt, vermuten wir, dass in diesem Zimmer wahrscheinlich die junge Sophia Loren ein paar heiße Nächte mit dem damals noch weitesgehend unbekannten Adriano Celentano verbracht haben muss. Uns fällt an diesem Abend jedenfalls kein besserer Grund ein, warum man sonst ein Zimmer über 45 Jahre lang nicht verändert.

Das große Ziel - Rom - vor Augen begeben wir uns umgehend in unser Abenteuer-Doppelbett. Die Matratze ist so alt und durchgelegen, dass man sich automatisch immer in der Mitte trifft. Normalerweise würde ich sagen, dass uns eine aufregende und anstrengende Nacht bevorsteht, aber wir sind so kaputt, dass wir von all dem nichts mehr mitbekommen und bereits kurze Zeit später tief und fest schlafen.
 
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Tag 17 – ROM

Da wir in den letzten Tagen leider nicht so schnell wie eigentlich eingeplant vorangekommen sind, entschieden wir uns bereits gestern Abend dafür, den letzten Tag auf getrennten Wegen nach Rom zu fahren. Weil ich Zeit habe will ich weiter auf dem Pilgerpfad fahren und Will muss wohl oder übel auf dem direkten Wege nach Rom fahren, um am Abend rechtzeitig am Bahnhof zu sein.

Da die Unterkunft nur günstig und nicht gut ist, gibt es natürlich kein Frühstück und so fahren wir vor unserem Abschied noch einmal gemeinsam zum nächsten Supermarkt. Ich versorge mich mit allem, was ich für ein gutes Frühstück und den Tag benötige. Nachdem wir das geschafft haben, ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Von nun an müssen wir unsere Wege alleine finden.

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Lago di Bolsena

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Es fällt mir nicht leicht das einzugestehen, aber ein wenig komisch ist mir schon bei dem Gedanken, alleine weiterfahren zu müssen. Ich stelle bereits beim Abschied fest, dass ich Wills Gesellschaft schon jetzt vermisse. Bei der nächsten vielversprechenden Gelegenheit biege ich rechts von der Straße ab, winke Will noch mal zum Abschied, bevor ich ihn aus den Augen verliere. Ich will mein Frühstück in Ruhe unten am Seeufer einnehmen, bevor ich mich auf die Suche nach dem Pfad begebe.

Aus dem idyllischen Frühstück wird leider nichts, denn ich komme weder runter zum Seeufer, noch finde ich ein ruhiges Plätzchen. Stattdessen werde ich eine knappe halbe Stunde lang entweder von Hunden, die in zwei großen Käfigen eingesperrt sind, in Stereo angebellt oder von der anderen Seite von einer Baustelle mit Baulärm zugedröhnt. Gestärkt, leicht genervt und ein wenig in die Flucht geschlagen, verlasse ich Bolsena in Richtung Rom.

Mein Plan sieht vor, bei der nächsten Gelegenheit von der Straße auf den Pilgerpfad abzubiegen und dem Straßenterror so schnell wie möglich zu entfliehen. Leider taugt meine Karte nur zu einer sehr groben Orientierung denn zur Navigation, und so fahre ich direkt auf der Straße weiter in Richtung Montefiascone und hoffe darauf, irgendwo am Straßenrand den Einstieg in den Pilgerpfad zu finden.

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Die Sammelwut Deutscher Touristen hat mich um das Erlebnis gebracht, den Pfad bis Rom zu Ende zu fahren

Wie der Name des nächsten Ortes (Montefiascone) vermuten lässt, verläuft der Transfer dorthin natürlich nicht ohne Probleme. Die Sonne brennt bereits wieder mit Qualität vom Himmel, aber irgendwie verspüre ich ungewöhnlich viel Feuchtigkeit auf meinem Rücken unter meinem Rucksack. Wie sich bei einer eingehenden Untersuchung des Phänomens herausstellt, leide ich an Blasenschwäche... Trinkblasenschwäche um es auf den Punkt zu bringen. Meine in Bolsena frisch mit 1,5 Litern Wasser aufgefüllte Trinkblase ist an der unteren Naht aufgeplatzt und das Wasser schwappt bereits fröhlich durch meinen Rucksack und von da in meine Radhose hinein.

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Früher wurde schlechte Qualität bei Trinkblasen in dieser Gegend noch entsprechend geahndet, kurze Zeit später erfanden die Enkelkinder der Betroffenen das Umtauschrecht

Zum Glück habe ich „nur“ Wasser in der Blase und keine klebrige Flüssigkeit. Meine gesamten Sachen sind mehr oder weniger nass und zu trinken habe ich jetzt auch nur noch eine 700 ml Trinkflasche. Nachdem ich das Wasser soweit wie möglich aus dem Rucksack entfernt und meine Sachen wieder verstaut habe, kann es weitergehen. Vom Einstieg in den Pilgerpfad ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Weder Wege noch Hinweisschilder deuteten auf die Existenz des Weges hin.

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Montefiascone

In Montefiascone unternehme ich einen weiteren Versuch auf den Pilgerpfad zu gelangen. So einfach will ich mich nicht geschlagen geben. Im Ortszentrum nahe dem Dom finde ich sogar Hinweisschilder, denen ich folge. Es dauert nicht lange und ich bin zwei Mal im Kreis gefahren und von dem Pilgerpfad ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Ich habe irgendwie keine Lust mehr, weiter nach dem Pfad zu suchen und entschließe mich daher, die Sache mit dem Pfad sein zu lassen und stattdessen auch auf der Straße nach Rom zu fahren.

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Hierher zieht sich der Papst zurück, wenn es in Rom wirklich mal ungemütlich wird

Kurzerhand ändere ich den Plan und mir kommt der Gedanke, dass es mir vielleicht gelingen könnte, das Unmögliche noch möglich zu machen. Ich könnte ja versuchen, Will, der inzwischen ein gutes Stück vor mir fährt, noch vor Rom irgendwie einzuholen. Die Aussicht gemeinsam in Rom einzufahren, erscheint mir deutlich attraktiver als alle anderen Optionen. Das ist natürlich eine Herausforderung ganz nach meinem Geschmack und somit ist das große Rennen ins Zentrum der Macht eröffnet. Mit Vollgas mache ich mich bei inzwischen fast tropischen Temperaturen und knallender Sonne auf die Aufholjagd.

Als ich ca. 25 km vor Rom bin, entdecke ich eher zufällig als absichtlich Will, der gerade am Straßenrand steht und irgendwas in seinem Rucksack sucht. Da meine Wasservorräte trotz unkonventioneller und zeitsparender Nachtankstrategien (danke noch mal an die netten Italienerinnen am Straßenrand kurz hinter Viterbo) schon wieder aufgebraucht sind, brauche ich dringend Getränkenachschub. Wir verlassen uns auf Wills GPS, welches einen Brunnen in unmittelbarer Nähe verspricht und nur kurze Zeit später finden wir tatsächlich frisches Trinkwasser.

Nachdem die Getränkesituation geklärt ist, beschließen wir noch einen letzten Verpflegungsstopp vor Rom einzulegen. Die Suche nach einem geeigneten Platz erweist sich als schwieriges Projekt. Auf einem offiziell als gesperrt gekennzeichnetem Weg, welcher anscheinend seit Cäsars Zeiten nicht mehr verändert wurde, halten wir an einem See. Das klingt erst mal idyllisch – ist es aber nicht, da wir uns in einer über und über mit Müll verdreckten Umgebung befinden. Die ausgetrocknete Steppe mit dem von der Sonne komplett verbrannten Gras trägt auch nicht unbedingt dazu bei, den Wohlfühlfaktor zu erhöhen.

Da wir noch schnell Rom besichtigen wollen, halten wir uns nicht lange auf und fahren zügig weiter... über den Dreck in der Gegend legen wir besser den Mantel des Schweigens. Wer denkt, es kann nur besser werden, täuscht sich. Nur wenige Minuten Fahrzeit später finden wir uns auf einer Autobahn, welche als Landstraße ausgewiesen ist, wieder. Es ist mal wieder laut, dreckig und schööön heiß ... zu allem Überfluss verhindern meine Bremsbeläge erneut die schnelle Flucht.

Dummerweise befindet sich der siebente Hügel, auf dem Rom damals erbaut worden sein soll, von Norden aus gesehen scheinbar ganz am Ende. Nach dem vierten oder fünften letzten Hügel vor Rom entdecke ich endlich links neben der Autobahn unser Ziel. Allerdings geht die Hilfsautobahn jetzt in eine richtige Autobahn über und hier ist für uns wirklich Schluss. Wir dürfen stattdessen noch eine Extrarunde in Richtung Zentrum fahren. Der Weg dorthin ist eine Herausforderung und ich muss an den Rat denken, welcher den beiden Amis mit auf den Weg gegeben wurde.

Wir befinden uns inzwischen im Stadtgebiet von Rom und neben der immer unerträglicher werdenden Hitze wird auch der Verkehr immer dichter. Wir fahren nach Bauchgefühl in Richtung Zentrum und ich schließe erste „Freundschaften“ mit römischen Busfahrern, die sich anscheinend in ihrer Ehre gekränkt fühlen, wenn sie von einem Mountainbiker überholt werden.

Es ist kurz nach 14 Uhr, als wir endlich auf den Petersplatz einbiegen. Wir sind nun am Ziel unsere Reise und fragen uns, wo sich Benedikt, die alte Schwucke, wohl wieder rumtreiben mag. Anstatt uns würdig zu empfangen, lässt er uns inmitten der Massen ungläubigen Neuzeitpilger die alle mit irgendwelchem Neumodischen Schnickschnack wie Auto, Bahn oder Flugzeug angereist sind einfach blöde auf seinem Vorhof rumstehen... Da uns das nach einer guten halben Stunde zu langweilig wird, machen wir uns auf den Weg, weiter die Stadt zu erkunden.

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Ich muss jetzt wirklich nicht mehr weiter fahren?

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Wo wollte sich Benedikt gleich nochmal mit uns treffen?


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Das ultimative Beweisfoto ... Will war wirklich da. So sehen Sieger aus ...

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Will stellt sich die Sinnfrage ... warum fährt man mit dem Rad vom Brenner nach Rom? Ob er bereits die Antwort kennt?

In weniger als drei Stunden entdecken und besichtigen wir diverse Botschaften, bekannte und weniger bekannte Gebäude, den Tiber, die Engelsburg, das Colosseum, den Circus Maximus, die spanische Treppe, den Trevi Brunnen und über die Piazza Venezia mit dem Monumento Vittorio Emanuele II geht’s schnell noch zum Bahnhof. Geschichte und Kultur pur im Schnelldurchgang. Wer weiß, an wie vielen berühmten Gebäuden und Plätzen wir noch vorbeigekommen sind, ohne es bemerkt zu haben.

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Bye bye Benedikt

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Warum soll man hier nicht mit dem Rad fahren?

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Was wollen nur diese Menschenmassen hier?

Ziemlich am Ende unserer Stadtrundfahrt handeln wir uns beide kurz hintereinander jeder noch einen Platten ein. Will hat dabei wie immer ein Händchen für die besonderen Orte & Momente, da er jetzt direkt vor dem Kolosseum sein Bike reparieren darf. Ist er anfangs noch recht entspannt, so treibt ihn vor dem Zusammenbau ein Blick auf die Uhr jetzt deutlich an, denn sein Zug fährt in weniger als einer Stunde und wir haben noch keinen Schimmer, wo der Bahnhof sein könnte. Nachdem Will die Arbeiten ohne Probleme beendet hat, machen wir uns aber auf den Weg zum Bahnhof.

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Letzte Ölung?

