Eloxal entfernen und Polieren

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popelt heimlich an deiner schutzfolie rum
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Weil in letzter Zeit immer wieder dieselben Fragen und Anmerkungen zum Thema kommen, gibts hier jetzt das kumulierte Tutorial zum Thema

Eloxal entfernen und Polieren von Aluminium-Teilen

⚠️ Wichtig
: Die Entfernung der Eloxalschicht erfolgt auf eigene Gefahr und verletzt ggf. die Gewährleistungs- und Garantiebestimmungen der Hersteller. Der Vorgang sowie das Ergebnis kann auf mehrere Arten gesundheitsgefährdend sein. Ich werde da im Einzelnen drauf eingehen, aber ich übernehme keine Haftung für das Ergebnis, zerstörte oder defekte Teile. Bitte erst alles lesen, verinnerlichen und dann entscheiden, ob das ne gute Idee ist.

Bevor wir mit der eigentlichen Arbeit anfangen, ein kleiner Exkurs fürs technische Verständnis.

1. Was ist Eloxal?

Rohes Aluminium bildet an der frischen Luft eine schützende Oxidschicht, genau wie Stahl (Rost) oder Kupfer (Grünspan). Das geht bei Alu nur wesentlich schneller, und die Schicht ist sehr dünn, sehr hart, nahezu transparent, sowie sehr beständig gegen Chemikalien, UV-Licht usw.

Beim Eloxalverfahren wird diese Oxidschicht durch Elektrolyse künstlich erzeugt - ELektrolyltisch OXidiertes ALuminium. Die Schicht kann so deutlich dicker aufgebaut werden, und im Zuge dieses Verfahrens können Farbstoffe in der Oxidschicht eingelagert werden. Zack, Pörbel :i2:

2. Wieso ist das relevant?

Ganz einfach: Im Gegensatz zu Lack, Pulver, Aufklebern oder Fettflecken ist eine farbige Eloxierung im Aluminium eingelagert, und nicht außen aufgebracht. Und deswegen ist jede Entfernung der Eloxierung ein chemischer Angriff auf das Bauteil selbst. Blankes Alu löst sich schneller als das Eloxal - wenn die Oxidschicht abgetragen ist, zersetzt sich das Bauteil selbst deutlich schneller. Wer den Kram zu lange in Rohrreiniger badet, ist ihn am Ende einfach los!

3. Wie entfernt man jetzt die Eloxalschicht, ohne das Bauteil zu beschädigen?

Gar nicht. Wir müssen Material abtragen. Ob das sinnvollerweise durch Schleifen, Strahlen oder Ätzen geschieht, ist zweitrangig und stark von der Form des Bauteiles abhängig. Für große Teile wie Rahmen oder Felgen ist Schleifen oder zum-Profi-geben die bessere Alternative.

Die Eloxalschicht ist deutlich härter als das reine Aluminium. Das bedeutet, auch von farblos eloxierten (silbernen) Teilen muss vor dem Polieren die Eloxalschicht entfernt werden.

Ich möchte im folgenden hauptsächlich auf das Beizen mit Natriumhydroxidhaltigem Rohrreiniger (Abfluß-frei) eingehen, da dieses Vorgehen insbesondere für kleine und komplexe Bauteile beliebt ist. So oder so sollte man vorsichtig arbeiten, da Fahrradteile oftmals sehr dünne Wandstärken deutlich unter 1 mm haben und man schnell mehr abträgt, als gut ist. Außerdem kann die Suppe tiefer in die Molekülstruktur des Aluminiums eindringen und diese schädigen, ohne dass es von außen erkennbar ist ->

⚠️BRUCHGEFAHR! Daher ist besonders die Arbeit an sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Vorbauten, Lenkern usw. sehr diffizil. Vielleicht ist es schlauer, einfach ein silbernes Teil zu kaufen.

