Ceramicspeed ist für mich eine dubiose Firma, deren Produkte mehr auf superteures high-end Markenimage und zweifelhaften Mehrwert basieren. In etwa wie wahnsinnig teure Hautcremes und Kosmetika im Vergleich zu normalpreisigen guten Produkten aus der Drogerie, wo dann im Labortest die teuren Produkte genauso gut bzw. sogar schlechter abschneiden.
1.) Bei CeramicSpeed bringt der teure Derailleur Umbau gar nichts. Das, was angeblich durch bessere Keramiklager erzielt wird, wird durch größeren Luftwiderstand des großen Hängers im Luftstrom und durch Aussendreck sofort wieder kompensiert. Genaue Tests haben ergeben (siehe Youtube oder Zeitschriften), daß ein stahlkugelgelagertes DuraAce genauso gut ist wie ein keramikkugelgelagertes CeramicSpeed. Nur kann man am CeramicSpeed mehr ImageWerbung aufdrucken.
2.) Das Thema mit dem CeramicSpeed Antrieb wurde ja hier und in anderen Branchen Medien schon mehrfach durchgekaut. Ist eine tolle Demo für den Showroom, aber rein ingenieurstechnisch gesehen ziemlicher Blödsinn.
- Abgesehen von etlichen Präzisionskugellagern, die seitlich offen sind und damit penibel sauber gehalten werden müssen, und einem Schaltmechanismus, der penibel exakt sein muss damit es keine katastrophale Beschädigung beim Schalten gibt (s.u. bei P².S.) , ist die Kraftübertragung über eine winzige 0.5-1.0 mm² Fläche (Aussenkörper des winzigen Kugellagers auf den Aluminium Zahn) mehr als kritisch.
- Abgesehen davon, daß sich bei maximaler Drehmomentbelastung am Aussenring, die leichte Aluscheibe wegbiegt, werden die Aluzähnchen aufgrund von Verschleiss (s.u. P.S.) den Abend nicht erleben:
- Bei der Kette haben wir etliche Stahlglieder, die auf eine Stahlkassette greifen. Bei CeramicSpeed greift immer nur exakt 1 Zahn.
- Beim maximalen Drehmoment wird die Kraft auf ein großes Ritzel übertragen und somit auf die Zähne verteilt. Deshalb kann man große Ritzel aus Alu machen. Bei CeramicSpeed wiederum greift immer nur exakt 1 Zahn.
- Bei sehr hohem Drehmoment auf das große Aussenritzel wird die leichte Aludisk aufgrund der Krafteinleitung auf einen schrägen Zahn nach innen weggedrückt. Auch wenn sie angeblich im Test 300 Watt überleben soll, wird sie dennoch permanent "gewalkt". Alu ist per se dafür nicht geeignet und wird recht schnell brüchig. 300 Watt bringt ein normaler Radler an der Ampel, wenn er schnell noch bei "Dunkelgrün" rüber will. Ein Profi, dem das ja vom Sponsor gestellt wird, hat locker 1000+ Watt beim Antritt. Da wird es evtl. zu Zahnübersprüngen kommen.
- Daher müsste man eine CNC gefräste Stahlkassette wie bei SRAM Eagle nehmen, was das ganze teuer macht. Bei der Eagle wird die Kraft aber nicht axial aufgetragen, wo bei CeramicSpeed die Disk wiederum wesentlich stärker sein muss um einer Biegung zu widerstehen. Das macht es bei Stahl wiederum schwer.
- Und was gar nicht gezeigt wird: schalten unter Last. Das, bitte, möchte ich mal sehen!
Abgesehen von der per se nicht vorhandenen technisch-bedingten Toleranz des CeramicSpeeds haben wir beim Fahrrad einen flexiblen Hinterbau, der ein präzises System von vornherein verhindert. Jeder Gates Carbon Drive Fahrer kann ein Lied davon singen, wie i.) der Rahmen extrem steif (und somit schwer) sein muss und ii.) wie hochpräzise der Riemen geführt werden muss, damit kein Verschleiss wegen Nicht-Parallelität auftritt.
- Was nirgendwo erwähnt wird ist, wie eigentlich die hohe Torsionskraft in dem dünnen Carbon-Hohlschaft übertragen wird und wie das gelagert ist. Das mag in der Vitrine schön mit der Hand funktionieren, aber wenn da ein Profi mit 1000+ Watt reintritt (van der Poel hatte 1470 Watt auf der Strade Bianche), dann muss das dünne Carbonröhrchen diese Kraft nach hinten leiten ohne sich zu verwinden (Vermeidung von Verlusten durch Flex) und ohne dass einem die ganzen Carbonfasern auseinander fliegen wie bei den gerissenen Stahlseilen vom Arecibo Observatorium (sehenswert auf Youtube).
Ich denke, hier wird eine Lösung für ein Problem gesucht, das nicht existiert. Und da das Geld mangels Investmentmöglichkeiten locker sitzt und es sich kein "Smart Money" Industrie Investor findet, der von dem Ganzen überzeugt ist, sucht man nun einen "Dumb Money" Investor wofür Crowdsourcing gut geeignet ist.
P.S. Ich hatte ein ähnliches Verschleissproblem an meiner Gates Carbon Drive Disk gehabt. Bei der 1. Generation war meine hintere Disk aus Alu (schön leicht!). Die Disk hat 3 robuste Zähne, die die Kraft auf die Alfine Nabe übertragen. Beim ersten Anstieg hoch zum Walchensee begann das System laut zu klacken und nach einer Begutachtung ergab sich, daß die 3 robusten Aluzähne durch die Krafteinwirkung total deformiert und der Antrieb ruiniert war.
Bei Gates Carbon: 3 robuste Aluzähne gleich beim ersten Berg defekt!
Bei CeramicSpeed: 1 winziges Aluzähnchen. Good luck!
Gates hat mir umgehend einen Garantie Tausch zu der neuen (schweren) Stahldisk gegeben. Alu war somit erledigt. Es geht nur mit hartem Stahl. In dem Fall muss die CeramicSpeed Disk aus massivem, gehärtetem Stahl sein, was ja nicht besonders leicht sein dürfte. Leuchtet jedem ein.
P².S. Was passiert, wenn das kleine Zahnrad (hier das kleine Kugellager) nicht 100% exakt auf die Disk austariert ist und beim Schalten versehentlich mal ein ein Zahn auf einen Zahn trifft konnte man am tödlichen Unfall eines Puma Hubschraubers sehen. Dort bekam die Rotor-Disk einen Riss und weitete sich um ein paar Millimeter, womit dann die Zähne nicht 100% in die Disk griffen und sich eine Zahn-auf Zahn Situation ergab. Wenige Millisekunden später zerriss es das komplette Getriebe, der gesamte Rotorkopf riss ab und flog weg. Die Flugeigenschaften des Puma glichen danach einem tonnenschweren Ziegelstein.
Bei Vollastbetrieb beim CeramicSpeed und Zahn-auf-Zahn Situation ist die Disk aus Alu aufgrund extremer Querkräfte schlagartig kaputt und bei Stahl splittert mit Sicherheit das Carbon des Kettenstrebensystems, was vermutlich zu einem katastrophalen Ende der Fahrt führt.