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Benutzten wir das GPS bisher so gut wie nie, soll es nun seine herausragenden Qualitäten demonstrieren und uns schnell und sicher zum Bahnhof bringen. Leider hat die Technik in der Stadt so ihre Tücken und so müssen wir nach dem dritten völlig sinnlosen Kringel durch die Auto- und Menschenmassen feststellen, dass Wills GPS sich anscheinend verlaufen hat.

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Mir wurde gesagt, dass da hier momentan an einer neuen N8Ferkel-Location für Schotti&Co gebaut wird

Da die Zeit inzwischen langsam richtig knapp wird, entscheide ich mich für die althergebrachte Variante. Ich frage den erstbesten Passanten nach der Richtung in der der Bahnhof liegt. Nachdem das geklärt ist, wird das Tempo ordentlich erhöht und wir haben eine Menge Spaß beim Durchpflügen des dichten und teilweise chaotischen Römischen Stadtverkehrs. Alle 500 m frage ich meist im Weiterfahren mit zwei Worten nach dem Bahnhof und wir lassen uns so immer weiter in die Nähe des Bahnhofs leiten.

Kurz bevor wir am Ziel sind, machen noch zwei Polizisten in ihrem Streifenwagen unsere Bekanntschaft. Ich überhole rechts und frage durch das geöffnete Fenster nach dem Bahnhof. Da die Jungs nen bissel sehr langsam unterwegs sind und auch nicht so schnell verstehen, was ich von ihnen will, muss ich sie noch zum schneller Fahren animieren. Beide sind mit dieser Situation sichtlich überfordert. Letztendlich weisen sie uns aber noch die richtige Richtung, bevor wir beide im dichten Stadtverkehr hinter uns lassen.

Keine 5 min später stehen wir vor dem Hauptbahnhof von Rom und verabschieden uns zum zweiten Mal an diesem Tage. Bevor ich Will davonfahren lasse, tauschen wir noch schnell die Trinkblasen aus, damit ich die nächste Woche keine Angst vor dem Verdursten haben muss (@Will: vielen Dank noch mal).

Leider gibt es nach dieser Verabschiedung kein Zurück mehr und ich bin endgültig und unumstößlich ab sofort auf mich allein gestellt. Ich fühle mich erneut ein wenig allein gelassen und irgendwie verlassen in der großen Stadt. Ich rolle noch ein wenig ziellos weiter durch Rom, bevor ich an der Piazza Venezia auf Somen Debnath aus Pakistan treffe. [ame="http://www.youtube.com/watch?v=PowYfusizew"]YouTube- Somen Debnath - RAI3 Italy[/ame] ist mit seinem Rad auf dem Weg um die Welt. Wir unterhalten uns ein wenig und bevor er zu seinem nächsten Interviewtermin direkt vor Ort antreten muss, segnet er noch schnell mein Rad (eigentlich macht er ein Foto) und ein unbekannter italienischer Lover ist der Meinung, dass auf mein Foto unbedingt noch seine aktuelle Liebe mit rauf muss. Ich habe so die Gelegenheit, ein ganz besonderes Bild zu machen...

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Extrembiker - wie irre muss man sein? Aber auch ich habe hier dazugelernt!

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Piazza Venezia mit dem Monumento Vittorio Emanuele II

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Das wesentliche wurde perfekt in Szene gesetzt :D

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten habe ich mich an den Verkehr in Rom sehr schnell gewöhnt. Als Radfahrer hat man hier Narrenfreiheit und kann sich fantastische Rennen mit den Vespafahrern liefern. Wo man lang fährt, ist eigentlich egal – rechts, links oder einfach durch die Mitte – erlaubt ist, was Spaß macht und voran bringt. Es ist fast ein kleines Paradies, wenn nur die Abgase der vielen Fahrzeuge nicht wären...

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Vor lauter Unabhängigkeit und Freiheit vergesse ich fast die Zeit und bevor die Sonne komplett am Horizont verschwunden ist, nutze ich die letzten Strahlen, um die Himmelsrichtung zu bestimmen, in der ich die Stadt verlassen will. Im Feierabendverkehr lasse ich inzwischen zielsicher jegliche Verkehrsmittel hinter mir. Geht es auf der Straße mal nicht weiter, weiche ich auf den Fußweg aus und umgekehrt. Schnell lasse ich so das Zentrum hinter mir und finde mich kurze Zeit später in der Dunkelheit auf einer der großen Ausfallstraßen in Richtung Süden wieder.

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Die Tage fliegen nur so dahin ... schon wieder Sonnenuntergang ...

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So langsam wird es Zeit fürs Abendbrot

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Irgendwann hat man sich an den Verkehr gewöhnt und dann macht es einfach nur noch Spaß

Kurz nach 20 Uhr kehre ich in ein italienisches Restaurant in Straßennähe ein. Bei Live Musik mit Live Pizza inklusive Frische-Garantie lasse ich es mir schmecken. Auf meine Frage nach einer günstigen Unterkunft werde ich nach Ciampino ungefähr 10 km weiter in südlicher Richtung geschickt.

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Rom habe ich jetzt also auch hinter mich gebracht ... weiter gehts ...

Es ist bereits halb 10 als ich am Airport Ciampino vorbeirolle und sich wieder die Magie und das Abenteuer des Nachtfahrens auf dieser Reise einstellen. Es sind immer wieder besonders reizvolle und interessante Momente, wenn man merkt, dass man irgendwo ist, wo man noch niemals zuvor gewesen ist, nichts und niemanden kennt und trotzdem mit dem Gefühl weiterfährt, dass man eine Lösung finden wird. Dies und die Neugier, welche Lösung das wohl sein wird, machen diese Momente für mich so besonders.

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Der letzte verbliebene Passagier nach Messina möge sich bitte umgehend am Gate D zum Abflug ins Bett einfinden

Nach kurzer Zeit erreiche ich Ciampino und nachdem ich eine knappe Viertelstunde gesucht habe, stehe ich in einem nagelneuen und günstigen Hostel. In diesem nächtige ich wie auch ein an der Amalfiküste zu Ausbildungszwecken kochender Amerikaner, der gerade auf der Reise nach Irland ist. Endlich komme ich auch dazu, meine nassen Klamotten aus dem Rucksack zu holen und zum Trocknen aufzuhängen.

Erschöpft und müde falle ich nach dem Duschen ins Bett und habe weder die Kraft noch die Zeit dafür, darüber nachzudenken, was mich wohl am morgigen Tag erwarten wird. Nach der Installation meiner Ohrstöpsel falle ich sofort in einen tiefen und erholsamen Schlaf und träume von den Erlebnissen des vergangenen Tages...
 
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Tag 18 – Was alles so passiert, wenn niemand mehr da ist, der auf einen aufpasst

Ich wache auf und der amerikanische Koch ist bereits verschwunden. Ich fühle mich so, als wäre ich erst vor fünf Minuten ins Bett gegangen, versuche es aber zu ignorieren. Meine Paranoia etwas zu vergessen, wird trotz inzwischen vorhandener Packroutine nicht kleiner. In meiner Übernachtung für sensationelle 25,00 € ist noch ein Kaffee, Kakao oder Cappuccino – je nach persönlicher Vorliebe - und ein Croissant, welches im Coffeeshop neben dem Hostel abzuholen ist, enthalten. Es ist lecker, nur wie immer recht bescheiden, wenn ich bedenke, dass heute wieder die unendlichen Weiten Italiens vor mir liegen. Ich trödele nicht lange rum und fahre direkt nach dem Frühstück in Richtung Süden los. Irgendwie ist heute alles anders. Nicht nur, dass ich alleine unterwegs bin, es ist auch mal wieder bewölkt. Aus dem Norden schieben sich fast schon bedrohlich dunkel aussehende Wolken heran.

Das nächste nennenswerte und bekannte Ziel heißt Neapel. Dazwischen gibt’s nicht viel, was erwähnenswert wäre. Allerdings sind es bis nach Neapel von Rom aus deutlich mehr als 200 km und das auf der kürzesten Strecke. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich versuchen soll, wieder einen Pilgerpfad (den es südlich von Rom angeblich auch geben soll) zu suchen oder ob ich weiter über die seit gestern endgültig verhasste Landstraße fahre. In der Hoffnung, einen guten Einstieg in ein Wegenetz aus Feld- oder Waldwegen zu finden, fahre ich erst einmal über kleine Nebenstraßen. Allerdings ohne großen Erfolg.
Nach kurzer Zeit stehe ich wieder auf der Hauptstraße gen Süden, die ich letzte Nacht aus Rom heraus schon befahren hatte.

Zu meinem Unglück zieht sich die Straße erst einmal in einer leichten Steigung auf scheinbar unendlich langen (und gefühlten) 5(0) km bergan. Ich fühle mich gar nicht gut und es kommt mir so vor, als wenn ich gleich stehen bleibe. Als ich endlich in Velletri ankomme, bin ich anscheinend erst mal am höchsten Punkt angelangt. Auf einer Brücke halte ich an und genieße die Aussicht. Mit einem Mal wird mir klar, dass der dunkle Streifen am Horizont, den ich schon seit einigen Minuten beobachte, das Meer ist. Ich kann es anfangs gar nicht glauben, denn so nah hätte ich das Meer gar nicht vermutet.

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Das Wetter war auch schon mal schöner ... ist das etwa Wasser da am Horizont??

Da die Zeit wie immer läuft, halte ich mich nicht länger in dieser Autofahrerstadt auf und fahre recht schnell weiter. Der Verkehr ist wie immer in den letzten Tagen – einfach grausam. Am Ortsausgang von Velletri bietet sich mir die Gelegenheit des Tages – ein vielversprechender Abzweig von der Hauptstraße in die richtige (in meine) Richtung. Ich biege in die kleine Seitenstraße ab und sofort umgibt mich eine angenehme Ruhe, und nur der Fahrtwind rauscht in meinen Ohren. Über diese Oase der Ruhe rolle ich mit viel Flow meist leicht bergab durch die Landschaft und genieße jeden Meter durch unendlich erscheinende Olivenhaine, bis ich kurz vor Cisterna di Latina wieder auf die Hauptstraße treffe.

Die letzten Kilometer bis zum nächsten Zwischenziel rolle ich schwungvoll dahin. Es geht nicht mehr bergan und ich bin sehr zufrieden, bereits deutlich vor 12 das zweite Zwischenziel des Tages erreicht zu haben.

Der Ort Cisterna di Latina ist leider eine Enttäuschung. Die Stadt wurde, wenn meine Nachforschungen stimmen, im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört und bietet – zumindest auf der direkten Durchfahrt - nichts wirklich Interessantes. Nach einem Stopp an einem Supermarkt mache ich mich auf den Weg über die Via Appia nach Terracina.

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Die letzten Reste einer längst vergangenen Epoche

Die Via Appia verläuft auf gut 60 Kilometern schnurgerade und ohne jegliche Andeutungen einer Kurve oder einer Unebenheit durch die Pontinische Ebene, welche früher eine Sumpflandschaft war, direkt bis ans Mittelmeer. Eine Strecke, die wie gemacht ist, um schnell voran zu kommen. Mein Tacho zeigt fast durchgehend Geschwindigkeiten höher als 30 km/h an und von Müdigkeit ist keine Spur mehr.

Links neben mir begleitet mich ein Gebirgszug. Irgendwo in oder hinter diesen Hügeln sollte eigentlich der Pilgerpfad gen Süden verlaufen, aber ich verspüre keine Lust, danach zu suchen.

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Hier kann man sich unmöglich verfahren ... man kommt von hiiiiiier ...

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... und fährt nach daaaaa ...