Das sieht dann z.B. so aus:
20210126_091640.jpg

(55g -> 25 g, Beispielbild von @Tony-)

4. Jetzt mal Rohrreiniger bei die Fische - wann geht's los?

Jetzt. Wir brauchen Rohrreiniger mit Natriumhydroxid (NaOH). Ich benutze Granulat aus'm DM, andere oder Gel gehen aber auch. Ihr denkt es euch schon, aber zur Sicherheit:

⚠️Das.
⚠️Ist.
⚠️Giftig.


So giftig, dasses Alu auflöst. Also, Nitrilhandschuhe an, Schutzbrille auf, Atemschutzmaske brauchen wir nicht. Bei der Reaktion entsteht hauptsächlich gasförmiger Wasserstoff. Und der geht durch jeden Atemschutz wie eine Ameise durch den Arc de Triomphe. Für eine explosionsfähige Atmosphäre wird es normalerweise lange nicht reichen.

Ebenso sollten alle Decals entfernt worden sein. Aufklebern rückt man am besten mit einem Fön und Geknibbel zu Leibe, Kleberreste kapitulieren unter Isopropanol oder Spiritus. Wassertransferdecals lassen sich mit Aceton oder Abbeizer entfernen. Dabei wird das Eloxal nicht verletzt, bei älteren Bauteilen kann aber ein "Geisterbild" des Umrisses bleiben. Nach dem Polieren ist das aber weg.

IMG_20201201_125358.jpg


Im Gegensatz dazu kann der Rohrreiniger den Wassertransfer-Stickern nix anhaben - also bleibt der Bereich darunter in Eloxalfarbe, und auch die Decals bleiben darauf.

IMG_3602.JPG



Zu guter Letzt lassen sich Gewinde und Passungen (z.B. Lagersitze) sehr gut mit Sanitärsilikon abdecken. Das ist beständig gegen den Rohrreiniger und hält auch locker die 100° C aus (danke @seblubb :winken: ). Am besten entfernt man das erst, wenn man auch mit Polieren fertig ist. Da bleibt dann natürlich ggf. auch die Originalfarbe sichtbar, also schön sauber arbeiten.

IMG-20220919-WA0015.jpg


(Fotos von @seblubb)

Die zu bearbeitenden Bauteile sollten soweit möglich demontiert, und ordentlich entfettet sein, z. b. mit Isopropanol.

IMG_20200711_152644.jpg


Oft wird empfohlen, das Rohrfrei mit kochendem Wasser aufzugießen, um die Reaktivität zu erhöhen. Ich mache das ungern, weil dadurch 1. die Reaktion möglicherweise zu schnell stattfindet und 2. kann man aufgrund der Temperatur schlecht eingreifen. Ich fange also mit heißem Wasser aus dem Hahn an und gieße ggf. Wasser aus dem Wasserkocher nach. Lieber 5 Minuten warten und bürsten, anstatt mit 10 Sekunden zu lang das Teil zu zerstören. Man sollte die Teile nicht einfach in der Suppe liegen lassen, denn die Farbpigmente bleiben ggf. an der Bauteiloberfläche hängen. Das sieht dann aus als ob nix passiert, und drunter verdampft dein Dropperhebel fröhlich in einen Nexus herumwabernder Moleküle. Daher lieber immer mal die Bauteile anschauen, und mit ner alten Zahnbürste bearbeiten - die Farbschicht löst sich dann meistens recht schnell ab. Rumrühren kann man z. b. mit nem Löffel aus Edelstahl, dem passiert nix.

5. Da passiert gar nix, was ist da los?

Dafür kann es mehrere Gründe geben.
1. Dein Rohhreiniger ist aus der Spielzeugabteilung im Bioladen und enthält kein NaOH -> anderen nehmen.
2. Dein Bauteil ist nicht eloxiert, sondern pulverbeschichtet -> falsches Verfahren.
3. Dein Bauteil ist nach der Eloxierung nochmal poliert worden (hochglänzend) -> durch die Oberflächenverdichtung ist die Oxidschicht noch beständiger. Länger baden, oder kochendes Wasser und Rohrreiniger nachkippen.