Kurz vor 14 Uhr erreiche ich schließlich Terracina und somit das Meer. Ich halte direkt am erstbesten Supermarkt und vernichte umgehend einen Liter gut gekühltes Gatorade. Die Stadtbesichtigung wird auf das Nötigste reduziert, soll heißen, ich rolle auf der

Hauptstraße auf direktem Wege durch den Ort. Am Ende des Ortes stehe ich auf einmal am Meer und genieße den Anblick, der sich mir bietet. Der Gedanke, eine Runde schwimmen zu gehen, ist verlockend, aber wo ich schon mal so gut vorangekommen bin, will ich nicht anfangen zu trödeln und verschiebe den Badespaß auf später.

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Endlich am Meer ...

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Ich hatte unterwegs ganz vergessen, dass ich ja auch ans Meer wollte ...

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Auf jeden Fall ist es hier wieder viel schöner als die gut 100km vor und nach Rom

Hinter Terracina verlasse ich die Via Appia und fahre auf der Küstenstraße weiter in Richtung Gaeta. Bei inzwischen schönstem Sonnenschein bieten sich mir wunderbare Ausblicke auf ein tiefblaues Mittelmeer. Vergessen sind die LKWs, die Abgasfahnen und der Lärm. Auf der Straße ist es für italienische Verhältnisse relativ ruhig, und ich überlege, an welchem schönen Plätzchen ich die erste längere Pause des Tages machen könnte. Je näher ich Gaeta komme, desto schöner wird es.

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Welch Wohltat fürs Auge ...

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Baden? Ach nee, jetzt nicht, später ... bei der nächsten Gelegenheit

Als ich mich endlich dazu durchgerungen habe, bei der nächsten Möglichkeit eine Badepause einzulegen, erwartet mich hinter der nächsten Kurve bereits der Industriehafen von Formia. Ein tolles Plätzchen für eine Pause, gibt es doch hier sogar eine hauseigene Raffinerie.

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Minturno ... ich hätte jetzt so schön irgendwo am Strand liegen können ... aber nein, das ist mal wieder typisch ...

Ich bin natürlich erst mal restlos bedient und spüre inzwischen auch, wie nötig eine Pause jetzt wäre. Ein kurzer Blick auf meine Karte verrät mir, dass es nicht mehr weit ist, bis ich zu dem ersten Ort gelange, der auf meiner Michelin Süditalien Karte im Maßstab 1:400.000 eingezeichnet ist. Ohne es mir selbst einzugestehen, ist mir in diesem Moment klar, dass ich vor diesem Ort, Mondragone, keine Pause machen werde.

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Kurz vor Mondragone versuchen die Italiener mich zu grillen ... don´t stop!

Nach einer schier endlosen Fahrt, ich weiß inzwischen nicht mal mehr, wie lange ich für diese Strecke gebraucht habe, erreiche ich Mondragone. Der Ort ist ein grauenhafter Ferienort und im September eine Geisterstadt. Unendliche Massen an Einfamilienhäusern reihen sich Kilometer für Kilometer entlang der völlig zugebauten Küste. Bei einer Nachfrage nach dem nächsten Supermarkt werde ich wieder zurück zur Hauptstraße und in den nächsten Ort geschickt. Ich ignoriere diese Information und suche alleine weiter. Mit mehr Glück als Verstand kann ich doch noch einen offenen Supermarkt auftun und meine Vorräte auffüllen.

Nach einigem Suchen finde ich den anscheinend weit und breit einzigen öffentlich frei zugänglichen Zugang zum Strand. Der Weg ist halb zugewachsenen und nur einen guten Meter breit. Das gesamte Ufer ist mit Häusern zugebaut. Ich komme mir ein wenig vor wie in den Papphäuserslums von Beverly Hills.

Zu meiner Überraschung erweist sich der Weg ins Glück als ein Pfad an einen weiteren Privatstrand mit angeschlossenem Cafe. Da ich außer den Besitzern anscheinend der einzige Gast bin, frage ich höflich nach, ob ich eine kurze Pause am Strand einlegen darf.

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Endlich Pause

Ich hab Glück und werde geduldet. Es ist bereits kurz vor 18 Uhr, als ich endlich meine erste längere Pause des Tages einlege. Ich bin recht zufrieden, befinde ich mich doch bereits in unmittelbarer Nähe von Neapel. Ich denke an die Worte von Julia vom Alpenverein aus Frascati: „Fahre auf keinen Fall durch Neapel!“ Ich konzentriere mich erst mal auf meine Lieblingstörtchen und genieße dabei die bereits langsam im Meer untergehende Sonne.

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Fast wie zu Hause. Ordnung muss sein! :D

Nach einer guten halben Stunde geht es ohne Badespaß weiter. Ich will das letzte Licht des Tages nutzen und noch ein wenig weiter in Richtung Neapel fahren. Doch zuerst muss ich einen Ausweg aus dem Ferienhauslabyrinth finden. Das erweist sich als gar nicht so einfach.

Nach zwei Fehlschlägen erreiche ich eine vielversprechende Straße und treffe sogar auf Anwohner. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Hausherren, ins Italienisch/Englische übersetzt von seiner Frau, werde ich vom Chef persönlich mit dem Klapprad zum Ausgangspunkt in südlicher Richtung begleitet. Diesen Service verdankte ich wohl hauptsächlich meiner Bemerkung, dass ich heute früh mit dem Rad in Rom gestartet bin und noch nach Neapel will. Den Rest des Weges zurück zur Hauptstraße bekomme ich mit Händen und Füßen erklärt.

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Gut, dass die Nachbarn den Mast letzte Woche vorsichtshalber noch am Baum angedübelt haben

Ohne größere Probleme erreiche ich nach einigen Minuten Fahrzeit den Highway in Richtung Neapel. Fasziniert genieße ich die letzten Strahlen der Abendsonne, die gerade dabei ist, im Meer zu versinken. Ich müsste eigentlich nur noch knapp 30 km von Neapel entfernt sein und da sich weit und breit keine interessante Übernachtungsmöglichkeit anbietet, entschließe ich mich dazu, einfach erst mal weiter zu fahren.

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Wieso wird das denn jetzt schon wieder dunkel? Hey Sonne! Stop, Anhalten ... ich brauch dich noch ein wenig!

Nach ein paar Kilometern teilt sich die Straße genau wie vor Rom in den direkten Weg nach Neapel über die Autobahn und eine kleine Straße ins Nirgendwo. Da ich über die Autobahn natürlich nicht weiterkomme, fahre ich über die einzige vorhandene Alternative weiter südwärts.

Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, als ich die ersten Vororte von Neapel erreiche – zumindest bilde ich mir das zu diesem Zeitpunkt ein. Bis auf die an der Straßensperre vor mir stehenden mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen ausgestatteten Polizisten und Soldaten sind alle auf der Straße zu sehenden Menschen Schwarze. Ich hab irgendwie kein gutes Gefühl und bemerke, wie sich mein Reisetempo bereits von gemütlichen 24-25 km/h auf konstante 28 km/h eingependelt hat. Ich werde mindestens genauso neugierig und ungläubig angeschaut, wie ich die Gegenseite anschaue. Anscheinend kommen nicht nur zu dieser Tageszeit sondern generell nicht so
viele Brocken-Rocken Mountainbiker hier vorbei.

Wundere ich mich anfangs noch über die vielen schick herausgeputzten Mädels am Straßenrand, so wird mir wenig später klar, dass ich mich anscheinend auf dem längsten Straßenstrich Süditaliens befinden muss. Wie es scheint habe ich mir ja mal wieder die beste Reiseroute ausgesucht :rolleyes:

Da es inzwischen dunkel geworden ist und von Neapel weit und breit noch nichts zu sehen ist, halte ich an der nächsten Tankstelle und frage mal nach, wie weit es eigentlich noch bis Neapel ist. Die Jungs an der Tanke empfehlen mir den nächsten Bus zu nehmen, da es auf der Straße zu dunkel und zu gefährlich ist.

Angeblich sind es wohl noch 25 km bis Neapel. Ich bedanke mich und fahre trotzdem erstmal weiter. Ich und mit dem Bus fahren? So weit kommts noch... Ich glaube kaum, dass das heute Abend passieren wird! Der Rat und die neuerliche Warnung veranlassen mich jedoch dazu, am nächsten Hotel anzuhalten. Eine Übernachtung in einem Neubau im amerikanischen Stil, der einen, für die Gegend, sehr guten Eindruck hinterlässt, würde für 30,00 € zu haben sein. Später überlege ich, ob die Tatsache, dass das Frühstück nicht im Preis inklusive ist, nur eine willkommene Ausrede für mich war, weiterfahren zu können. Ich komme zu der Erkenntnis, dass mehr Wahrheit als mir lieb ist in diesem Gedankenspiel steckt.

Egal, ich fahre einfach weiter und habe irgendwie das Gefühl, dass ich magisch von Neapel angezogen werde und so oder so erst Ruhe gebe wenn ich im Zentrum der Stadt angekommen bin...

Die Gegend wird mir zwar immer unheimlicher, aber ich rase weiter durch die Nacht, welche spärlich von meiner Sigma Power LED erleuchtet wird. Zu allem Unglück hören plötzlich die Vororte auf und ich befinde mich auf einer stockfinsteren Landstraße. Immer wieder tauchen rechts und links neben der Straße schwarze Gestalten auf. Hier und da biegt ein Auto ins dunkle Gebüsch ab und ich sehe Sekundenbruchteile Menschen. Ich verspüre wenig Lust herauszufinden, was da alles so vor sich geht.

Ein paar Kilometer weiter erreiche ich aber wirklich einen Vorort von Neapel und eine vom Wachschutz bewachte Wohnanlage. Auf meine Frage nach einem Hotel wird mir empfohlen ein, zwei Kilometer zurückzufahren. Da soll es im Gegensatz zu meiner geplanten Reiserichtung wohl was geben. Ich überlege einen Moment, aber rückwärts fahren kommt für mich natürlich überhaupt nicht in Frage.

Zu allem Überfluss muss ich jetzt auch noch einen längeren Anstieg hoch fahren. Ich lasse mich aber auch davon nicht abhalten und oben angekommen, bietet sich mir ein fantastischer Blick über ein Lichtermeer und ich kann auch das Meer erahnen. Das müsste dann ja endlich wirklich mal Neapel sein. Da bis hierher alles ohne größere Probleme geklappt hat, denke ich natürlich nicht im Traum daran, jetzt hier inmitten der Wildnis nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen.

Endlich in Neapel angekommen, gönne ich mir erst mal ein Eis und genieße die Atmosphäre. Ich fahre runter zum Hafen, der allerdings irgendwie anders aussehen müsste, soweit ich mich von einer früheren Reise daran noch erinnern kann. Da es bereits halb 10 ist, entschließe ich mich ein Restaurant aufzusuchen und etwas zu essen. Ich sitze draußen auf einer kleinen Straße, im Fernsehen spielt die italienische Fußballnationalmannschaft und die Italiener sind sehr emotional mit dabei. Irgendwie fühlt sich hier alles wieder sehr italienisch an. Mein Trip durch „Klein Soweto“ habe ich schon fast wieder vergessen.

Nach dem Essen geht’s weiter und ich will eigentlich nur noch ins Bett. Alle Versuche, eine vernünftige Unterkunft aufzutun, schlagen aus den verschiedensten Gründen fehl. Leider fehlt mir ein wenig die Orientierung, da sich die Umgebung und die Küstenlinie absolut nicht mit meinen Neapelkenntnissen von früher in Einklang bringen lassen wollen.

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Unterwegs auf dem Highway to Hell

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Neapel Vorstadt

Nach einigen Minuten komme ich zu einem Yachthafen, wo gerade eine große Party mit vielen sehr gut gekleideten und gut aussehenden Italiener(innen) steigt und ich stelle mir vor, wie das wohl in Berlin an einem Mittwochabend aussehen würde. Ich frage zwei Carabinieri nach dem Weg und zu meiner Überraschung wird mir in holprigem schweizerdeutsch erklärt, wie ich in die City komme.

Hier und da halte ich noch einmal an potenziellen Übernachtungsmöglichkeiten, aber überzeugend ist das alles nicht. Auf einem kleinen Plan in einem der Hotels entdecke ich, dass ich kurz vor der Innenstadt bin. Einfach geradeaus weiter, durch einen langen Tunnel und schon bin ich im Zentrum.

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Gibts was zu feiern? Wussten die etwa das ich heute hier vorbeikomme?

Die nächtliche Fahrt kurz vor 12 bergab mit mehr als 50 km/h durch den Stadttunnel von Neapel ist einfach überwältigend. Diese Momente werde ich so schnell nicht vergessen. Ich fühle mich ein wenig an den Nightride von Trento oder gestern Abend erinnert, nur mit dem Unterschied, dass jetzt alles viel intensiver und aufregender als gestern ist.

An der folgenden Kreuzung frage ich an diesem Tage letztmalig nach einer Empfehlung. Die Polizisten haben anscheinend keine Ahnung, wo man gut und günstig übernachten kann. Mein Mountainbike weckt aber anscheinend größeres Interesse bei den Jungs in blau. Nach einem kurzen Plausch orientiere mich tendenziell in Richtung Bahnhof, da ich dort noch ein paar Hotels in der Erinnerung habe.

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Mir is nen bissel wie Weihnachten und auf der Fahrt ins Hotel summe ich leise "Stille Nacht"

Auf dem Weg dahin treffe ich noch einmal auf einen Schützenpanzerwagen und mir wird wieder bewusst, dass ich ja in einer der angeblich gefährlichsten Städte der Welt unterwegs bin. So richtig interessiert sich jedoch niemand für mich. Ich bin darüber aber nicht traurig. Nach ein paar Schlenkern durch die Altstadt kehre ich in das erstbeste Hotel ein. Mir ist jetzt alles egal. Ich will nur noch ins Bett. Es ist viertel nach 12, als ich endlich die Zimmertür hinter mir schließe. Was für ein Tag... und Morgen gehts weiter...
 
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Vielen vielen Dank mal wieder für einen offen stehenden mund, eine interessante 1/4 stunde und viel stoff zum träumen. (Ein Glück habe ich das alles schon heute abend gelesen, so komme ich morgen hoffentlich mal wieder pünktlich auf der arbeit an ;) )

mfg sirphillmo
 
Tag 19 – Der Wahnsinn geht weiter - der Vesuv lockt

Oh Mann, das Aufstehen fällt heute Morgen irgendwie besonders schwer. Ich habe das Gefühl, als wäre ich vor gerade mal drei Stunden zu Bett gegangen. Ich könnte ja eigentlich einfach liegenbleiben, aber der Lärm, der durch das offene Fenster von der Straße in mein Zimmer dringt, veranlasst mich letztendlich dazu, doch aufzustehen.

Beim Blick aus dem Fenster merke ich, dass es für die Uhrzeit bereits wieder recht warm ist. Die Sonne scheint wie immer von einem strahlend blauen Himmel und auf den Straßen der Stadt herrscht bereits ein reges, teils hektisches Treiben. Vor meinem Fenster wird gehupt, wild diskutiert und überall wuseln Menschen scheinbar planlos umher. Neapel ist erwacht und zeigt sich verglichen mit letzter Nacht von einer ganz anderen Seite.

Ich überlege bereits seit gestern Abend, wie ich den heutigen Tag am besten gestalten könnte. Noch so ein Tag wie gestern stehe ich nicht durch. Ich sehne mich nach einer Abwechslung und habe bereits einen Plan. Der Vesuv lockt und ich habe beschlossen, mir den Vulkan, der Pompeji in Schutt und Asche gelegt hat, mal aus der Nähe anzuschauen.

Nach einem dem Hotelzimmer entsprechendem Frühstück fahre ich die wenigen Meter zum Napoli Centrale (Hauptbahnhof von Neapel) und kaufe mir meine Rückfahrkarte nach Deutschland ohne Fahrradtransport – natürlich ab Messina. Das wäre geschafft. Jetzt muss ich noch schnell einen Abstecher auf die Märkte in der Altstadt unternehmen. Ich brauche unbedingt Wasser, Weißbrot, Tomaten und meine Törtchenvorräte muss ich auch noch auffüllen.

Ich habe also noch ne Menge vor und die Zeit läuft. Ich melde mich daher erstmal ab und berichte dann heute Abend davon, wie es auf dem Vesuv so war...

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Die Altstadt von Neapel ... hier ist der Begriff "Altstadt" mal wirklich angebracht

Bis später *:winken:
 
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... der Weg in die Altstadt ist leicht zu finden. In der Gegend um das alte Stadttor haben wie bereits bei meinem ersten Besuch von Neapel im Jahre 2001 viele Händler ihre Stände aufgebaut. Es gibt alles, was das Herz begehrt und frisch ist es außerdem noch. Stolz präsentieren die Fischer ihre Fänge. Es gibt selbst für mich immer noch viel zu entdecken in dieser Gegend.

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Einkaufen wie früher...

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Nachdem ich mich mit allen notwendigen Dingen versorgt und alles im Rucksack verstaut habe, kann es weiter gehen. Auf meinem Weg über die scheinbar originalgetreu erhaltene, mehrere Jahre vor Spartacus’ Eintreffen in der Stadt gebaute tuffsteingepflasterte Hauptstraße in Richtung Pompeji, treffe ich einen kanadischen Rennradfahrer. Er ist genau wie ich auf der Reise in den Süden, nur mit dem Unterschied, dass er mit einem Hänger und einem Monster-GPS viel umfangreicher ausgestattet ist als ich. Nach einem kurzen Plausch unter Radreisenden verabschiede ich mich von ihm und zeige dem Kollegen mal, welche Vorteile man hat, wenn man mit wenig Gepäck und einem Mountainbike unterwegs ist.

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Einer Kanadier mit Power-GPS

Mein erstes Tagesziel ist, wie gesagt, der Vesuv. Laut meiner Superkarte muss es hier irgendwo eine Straße rauf auf den Vulkan geben. Ich befinde mich inzwischen irgendwo zwischen Neapel und Pompeji und bahne mir einen Weg durch Autos, Straßenbahnen und wahnsinnig vielen Menschen. Es ist laut, heiß und dreckig. Ich halte an der nächstbesten Tankstelle um neue Informationen zur Auffahrt auf den Vesuv einzuholen.

Die Jungs, die gerade ihr höllengetuntes Hightechspielzeug auf zwei Rädern und mit Auspuff mit einer Hingabe putzen, dass ich anbiete, dass sie das bei meinem Bike fortsetzen dürfen, müssten sich hier ja auskennen. Die Jungs sind echt nett und helfen mir sofort bereitwillig weiter. Mir wird versichert, dass mein Weg auf den Vesuv auf den nächsten Metern links abbiegt und nicht zu verfehlen ist. Ich habe aber trotz allem irgendwie den Eindruck, dass ich nicht wissen will, was die sonst so in ihrer Freizeit machen.

Wie beschrieben finde ich kurze Zeit später mein Hinweisschild für die Straße auf den Vesuv. Mir ist heiß, die Sonne brennt bereits auch wieder beachtlich, aber es sind ja zum Glück nur noch knapp 1200 hm bis rauf zum Gipfel. Quälend langsam kämpfe ich mich in der immer stärker aufkommenden Mittagshitze auf einer relativ leeren Asphaltstraße in Richtung Vulkankegel. Meine Gedanken kreisen um die Theorien, dass der Vulkan mit einem Ausbruch längst überfällig ist. Ich beschließe, dass der Vulkan damit wenigsten noch so lange warten darf, bis ich hier wieder verschwunden bin.

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Aaah, da ist ja mein Hinweisschild

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Praktisch solche Hinweise... kaum folgt man ihnen schon funktionierts - Vesuv direkt voraus

Während meiner ersten Reise nach Neapel wurde mir mal erklärt, dass es Schutzzonen rund um den Vulkan gibt, in denen nicht gebaut werden darf. Wenn ich mich so umschaue, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass es diese Zonen hier nicht mehr geben kann, da der Berg bis weit in den Hang hinauf flächendeckend bebaut ist.

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Wer sagt, die Italiener hätten ein Müllproblem der liegt falsch! Die Italiener sind ein Müllproblem!!! :mad:

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Die ersten 500hm hab ich sicher schon geschafft... boaa is das anstrengend heute...

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Der Kraterkontakt steht unmittelbar bevor

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Hier fehlt ja der halbe Berg... :eek:

Sollte der Vesuv mal wieder richtig ausbrechen und die Lava Richtung Neapel strömen, bleibt so oder so nichts mehr von der Stadt übrig. Einen Vorteil hätte die Sache allerdings, den Müll wären die Italiener in dieser Ecke mit einem Schlag los. Zum Glück bin ich nach all meinen Überlegungen bereits am Eingang des Nationalparks Vesuv angekommen. Nachdem ich 6,50 € zur Erhaltung des Vesuvs bezahlt habe, darf ich auch die letzten 1000 m zum Kraterrand zurücklegen.

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Der Moment, wo man feststellt, dass sich die Mühen der Auffahrt gelohnt haben, ist immer wieder schön

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Ein Blick zurück ist niemals verkehrt

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So lange der Verschluss dichthält ist alles in Ordnung

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Auf dem Vulkankegel angekommen, bietet sich mir ein atemberaubendes Panorama über Neapel und den Golf von Neapel. Ich halte mich fast eine Stunde hier oben auf und genieße die Aussicht in den Vulkan und vom Vulkan hinunter. Die Abfahrt ist deutlich angenehmer als die Auffahrt. Die Straße ist beim letzten Giro (vor einem Jahr) flächendeckend von fanatischen Fans bepinselt worden und auch Helden aus längst vergangenen Zeiten werden hier weiterhin verehrt und gefeiert.

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Höhenrausch sieht irgendwie anders aus... vielleicht sollte ich einfach mal wieder ausschlafen

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Scheint aber so, als gefällt es mir...

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Irgendwann gehts wieder abwärts :(

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Hier oben lässt sich Italien gut aushalten ... iss echt nett hier


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Wie man sowas runterfahren kann ist mir im Nachhinein leicht rätselhaft, das muss ich irgendwann auch mal ausprobieren (ich hab vor 2 Monaten ein Bild gesehen, wo nen paar Jungs sowas runtergefahren sind... )

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Ein letzter Blick über Neapel ... diese Höhe werde ich auf dem Rest der Reise nicht mehr erreichen

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Panta lebt!

Unten angekommen ist es wieder vorbei mit der Ruhe und es geht auf der Hauptstraße in Richtung Salerno. Zeigt meine Karte zwischen Neapel und Salerno nur ein paar kleine Orte, so stellt sich die Realität leider anders dar. Die Straße ist auf fast der gesamten Strecke (bis auf knapp zwei Kilometer vor Salerno) mit Wohnhäusern, Industriebauten und Supermärkten bebaut. Der Verkehr ist auch noch so stark, dass man nur noch schnell weg will. Es ist mir unerklärlich, wie man hier leben kann.

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Scheint so, als hätte ich auch den Vesuv überlebt :)

Auf der kurzen Abfahrt nach Salerno kann ich mich ein wenig erholen und kurze Zeit später bietet sich mir ein wunderschöner Ausblick auf die Amalfiküste. Als ich die bereits wieder verdächtig absinkende Sonne bemerke, stelle ich fest, dass es bereits wieder nach 17:00 Uhr ist. Da ich heute möglichst noch bis Agropoli will, halte ich nur kurz. In einem Anflug von Übermut habe ich mir überlegt, dass ich versuchen könnte möglichst noch bis ins knapp 60 km entfernte Castellabate zu fahren.