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Grundssätzlich muss es immer blubbern.
Mehr blubbern = schnellere Reaktion.
Kein blubbern = alles umgesetzt. Entweder musst du Rohrreiniger nachkippen oder dein Teil hat sich schon aufgelöst.

Wenn das Teil fertig ist, alles mit viel! kaltem Wasser wegspülen.

6. Okay, das Elox ist runter, aber das Teil sieht voll scheiße aus.

Was übrig bleibt ist dann die nackte, ungeschütze und sehr reaktive Aluminiumoberfläche des Bauteils.

IMG_20200712_124252.jpg


Das wird auch durch länger baden nicht besser! Als nächstes müssen wir die Reaktion von Materialresten "ablöschen". Das machen wir mit Zitronensäure oder Kaffeemaschinenentkalker und heißem Wasser. Paar Minuten liegen lassen, danach Bauteil usw. wieder mit viel Wasser spülen. Das Bauteil bildet zeitnah wieder seine natürliche, dünne Oxidschicht. Mit der Zeit wird es aber einfach stumpf und grau.

7. Ich wollte es aber geil silber blingbling glänzend, Alter!

Joa, das müssen wir wohl noch polieren. Je nachdem, wie glatt die Oberfläche ist, zuerst mit feinem Schleifpapier, dann mit Stahlwolle. Ich verwende so'n einfaches Polierset aus dem Baumarkt. Beim Schleifen von Alu ist es ratsam, eine Staubmaske zu tragen, da der Alustaub mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird und sich im Körper anlagert.

Anmerkung: Es können sich beim Schleifen feinste Stahlpartikel im Aluminium absetzen und Korrosion verursachen/beschleunigen. Bisher ist dieser Fall bei meinen Arbeiten nicht aufgetreten, ich möchte trotzdem darauf hinweisen. Statt Stahlwolle kann man natürlich auch mit feinem Schleifpapier arbeiten. gerade für Kleinteile und komplexe Formen ist Stahlwolle aber einfacher im Handling.

IMG_20200316_113957 (2).jpg


An dieser Stelle hätte ich mit Schleifpapier so um 320-600 rangehen sollen. Hab ich nicht gemacht, egal. Das Ergebnis ist trotzdem sehenswert ;)

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geschliffen mit Stahlwolle, Feinheit 1

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und anschließend noch Feinheit 000.
Die feinen "Löcher" in der Oberfläche hätte ich vorher mit Schleifpapier rausschleifen müssen - jeder Schleifdurchgang muss natürlich die Spuren des vorigen komplett beseitigen.

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Vorpoliert mit Schleifaufsatz an der Ständerbohrmaschine...

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...und fertig poliert. Man sieht, dass ich die Stirnfläche besser geschliffen hab, als die Seite. Auch die Frässpuren in der Aussparung sind gut sichtbar, war mir aber Wurscht. Daran kann man gut sehen, wie wichtig die genaue Ausführung der einzelnen Schritte ist - bzw. auch die Konsequenzen von Inkonsequenz :D

IMG_20200712_171337.jpg

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Schön genug. Man kann natürlich auch nach der Stahlwolle aufhören, das macht die Nachbearbeitung von Kratzern einfacher. Nachdem die Oberfläche aber nach wie vor blankes Aluminium ist, wird sie früher oder später stumpf. Wie schnell das geht, ist stark von Bewitterung, Pflege und Qualität der Bearbeitung abhängig. Je feiner man aber poliert, desto länger bleibt die Oberfläche glänzelig. @KHUJAND bietet eine anscheinend ziemlich brauchbare Versiegelung an, die ich noch nicht getestet habe - aber man liest nur gutes.

Der Kollege @HarzEnduro hat auch ein Video zu dem Thema gemacht. Er macht ein paar Sachen anders als beschrieben, aber kommt auch zu einem sehr schönen Ergebnis.

Wenn dazu noch Fragen offen sind oder Ich was vergessen habe, bitte gern PMen. Ich helfe, so gut ich kann :winken:

Gruß, 02
 
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