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Amalfiküste

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Auf einer schnurgeraden Küstenstraße (die leider strandseitig auf jedem freien Meter mit irgendwelchen Clubs und Hotels zubetoniert ist) geht es wieder durch ein trockengelegtes Sumpfgebiet nach Paestum. In Paestum gibt es die größten und am besten erhaltenen griechischen Tempelanlagen außerhalb Griechenlands zu sehen. Leider ist es bereits dunkel, als ich die Tempelanlagen erreiche. Sollte ich wieder mal in der Gegend sein, dann werde ich versuchen, etwas früher vorbeizukommen, denn diese Tempelanlagen sind wirklich beeindruckend und absolut sehenswert.

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Blick auf einen der Tempel von Peastum

Ein kurzer Blick auf den Eingangsbereich reicht auch hier, um festzustellen wie sehr sich auch hier die Vermarktungsmaschinerie in den letzten acht Jahren weiterentwickelt hat. Es ist einfach nur grauenhaft...

Da es inzwischen wieder stockdunkel ist, fahre ich erneut leicht beleuchtet durch die Nacht. Auch wenn das Tempo wieder stimmt, so fahre ich doch heute deutlich entspannter als noch 24 h zuvor durch die Dunkelheit. Von Paestum sind es nur gute zehn Kilometer bis Agropoli, wo ich mich dafür entscheide den heutigen Tag etwas früher zu beenden. Da ich sofort und auch noch direkt am Strand eine sehr gute Unterkunft finde, gibt es keine Argumente, jetzt noch weiterzufahren. Nach einer leckeren Pizza zum Abend gehe ich zufrieden zu Bett und freue mich bereits auf den nächsten Tag.

Da ich gut in der Zeit liege und auch hier und da ein leichtes Zwicken in der Wade verspüre, habe ich mir überlegt, morgen nur bis zu dem etwa 70 km entfernten herrlichen Sandstrand, der meiner Meinung nach schönste Strand zwischen Terracina und Messina, am Capo Palinuro zu fahren. Ich will dort einen ausgedehnten Badestopp einlegen und vielleicht bleibe ich sogar noch einen weiteren Tag an diesem wunderbaren Ort, aber da das alles noch in weiter Ferne liegt macht es jetzt so oder so keinen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen.
 
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Tag 20 – Willkommen im Nationalpark Cilento

Nach einer sensationell guten Nacht (endlich mal wieder ausschlafen) versuche ich, mir bei meiner Herbergschefin ein wenig Nachschlag für mein germanisch perfekt portioniertes Frühstück zu erschmeicheln – mit Erfolg. :D Die Lage meiner Unterkunft ist ebenfalls sehr gut. Relativ nah am Zentrum von Agropoli und direkt am Strand. Es reicht, ein Schritt aus Tür heraus zu tun, eine kleine Straße zu queren und man steht auf der Uferpromenade und hat einen tollen Blick auf das Meer. Am Strand kämpfen bereits die ersten Abgesandten der italienischen Sektion der Grauen Panther um die besten Plätze. Ich genieße den Ausblick auf das Meeres ausführliche zwei Minuten und schwinge mich im Anschluss daran direkt wieder in den Sattel.

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Mein Weg führt mich durch das Zentrum von Agropoli, wo sich die Händler scheinbar auf gute Geschäfte an einem normalen Wochentag einstellen. Ich hingegen stelle mich wieder auf einen ganz normalen Radtag ein. Die Ausfahrt aus dem Ort verläuft nicht ganz so wie gewünscht, aber das liegt nur daran, dass da, wo ich gerne entlang fahren möchte, kein Weg entlang führt.

Da der Strand ruft, nehme ich schweren Herzens wieder den Weg über die Küstenstraße. Wie es scheint, wird es auch heute wieder ein sehr heißer Tag, denn es ist bereits mehr als nur warm und Wolken, die für eine Abkühlung sorgen könnten, sind weit und breit nicht zu sehen. Zu meinem Glück verläuft in dieser Gegend eine größere Transitstraße etwas weiter im Landesinneren. Das bedeutet für mich, dass der Verkehr an dem heutigen Morgen angenehm ruhig und durchaus erträglich ist. Es sind nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs.Dementsprechend gut gelaunt fahre ich immer weiter in Richtung Süden.

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*kurbel* *schwitz*

Ich befinde mich inzwischen im Cilento, einer hügeligen Gegend, die, verglichen mit den bisherigen Küstenabschnitten, als relativ naturbelassen und unberührt bezeichnet werden kann. Ein wenig weiter im Landesinneren erheben sich die Hügel bis auf über 1000 m. Zum Glück habe ich weder die Zeit noch die Kraft für Umwege jeglicher Art und komme somit nicht auf die Idee, Entdeckungstouren ins Landesinnere zu unternehmen. Leider gibt es selbst in dieser Gegend immer noch mehr Müll und Bausünden zu entdecken, als mir lieb ist.

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Eigentlich will ich nur noch an den Strand und ins Wasser

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Nach runter kommt rauf und umgekehrt anschließend beginnt das Spiel wieder von vor... das ging so von früh bis spät und der Tag ist im Prinzip vollständig beschrieben

Nach ungefähr zweieinhalb Stunden erreiche ich Pioppi, ein kleines verträumtes Fischerdorf direkt an der Küste. Der Name des Ortes gefällt mir und bis zu meinem Badestopp ist es auch nicht mehr allzu weit. Da gleich die Mittagszeit beginnt, versuche ich noch einmal, einen Supermarkt aufzutreiben, um mich mit Lebensmitteln zu versorgen. Außer einem kleinen in Familienhand bewirtschafteten Laden gibt es hier anscheinend nichts zum Einkaufen. Ich suche leider vergeblich nach den überlebenswichtigen Törtchen, werde dafür aber mit frischen Tomaten und Pfirsichen sowie sehr leckeren frisch zubereiteten Brötchen mit selbstproduziertem Käse und frischer Wurst zu Minipreisen entschädigt.

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Vollgepackt rolle ich wenig später über den heißen Asphalt nach Velia. In Velia gibt es berühmte Ausgrabungsstätten, welche ich bereits vor fast zehn Jahren schon einmal (damals noch ohne Mountainbike) besichtigen konnte. Als ich in dem Ort eintreffe, ergibt sich tatsächlich noch einmal die Möglichkeit, in den letzten drei Minuten vor der Mittagssiesta im lokalen Supermarkt eine Packung der italienischen Supertörtchen käuflich zu erwerben. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und der Rucksack ist jetzt wirklich bis an die Grenzen des Möglichen gefüllt und dementsprechend schwer. Meine Abkürzung über ein paar verlassene Feldwege ist zwar vom Flair her ein Traum, bringt mich aber nicht wirklich meinem nächsten Ziel, dem Badestop am Capo Palinuro, näher.

Auf einer inzwischen autoleeren und teilweise arg ramponierten Küstenstraße, die mit kleinen ekelhaften Anstiegen stellenweise von der Steilheit her an die Alpen erinnert, kämpfe ich mich Meter für Meter dem Capo Palinuro entgegen. Mein Zwicken in der Wade wandert so langsam über das Knie in den Oberschenkel und entwickelt sich so immer mehr zu einem echten Störfaktor. Eine Pause tut scheinbar dringend Not. Ich glaube, ich habe es in den letzten beiden Tagen wohl doch ein wenig übertrieben und bekomme nun die Rechnung dafür präsentiert.

Als ich endlich den Strand erreiche und zu einem wohlverdienten ersten Bad ins Mittelmeer steige zeigt mein Radcomputer bereits wieder 14 Uhr an. Es ist herrlich und ich genieße diese Pause in vollen Zügen. Die Idee, hier einen Tag zu verweilen und erst übermorgen weiterzufahren, gefällt mir immer besser.

Es ist kurz nach 16 Uhr, als ich von einem Donnergrollen und dunklen schwarzen Wolken, die sich urplötzlich über die Berge geschoben haben, aufgeschreckt werde. Eigentlich wollte ich noch bis zum Abend am Strand bleiben, aber bei diesen Aussichten verspüre ich keine Lust, länger hier zu bleiben. Ich entschließe mich daher erst einmal zur Weiterfahrt. Keine 15 Minuten später sitze ich wieder auf dem Rad und fahre in das nur wenige Meter entfernte kleine verträumte Fischerdorf Palinuro.

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Das war ja klar, kaum mach ich mal ne Pause schon ist es vorbei mit dem Sonnenschein

Leider habe ich mir bei meinem Ausflug an den Strand einen Dorn eingefahren, und ich muss zu einem Reparaturstopp an einem geeigneten Platz in dem Dorf anhalten. Es müsste jeden Moment anfangen zu regnen. Und richtig, als ich vor einer frei zugänglichen Veranda stoppe, fallen die ersten Tropfen auf den heißen Asphalt.

Zehn Minuten später ist der Schaden behoben und ich stelle zu meiner Verwunderung fest, dass das Unwetter wohl bereits schon wieder vorbei ist. Der Regenguss, der sich so imposant angekündigt hat, bringt nur vereinzelt ein paar Tropfen bis zum Boden und der Großteil der dunklen Wolken ist bereits auch wieder abgezogen.

Zurückfahren war in den letzten Tagen eigentlich nie mein Ding und so entscheide ich mich auch dieses Mal dafür, weiter zu fahren. Bis Marina di Camerota kenne ich die Strecke, die immer direkt am Meer entlang führt, bereits. In Marina di Camerota beginnt der Nationalpark Cilento. Aber selbst hier, wo bauen angeblich streng verboten ist und Umweltschutz groß geschrieben wird, finde ich am Straßenrand extrem viel Müll und wilde Müllkippen bis zum Abwinken.

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Italien 2009 (im Hintergrund ist noch die tolle Nationalparksmüllkippe zu sehen) :mad:

Über eine Serpentinenstraße, die mich an meinen Nightride hinter Trento erinnert, geht es mehrere hundert Höhenmeter bergauf. In Lenticosa, einem kleinen verträumten und verlassenen süditalienischen Bergdorf, erreiche ich anscheinend endlich das Gipfelplateau. Die Sonne ist bereits wieder kurz davor, im Meer zu verschwinden und es wird auf einmal auch deutlich kühler. Wenige Kilometer hinter dem Dorf treffe ich auf eine nasse Straße. Anscheinend hatte ich mit dem Gewitter heute Nachmittag viel Glück oder einfach nur ein gutes Timing.

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Ein unspektakulärer Tag neigt sich seinem Ende entgegen

Mit Einbruch der Dämmerung erreiche ich mit San Giovanni a Piro ein weiteres Bergdorf, in dem die Zeit anscheinend stehen geblieben ist. In der örtlichen Pizzeria bestelle ich mir bei Preisen von 3,00 € bis 5,00 € für ein normales Gericht und 1,00 € für ein Mineralwasser eine Portion Pasta und eine Pizza. Gut gesättigt und ausgestattet mit einem guten Übernachtungstipp von meinem Tischnachbarn, mache ich mich auf den Weg zu einer Unterkunft. Nachdem ich die letzten beiden Tage bis weit nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs war, will ich heute mal wieder zu einer normalen Zeit den Tag beenden.

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Eine Seltenheit - unbebaute Küstenabschnitte

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San Giovanni a Piro

Wenige Minuten später stehe ich vor einem Hotel, welches von außen einen durchaus guten Eindruck hinterlässt. Ich spreche mit dem Besitzer und wir sind uns schnell einig. Mit 30,00 € bin ich dabei und lerne mal wieder dazu. Der Eindruck von außen, welcher 30,00 € pro Nacht durchaus rechtfertigen würde, kann leider nicht bis in die Zimmer auf dem gleichen Niveau gehalten werden. Merke: immer erst die Unterkunft anschauen, bevor man endgültig zusagt. Das Zimmer ist zwar für eine Nacht in Ordnung, aber für meinen Geschmack für den Preis und die Gegend leicht überteuert.

Letztendlich ist es mir egal. Ich springe unter die Dusche und liege wenige Minuten später im Bett und verabschiede mich ins Traumland.
 
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Tag 21 – Tag Einundzwanzig ... :spinner: - trittst Du noch oder fährst Du schon?

Nachdem der Wecker, dieser Arsch (also das Zimmertelefon), mich mal wieder aus dem Bett gejagt hat, ist alles wie immer. Anziehen, frühstücken, Getränke auffüllen, Kette ölen, Helm aufsetzen und so weiter und so fort...

Ich habe mir gestern Abend mal die Zeit genommen und einen genaueren Blick auf die Karte geworfen. Bis nach Messina sind es noch rund 300 km und mein Zugticket wird in vier Tagen aktiv. Das heißt, es ist erstmal genug Zeit übrig um nach Messina zu kommen. Da ich aber auf diese endlose Asphaltraserei überhaupt keine Lust mehr habe und die Schmerzen auch nicht weniger werden, will ich eigentlich nur noch so schnell wie möglich nach Messina. Ein Zug oder Bustransfer kommt so kurz vor dem Ziel natürlich nicht mehr in Frage und somit teile ich die Strecke einfach kurzerhand in zwei schöne handliche Stücke zu je 150 km auf.

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Blick zurück nach S.G.a.P.

Laut Karte müsste ich heute bis Amantea vorfahren, um die erste Etappe des Schlussstücks vollständig zu absolvieren. Doch bevor ich in Amantea bin, muss ich erstmal noch einige Kilometer zurücklegen. Zu meinem Glück geht’s die ersten Kilometer bis Sapri erst mal schön bergab. Auf die Sonne und den blauen Himmel ist wie immer Verlass und so genieße ich die Abfahrt bei vertraut angenehmen äußeren Bedingungen. Eine gute Viertelstunde nachdem ich losgefahren bin, komme ich nach Sapri, wo ich ursprünglich ja bereits gestern Abend ankommen wollte, aber dann kam das Restaurant und eine seltsame Unlust dazwischen.

Am Ortsausgang von Sapri haben die Italiener eine Überraschung für mich parat. Auf meiner Küstenstraße steht ein großes „Durchfahrt verboten“-Schild. So wirklich anfangen kann ich mit der Information nichts und ich entschließe mich daher, es einfach zu ignorieren und weiterzufahren.

Ich finde meine Idee einfach wunderbar, denn es ist herrlich... ich bin ganz alleine auf der Straße unterwegs und es herrscht endlich mal eine angenehme Ruhe. Ich genieße jeden Meter und eine phantastische Aussicht auf das tiefblaue Meer, welches inzwischen weit unter mir in der Sonne glänzt. Während ich entspannt dahinrolle, beschäftigt mich der Gedanke, warum eigentlich nicht alle Abschnitte der Küstenstraße wenigstens für die 5 Tage meiner Reise gesperrt werden konnten? Wie angenehm leer muss das hier wohl in den 50er Jahren gewesen sein?

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Ob mich wohl jemand mit so einem kleinen Boot 150km in Richtung Süden fahren würde?

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S.G.a.P. liegt links unterhalb des Hauptgipfels... war irgendwie nett da oben

Je weiter ich fahre, desto mehr verlagern sich meine Gedanken jedoch wieder ins Hier und Heute. Warum wurde nur diese wunderbare Straße gesperrt? All meine Spekulationen finden bisher keine schlüssige Antwort, außer dass irgendetwas die Straße unpassierbar gemacht hat. Ich hoffe einfach darauf, mit dem Bike dieses Hindernis überwinden zu können und fahre immer weiter.

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Quelle: TUI Herbst/Winter Katalog 2010

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Ich bin bereits wenige Kilometer vor Aquafredda, als auf einmal eine massive Betonsperre vor mir die Straße blockiert und mir der Grund für die Sperrung klar wird. Anscheinend hat vor kurzem ein heftiger Waldbrand diesen Teil der Küste heimgesucht. Ich klettere mit einigen Mühen mit dem Bike über die Sperre und fahre von nun an durch eine völlig verbrannte Landschaft.

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Bin ich hier etwa im Schwarzwald?

Kurz vor dem Ortseingang Aquafredda wartet eine weitere Überraschung auf mich. Auf einmal liegen massenhaft Felsbrocken auf der Straße und ab und an kommt aus dem Wald Nachschub den Abhang heruntergerollt. Ich erkenne Feuerwehrleute, die auf der Suche nach losem Geröll sind, es lösen und welches kurze Zeit später unter lautem Krachen den Abhang runtergerast kommt.

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Hier müsste dringend mal wieder gefegt werden

Ich muss mich nicht mal bemerkbar machen, denn nur kurz nachdem ich die Jungs entdeckt habe, höre ich sie auch schon laut auf Italienisch in meine Richtung schimpfen und wild mit den Armen gestikulieren. Ich bin mir sicher, dass ich jetzt gefahrlos weiterfahren kann und lasse diese Passage ganz schnell hinter mir. Am anderen Ende der gesperrten Straße steht ebenfalls Feuerwehr. Ich habe Glück, dass die Straßensperre hier für Mountainbikes passierbar ist und ich auf diese Art so schnell mit einem freundlichen Buon giorno durch die Straßensperre husche, dass die verdutzten Feuerwehrleute nicht einmal genügend Zeit haben, irgendetwas zu sagen oder auf andere unsinnige und zeitraubende Ideen kommen.

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Ab jetzt muss ich mir die Straße leider wieder mit den Autos teilen. Zu schön war die Zeit, wo ich die Straße für mich alleine hatte. Ich schaue auf meinen Zettel, wo mir Maratea, San Nicola Arcella, Scalea und Diamante als nächste Durchgangsstationen angezeigt werden. Kilometer für Kilometer kämpfe ich mich nach Süden und verfluche dabei Millionen Male diese Straße und meine Idee, mit dem Mountainbike nach Messina zu fahren. Ich habe jetzt nur noch das Ziel, heute noch so schnell und so weit wie möglich bis an Messina heranzufahren. Da sich auch heute bereits nach ein paar Stunden Fahrzeit wieder diese hässlichen Schmerzen einstellen, ist in Diamante erst mal definitiv Schluss und ich lege einen längeren Badestopp ein.

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Am Strand lässt es sich auch ganz gut aushalten

Auch wenn der Strand hier nicht mit dem bei Palinuro mithalten kann, so habe ich Glück und erwische ein schönes Plätzchen. Ich gehe ein paar Mal schwimmen und verdrücke das ein oder andere Törtchen. Bevor ich weiterfahre, schaue ich noch einmal auf die Karte und stelle fest, dass es immer noch ein ganzes Ende bis nach Amantea ist. Allerdings scheint es mir noch im Bereich des Möglichen, diesen Ort heute Abend zu erreichen.

Nach meinem ausgedehnten Badestopp geht es gegen 15/16 Uhr wieder weiter. Das nächste große Ziel ist Paola. Wirklich Erwähnenswertes gibt es auf dem Weg dorthin nicht zu berichten. In Paola wird mal wieder ein Supermarkt besucht und ich bereite mich auf das letzte Teilstück des Tages vor. Zum meinem Glück geht es die meiste Zeit mehr oder weniger ohne Steigungen am Meer entlang, und die Schmerzen durch die Belastung halten sich dadurch in Grenzen, so dass ich irgendwie weiterfahren kann.

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Die Wohnlage mit Blick aufs Meer ist nicht die schlechteste (so lange der Berg hält)

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Finito

Es ist bereits eine gute Stunde dunkel, als ich endlich Amatea erreiche. Das wäre geschafft. Da ich ziemlich fertig bin, will ich nur noch schnell etwas essen, duschen und dann so schnell wie möglich ab ins Bett. In der örtlichen Pizzeria wartet man schon auf mich und mir wird erklärt, dass heute in der Stadt ein Fest für alle fremden Neuankömmlinge gefeiert wird. Als ich den Marktplatz erreich,e läuft bereits ein großes Volksfest mit diversen lokalen singenden Stars. Nachdem ich gut gegessen habe, gibt es einen weiteren Eistest (mit gar nicht mal so schlechten Ergebnissen) und bevor ich noch ein zweites Eis bestelle, mache ich mich schnell auf den Weg zur angeblich einzigen brauchbaren Unterkunft (neben dem Luxushotel) des Ortes.

Ich bin heute natürlich schlauer und schaue mir erst das Zimmer an, so dass ich mir die „Überraschung“, dass der Preis für die Übernachtung mit Frühstück meiner Meinung nach zu hoch ist, erspart bleibt. Letztendlich ist es mir aber egal und ich bleibe, da ich keine Lust mehr habe, heute Abend noch weiterzufahren.

Wenige Minuten nachdem ich mich ins Bett gelegt habe, schlafe ich bereits tief und fest und träume von meiner morgigen Ankunft in Messina.
 
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Ein Bild des sagenumwobenen Handtuchs müsste aber jetzt auch mal so langsam sein.

Wie es in Tränen aufgelöst seinem Besitzer zurief "Nimm mich miiiiiit!!", der daraufhin ein Foto machte und ihm ohne eines wirklichen Blickes würdigend den Rücken zuwandte, um sich auf sein Ross zu schwingen und unendlich viele Kilometer weiter zu entschwinden, sieht man hier:

http://www.mtb-news.de/forum/showpost.php?p=6806716&postcount=75

Die Bildunterschrift "Alles eingepackt? Ja? Na dann kann ich ja noch schnell nen paar Fotos machen :)" hat nämlich seinen Hintergrund.
 
Schnegge legt den Finger natürlich gnadenlos in die fast verheilte Wunde .... aber ich schau mal, ob ich noch ein Foto von einem glücklichen Handtuch nach dem Rettungs-HappyEnd und mit Strand im Angebot habe ... :daumen: :D
 
Tag 22 – Alles oder nichts ... Messina ruft

Es ist Sonntag, der 13. September, und ich steige heute den 22. Tag in Folge auf mein Mountainbike. Seit dem Start in Garmisch habe ich viel gesehen und noch viel mehr erlebt. Trotz der vor mir liegenden Route, die verglichen mit den Alpenpfaden der ersten beiden Wochen einfach nur superätzend ist, bin ich heute natürlich besonders motiviert, denn ich freue mich darauf, endlich in Messina anzukommen. Vor mir liegen nur noch knapp 150 km. Das sollte doch heute zu schaffen sein?

Meine Schmerzen halten sich beim Fahren auf geraden und abschüssigen Straßen zum Glück bisher angenehm und schön dezent im Hintergrund. Geht es aber bergan, wird die Geschichte von Tag zu Tag mehr zu einem Problem. Die heutige Strecke ist fast auf der gesamten Strecke flach wie eine Flunder. Damit der Tag aber nicht gar so langweilig wird, muss ich kurz vor Villa San Giovanni (von hier fährt die Fähre rüber nach Messina) noch zwei kleine Hügel mit je 500 hm überwinden. Für Spannung ist also bereits gesorgt.

Ich will nicht unnötig Zeit verlieren und beeile mich deswegen beim Frühstücken ein wenig mehr als sonst. Ich spüre bereits deutlich meine Ungeduld, den letzten Streckenabschnitt hinter mich zu bringen und somit endlich den Endpunkt meiner Reise zu erreichen. Um kurz vor 9 Uhr verschwinde ich aus meiner Unterkunft in Amantea und verlasse den Ort auf direktem Wege. Es gibt nichts, was mich jetzt hier noch länger halten kann. Wenige Minuten später rolle ich auf einer wunderbar leeren, sonnigen und ohne Hügel dahinführenden Küstenstraße in Richtung Süden.

Es läuft alles reibungslos und ich komme gut voran. Im Geiste zähle ich die verbleibenden Kilometer rückwärts mit und jeder geschaffte Kilometer wird innerlich bejubelt und gefeiert, als wäre ich schon im Ziel. Nach gut anderthalb Stunden erreiche ich das erste Zwischenziel des Tages, den Flughafen bei Lamezia. Die Straße führt mich hier für einige Kilometer ins Landesinnere. Zu meinem Unmut muss ich durch die Richtungsänderung auf einmal gegen einen starken, direkt von vorne kommenden Wind fahren.

Ich verfluche jeden Meter und meine Gedanken drehen sich schon seit einer guten halben Stunde um eine Pause. Allerdings will ich unbedingt weiterfahren und nicht bereits jetzt schon wieder damit anfangen, laufend anzuhalten. Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass mich solche Pausen immer eine Menge Zeit kosten, da ich jedes Mal völlig aus meinem Rhythmus komme.

Ich kurbele bereits eine Ewigkeit vor mich hin, als die Straße endlich ihre Richtung wieder ändert und ich die Gegenwindpassage am Flughafen somit auch hinter mich gebracht habe. Zu meiner großen Freude habe ich jetzt Rückenwind und es geht umso leichter vorwärts. Verglichen mit der Situation vor wenigen Minuten fliege ich jetzt förmlich dem Ziel entgegen.

Meine Laune ist bestens und das zu Recht, denn ich habe in den ersten zwei Stunden bereits gute 60 km hinter mich gebracht und somit fast die Hälfte der Strecke bis zum großen Ziel absolviert. Es sind nun nicht einmal mehr 100 km bis nach Messina. Während ich jeden Meter, den ich hinter mich bringe, fast schon ausgelassen feiere, werde ich mehrmals von einem Vespaclub auf seiner sonntäglichen Ausfahrt überholt.

Die bestimmt 40 bis 50 Fahrer sind alle in Clubuniform mit durchaus modischen und einheitlichen Club-Jacken unterwegs. Ich fühle mich ein wenig an die Rennradfahrer, die wir damals an dem Sonntag in Bologna getroffen haben, erinnert. Ich komme sogar zu dem Schluss, dass es eigentlich nur einen Unterschied gibt. Die Jungs und Mädels auf der Vespa schwören auf das motorisierte Zweirad, währenddessen die Rennfahrer der rotierenden Pedale den Vorzug geben. Ansonsten kann ich auf die Schnelle keine Unterschiede finden.

Während ich noch meinen Gedanken hinterher jage und vor mich hin träume, ändert sich die Landschaft. Vor mir erheben sich die letzten Hügel, die mir den Weg nach Sizilien versperren. Ich verspüre neben einem leichten Hungergefühl auch wieder die bekannten Schmerzen, die inzwischen in meinem rechten Oberschenkel angekommen sind, und ich entschließe mich daher, an dem nächsten am Straßenrand liegenden Laden anzuhalten.

Die Gelegenheit lässt nicht lange auf sich warten und wenig später halte ich an einem kleinen Häuschen. Der Laden ist anscheinend Obsthändler, Baguetterie und örtlicher Treffpunkt in einem. Es gibt alles, wonach ich suche. Selbstgemachte und lecker belegte Brötchen und frische Früchte sind im Überfluss und in bester Qualität im Angebot. Bestens versorgt und gut gelaunt mache ich mich auf die letzten Kilometer.

Keine 15 Minuten später mache ich jedoch auf schmerzhafte Art und Weise Bekanntschaft mit der Realität. Die schmerzfreie Ebene ist vorbei und ich befinde mich in einem relativ harmlosen Anstieg. Mit einem Mal sind jedoch die Schmerzen der Vortage in bisher unbekanntem Ausmaß zurück und ich bemerke, dass ich so nicht weiterfahren kann. Es geht einfach mal gar nicht mehr. Selbst mit dem leichtesten Gang komme ich keinen Meter mehr weiter. Notgedrungen entschließe ich mich daher erst mal zu einer Pause, um zu überlegen, wie es weitergehen kann.

Die Option, runter an den Strand zu fahren und badend auf Besserung zu hoffen, fällt auf Grund der herannahenden schwarzen Wolken und erster kleiner Regentropfen aus. Da zurück wie immer nicht in Frage kommt, muss ich also irgendwie weiter. Ich quäle mich in Zeitlupe den Anstieg rauf und erreiche nach einem guten Kilometer einen kleinen Ort. Da auch die Regentropfen ein wenig mehr werden, halte ich am nächsten freien Vordach an.

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Regenschauer in Süditalien ... wann gehts denn nun eigentlich los? So lange ich unterwegs bin ist das Wetter bisher noch immer gut gewesen ... also auch heute ;)

Mit einem Mal überfällt mich eine in diesem Maß nie da gewesene Müdigkeit und ich entschließe mich zu einem kleinen Nickerchen. Nach einer guten halben Stunde hat es aufgehört zu regnen und ich habe auch erst mal ausgeschlafen. Ich will unbedingt weiter und starte den nächsten Versuch weiterzufahren. In Zeitlupe fahre ich den Anstieg rauf. Ich fahre so langsam, dass es mir inzwischen schon peinlich ist, wenn ich die mitleidigen Blicke der Autofahrer bemerke. Kurze Zeit später schiebe ich sogar nur noch mein Bike bergan. An fahren ist einfach nicht zu denken. Da ich mitten im Nirgendwo bin, muss ich natürlich weiter.

Irgendwann erreiche ich Vibo Valentina. Ich überlege ernsthaft aufzugeben und einfach in den nächstbesten Zug zu steigen. Es sind noch gute 80 Kilometer und ich weiß beim besten Willen nicht, wie das so funktionieren soll.

Mit einer letzten Willensanstrengung erreiche ich das Zentrum der Stadt, wo ich links von mir ein Hospital entdecke, daneben eine Eisdiele und mittig dazwischen verläuft die Straße nach Süden. Während ich bemerke, dass die Italiener das ja mal wieder alles sehr passend für mich arrangiert haben, stelle ich mir die Frage, wo eigentlich in diesem gottverlassenen Nest nur der Bahnhof ist?

Da ich keine Antwort auf diese Frage erspähen kann, konzentriere ich mich erst einmal auf die sich mir bietenden Möglichkeiten.
Das Hospital fällt auf Grund meiner nicht vorhandenen Italienischkenntnisse aus... außerdem können die mir eh nicht weiterhelfen. Die Eisdiele scheint da schon deutlich vielversprechender. Nach einem Kurzbesuch stelle ich fest, dass die mir hier zu teuer sind und so rolle ich ganz langsam und vorsichtig weiter auf der Straße nach Süden... was nun... und wo ist denn nun eigentlich der Bahnhof?

Während ich darüber nachdenke, wie ich zum Bahnhof kommen könnte, bemerke ich, wie gut ich doch ohne Anstiege auf einmal wieder fahren kann... Anscheinend bin ich inzwischen auch auf dem ersten der beiden Gipfel oben angekommen und daher entschließe ich mich dazu, einfach weiterzufahren, schließlich wollte ich ja auf dem Bike Sizilien erreichen und nicht im Zug.

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Rosarno ... bloss schnell wieder weg hier

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Der rote Teppich wurde zwar bereits ausgerollt aber ich will trotzdem schnell weiter

Auf einer schönen und komischerweise deutlich längeren Abfahrt als die gerade zurückgelegte Auffahrt komme ich relativ schmerzfrei und zügig bis nach Rosarno. In diesem wahrlich noch trostloseren Kaff als Vibo Valentina fühle ich mich ein wenig an die Vororte Neapels erinnert. Ich gönne mir trotzdem eine kurze Pause und werfe einen Blick auf die Karte. Bis Gioia Tauro müsste es relativ eben weitergehen. Dann noch der letzte Anstieg bis rauf nach Palmi und ich müsste es geschafft haben.

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Gut zu wissen, die Eisenbahnanbindung von und nach Messina ist redundant ausgelegt, die Rückreise per Zug sollte also sicher sein

Ich entschließe mich, auch das letzte Teilstück anzugehen. Egal wie lange es dauert, ich will heute unbedingt auf dem Mountainbike und nicht im Zug Messina erreichen. Daran gibt es keine Zweifel mehr. Egal, wie lange ich dafür brauche, egal, wie lange ich dafür schiebe und egal, wie sehr sich die Italiener wundern, warum ich diese niedlichen Hügel nur schiebend bewältige, ich will heute mit dem Bike nach Messina fahren!!!

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Der erste Teil ist mehr oder wenig easy, aber dann kommt der Anstieg und kurze Zeit später mein Abstieg. Inzwischen ist mir aber alles egal und ich laufe knapp drei Kilometer bis ich die letzten Meter zum höchsten Punk wieder fahrend vorankomme. Irgendwann bin ich oben und ich stelle fest, dass sich das jetzt alles sehr gut anfühlt.

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Moderne italienische Architektur direkt auf der letzten Passhöhe

Wahnsinn, ich bin oben, ich habe es geschafft!! Und das ist alles, was zählt. In der Abfahrt, welche direkt in den Sonnenuntergang hinein stattfindet, werde ich von Glücksgefühlen geflutet. Vergessen sind alle Schmerzen und Anstrengungen. Ich kann es fast nicht glauben aber meine unsäglichen Schmerzen sind fast weg. Ein Wunder? Sollte ich der Madonna von Vibo Valentina danken?

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Mit besserer Laune fotografiert es sich gleich viel besser, der ganz große Druck ist weg :D

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Sizillien ist bereits am Horizont zu sehen

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Ein Blick zurück...

Für mich steht jetzt fest, dass ich heute Nacht Sizilien erreichen werde und nichts und niemand kann mich jetzt noch aufhalten. Der letzte Abschnitt des Weges ist einfach grandios und ich genieße inzwischen jeden Meter nach Villa San Giovanni, von wo aus die Fähre nach Messina abfährt.

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Der tapfere Nino hat es anscheinend nicht bis Messina geschafft...

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Hinter der nächsten Kurve müsste eigentlich das Ziel sein

Nachdem die Höhenmeter vernichtet sind, muss ich mich doch noch ein wenig gedulden und es ist bereits wieder dunkel, als ich endlich Villa San Giovanni erreiche.

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Endlich Geschafft!!!

Ohne weiteren Zwischenstopp im Ort fahre ich direkt runter zum Hafen und springe noch schnell auf die gerade zur Abfahrt bereitstehende Fähre. Für nur 1,50 € kann ich mit Bike auf die Insel übersetzen. Ich hatte irgendwie mit mehr gerechnet und bin über solch günstige Tarife überrascht.

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Das Ziel ist bereits zum greifen nah, wenn der Dampfer angelegt hat noch 3x treten und ich bin auf der Insel

Auf der Fähre erkundige ich mich nach guten Möglichkeiten zum Essen und zum Übernachten. Mir wird geraten, es entweder direkt im Stadtzentrum oder nach Norden raus zu versuchen. Nachdem ich die Fähre verlassen habe, entscheide ich mich für die letztere der beiden Varianten und orientiere mich direkt in Richtung Norden. Wie immer in den letzten Tagen, wenn ich irgendwo erscheine, gibt’s was zu feiern. :D

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Wenn hier jeder Radfahrer so empfangen wird...

Auf meinem Weg nach Norden stehe ich mit einem Mal inmitten einer Prozession. Da es bereits wieder kurz vor 22 Uhr ist, suche ich ohne weitere Fragen nach dem Grund für diese Prozession die nächstbeste Pizzeria auf.

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Was auch immer gefeiert wurde ... es war schön anzuschauen

Das mit dem Essen am späten Abend klappt in Italien mit Abstand immer noch am besten. Nachdem ich mich gestärkt habe, wartet die letzte Herausforderung des Tages – Unterkunftssuche - auf mich.

Auch hier habe ich wieder mal ein sehr gutes Händchen und ich finde (wie sich am nächsten Tag herausgestellt hat) glücklicherweise sogar den Preis/Leistungssieger der Gegend. Meine Unterkunft gefällt mir sogar so gut, dass ich mich am nächsten Tag dazu entschließe, auch die folgenden zwei Tage noch dort zu verbringen.

Gegen 23:30 Uhr liege ich sehr glücklich und extrem zufrieden in meinem Bett. Wieder einmal ist ein aufregender und sehr ereignisreicher Biketag zu Ende und während ich in Gedanken den Weg von Messina nach Garmisch auf einer (Europa-)Landkarte zurückverfolge, stelle ich zufrieden fest, dass ich morgen sogar endlich mal wieder ausschlafen kann. Ich muss mir keine Ortsnamen merken, keine Kilometerangaben verfolgen oder runterzählen, keine Verpflegungspunkte suchen und so weiter und so fort...

Stattdessen werde ich morgen Vormittag irgendwann nach einem leckeren Frühstück auf der Terrasse in aller Ruhe zum Strand fahren und den ganzen Tag nach Lust und Laune vertrödeln.

Darüber berichte ich allerdings erst morgen...
 
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Tag 23 & 24 - Meine letzte Attacke auf den 2009er AX-Thread :D

Als ich aufwache, fühlt es sich fast wie ein als "normal" zu bezeichnender Deutscher Urlaubstag an. Nichts drängt mich dazu, besonders schnell aufzustehen oder mir Gedanken über die möglichen Durchgangs- oder Tagesendziele zu machen. Ich stehe in aller Ruhe auf und begebe mich auf direktem Wege auf die Terrasse meiner Unterkunft, wo bereits ein erstklassiges Frühstücksbüffet auf mich wartet.

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Ob das wohl ausreicht ist für mich?

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Einfach traumhaft :love:

Nach einem ausführlichen Frühstück packe ich meine Badesachen und mache mich auf den Weg zum Strand. Unterwegs darf ich noch zwei weitere Unterkünfte kennenlernen und stelle dabei fest, dass ich anscheinend eine sehr gute Wahl getroffen habe. Nachdem ich mal weider erst nach einigem Suchen endlich einen öffentlich frei zugänglichen Strandabschnitt finde, beginnt nur kurze Zeit später der Kampf gegen die Langeweile.

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Ich wohne direkt am Laghi di Ganzirri

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Die sehen nicht nur lecker aus, sie sind es auch :daumen:

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Was macht man denn nun mit dem angefangenen Tag?

Ich bringe den Tag irgendwie mit essen, schlafen, schwimmen und rumdösen rum und fahre gegen 17 Uhr wieder zurück in meine Unterkunft. Anschließend geht es noch mal nach Messina und ich schaue mich noch ein wenig in der Stadt um. Ich finde den Bahnhof, welcher morgen Abend wichtig wird und organisiere auch das dringend benötigte Verpackungsmaterial für das Mountainbike. Schließlich habe ich keineswegs vor, ohne mein Bike nach Deutschland zurückzukehren.

Das letzte Abenteuer, die Fahrt mit der italienischen Eisenbahn, soll schließlich auch noch erfolgreich überstanden werden. Meine bisherige Entdeckungsreise durch die Straßen von Messina wird vom Einbruch der Dunkelheit unterbrochen. Ich mache noch schnell ein paar Fotos, bevor ich mich wieder auf den Weg in die Unterkunft mache.

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Blick auf den Hafen von Messina

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Mein Lago am Hotel Donato

Der Tag meiner Rückreise verläuft analog zum Vortag. Ausschlafen, Frühstück, Strand, langweilen, vorbeifahrende Schiffe zählen und abschließend die Fahrt zurück ins Zentrum von Messina. Bevor ich mich daran mache, das Bike für die Reise zu verpacken, gönne ich mir noch eine letzte große Pizza.

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Irgendwie muss ich jetzt noch ein Tag am Strand rumbringen

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Je nach den persönlichen Vorlieben...

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... findet man hier Schiffe aller...

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... Größen und Formen für eine kleine Ausfahrt

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Jungs die gerne mit dem Metallbaukasten spielen können sich hier auch verwirklichen

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... oder trendigen Wassersportarten nachgehen

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Blick auf die Straße von Messina

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Zum Abschied wird mir noch einmal freundlich zugewinkt

Als ich wenig später gut gesättigt am Bahnhof eintreffe, sind es noch gute zwei Stunden Zeit bis mein Zug abfährt. Ich zerlege mein Bike und mache mich daran, die Einzelteile (Rahmen und Laufräder) einzeln zu verpacken. Gute 30 Minuten später liegen zwei in große Mülltüten verpackte Laufräder und der in eine Stoffbahn verpackte Rahmen, welcher mit Kabelbindern und Segelschnur verzurrt ist, vor mir. Ich bin zuversichtlich und vorsichtig optimistisch, dass ich mit meinem semiprofessionell verpacktem Handgepäck die Reise durch Italien ohne Probleme und Diskussionen hinter mich bringe.

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Handgepäck

Mein Zug soll in einer guten Stunde fahren und da ich nicht weiter auf dem Bahnhofsvorplatz rumstehen will, begebe ich mich schon mal auf den Bahnsteig. Zu meiner Überraschung wartet bereits ein Zug in Richtung Rom auf seine Abfahrt. Leicht verwirrt und aufgrund fehlender Hinweisschilder wende ich mich an einen Schaffner und erkundige mich, ob das etwa schon mein Zug ist. So viele Züge in Richtung Rom traue ich der Weltstadt Messina irgendwie nicht zu daher entschließe ich mich dazu, lieber mal nachzufragen. Der Schaffner ist nett, schaut aber nicht wirklich auf mein Ticket, welches ich ihm unter die Nase halte und hört auch irgendwie nicht wirklich auf das, was ich versuche ihm mitzuteilen. Dafür sagt er: "Roma, Neapel? ...da kannste Einsteigen, der Zug ist richtig.“ - (zumindest deute ich seine Aussagen so :D).

Ich folge den Anweisungen des Schaffners, aber als ich mich bereits mit meinem üppigen Handgepäck durch den Zug kämpfe, überkommen mich doch Zweifel und ich entschließe mich dazu, doch wieder auszusteigen. Ich frage den zweiten Schaffner und der ist der Meinung, ich muss noch warten. Zwei Minuten später stehe ich alleine auf einem dunklen und komplett menschenleeren Bahnhof. Die nächsten 60 Minuten verbringe ich mit einigem Unbehagen und ich frage mich ernsthaft, ob hier heute überhaupt noch irgendein Zug durchkommt. Wieso bin ich nicht einfach in dem Zug geblieben?

Letztlich kann ich mich aber auf die italienische Bahn verlassen und steige pünktlich in den richtigen Zug nach Neapel.

Tag 25 - Die Rückreise nach Deutschland

Die Rückreise erfolgt über Neapel, Bologna und München und soll mich innerhalb von 24 h bis Marktredwitz in Nordbayern bringen.
Der Transfer nach Neapel klappt einwandfrei und ich habe sogar einen Schlafplatz. Ab Neapel geht es mit dem Eurostar in 4 h nach Bologna. Inmitten von Geschäftsreisenden in Anzügen sitze ich todmüde in meinen Radklamotten und bin irgendwie geschockt darüber, wieder in der modernen Welt von heute angekommen zu sein.

In 4 Stunden mit dem Zug von Neapel nach Bologna... wenn ich bedenke, wie lange ich dafür gebraucht habe und was ich dabei alles gesehen und erlebt habe, ist das irgendwie komisch. Es ist irgendwie unwirklich, da es auch die ganze Zeit aus dunkelgrauen, tiefhängenden Wolken regnet. Der erste wirkliche Regen seit über drei Wochen. Ich stelle fest, dass die Reise mit dem Zug weit weniger interessant und aufregend ist als die Fahrt mit dem Rad. Ich schwelge noch in Gedanken, als ich gegen 11 Uhr in Bologna eintreffe.

Von Bologna aus gibt’s kein Halten mehr. Ich freue mich wie ein kleines Kind, dass es endlich wieder nach Hause geht. Während ich aus dem Fenster schaue, ziehen die vergangenen Tage im Geiste immer wieder an mir vorbei und ich bemerke, wie viel ich gesehen und erlebt habe. Ich denke, es war trotz der schrecklichen Tage auf den Straßen Italiens für mich eine wirklich lehrreiche Reise und rückblickend kann ich sagen, dass ich daraus viel (unter anderem auch für zukünftige Reisen) gelernt habe.

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Seit wann regnet es denn in Italien :confused:

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Es fühlt sich aber trotzdem gut an wieder zurück in den Alpen zu sein

Kurz hinter Innsbruck findet sich dann auch noch ein Schaffner, der sich über mein verpacktes Rad aufregt und mein Weltbild wieder in Ordnung bringt. Er ist aber zahm und zieht schnell wieder von dannen, so dass ich meine Reise ohne weitere Aufreger fortsetzen kann. Kurz nach 22 Uhr erreiche ich Marktredwitz, wo ich ausnahmsweise einmal eine Unterkunft vorbestellt habe.

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Zu Hause isses doch immer noch am schönsten :rolleyes: oft muss man gar nicht so weit reisen, um richtige Abenteuer zu erleben ;)

Ich verschwinde umgehend im Bett, da es am nächsten Tag, nach drei Tagen Pause, wieder auf große Fahrt in Richtung Tschechien gehen soll... aber dieser Tag ist ganz sicher kein Thema für einen Thread, der mit Begriffen wie Sommermärchen im Titel wirbt :D :winken:
 
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Statistik:

Tag 1: Grainau – Muttekopfhütte (Imst) 65km / 05:45h (gefahrene Strecke / Fahrzeit)
Tag 2: Muttekopfhütte (Imst) – Geislachkogel (Sölden) 70km / 05:00h
Tag 3: Geislachkogel (Sölden) – Martin-Busch Hütte (Niedererjoch) 30km / 04:30h
Tag 4: Martin-Busch Hütte (Niedererjoch) – Gasthof Waldbichl (Vöraner Alm) 70km / 06:00h
Tag 5: Gasthof Waldbichl (Vöraner Alm) – Stöfflhütte (Villanderer Alm) 44km / 04:45h
Tag 6: Stöfflhütte (Villanderer Alm) – Gampenalm 63km / 06:45h
Tag 7: Gampenalm – San Cassiano 39km / 03:30h
Tag 8: San Cassiano - Campitello di Fassa 50km / 05:00h
Tag 9: Campitello di Fassa – Deutschnofen (Petersberger Leger Alm) 52km / 04:15h
Tag 10: Deutschnofen (Petersberger Leger Alm) – Tuenno 82km / 05:30h
Tag 11: Tuenno – Zuclo 136km / 08:00h
Tag 12: Zuclo – Riva del Garda 54km / 03:00h
Tag 13: Riva del Garda – San Giovanni di Persicente 211km / 09:30h
Tag 14: San Giovanni di Persicente – Florenz 142km / 07:30h
Tag 15: Florenz – Montalcino 136km / 08:30h
Tag 16: Montalcino – Bolsena 109km / 07:15h
Tag 17: Bolsena – Ciampino 159km / 08:30h
Tag 18: Ciampino – Neapel 242km / 11:00h
Tag 19: Neapel – Agropoli 136km / 08:00h
Tag 20: Agropoli – San Giovanni a Piro 107km / 06:00h
Tag 21: San Giovanni a Piro – Amantea 154km / 07:30h
Tag 22: Amantea – Messina 166km / 09:45h
 
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