Erfahrungsbericht Grail AL 6.0 (2019 - Tiagra, nicht GRX)
Hier ein Erfahrungsbericht, den ich zwar schon lang posten wollte, doch Corona kam dazwischen.
Das Grail AL nutze ich als schnelles Alltagsrad, ein bisschen Commuter, ein bisschen Randonneur. Als reines Sportgerät und Gravelbike habe ich noch ein Grail CF, das AL konnte ich daher für den täglichen Einsatz anpassen. Im Folgenden ein paar Beobachtungen:
Geometrie: Als 1,98m Mensch mit 98cm Schrittlänge brauche ich ein großes Rad. Das bedeutet vor allem lang, denn höher bekommt man mit entsprechenden Sattelstützen und Vorbauten ja eigentlich jedes Rad. Canyon ist hier „überragend“ - selbst die XL Räder sind „eine halbe Nummer“ länger als fast alle Wettbewerber, dann gibt’s aber „obendrauf“ noch die Größe XXL. Ein Traum für große Menschen wie mich. (Das ist wohl auch dem 1,98m großen Canyon-Gründer geschuldet. Wenn man als großer Mensch einigermaßen schrauben kann, dann führt eigentlich kein Weg an Canyon vorbei.) Zuerst mal passt mir das Rad also. Die Länge finde ich extrem angenehm, die Laufruhe weiß ich für meine Nutzung zu schätzen. Dabei dürfte der sehr lange Radstand auch beitragen, ruhiger, stabiler und vibrationsärmer über Unebenheiten hinweg zu gleiten. Durch die Länge kommt auch kaum das Gefühl auf, beim
Bremsen oder bergab über den Lenker zu fliegen.
Vielleicht auch interessant: Seit 2014 bin ich einen Cube Cyclocrosser (61cm) gefahren. Dagegen ist das Canyon (XXL) für mich kein Vergleich - es passt einfach. Das Cube wird zwar durchaus für Große vermarktet, mit normalem Vorbau und ohne Spacer passt es aber gut für 1,80m „kleine“ Menschen...
Änderungen: Ein als Gravelbike gedachtes Rad muss natürlich für den Pendlereinsatz angepasst werden. Das beginnt mit einem ausreichenden Schloss (bei mir ein Faltschloss am Rahmenhalter, ca. 650g. An den Fahrradstellplätzen im Büro und zuhause liegen dann noch jeweils Bügelschlösser bereit). Im Winter wird natürlich auch Licht benötigt (derzeit ein StVzO-Akkulicht Ixon Space, das völlig ausreicht, dazu ein Batterierücklicht). Wichtig ist auch ein Schutzblech. Die empfohlenen Canyonschutzbleche sind hervorragend, leicht, klappern und wackeln nicht (und sind, wie ich finde, auch sehr hübsch). Zwischenzeitlich montierte
SKS Longboards haben mir dann doch zuviel gewackelt, weswegen ich sie wieder demontiert habe. Interessanter ist aber die Reifenfrage. Die G-One-bite mag ich als „Sportreifen“ am Grail CF sehr gern, am AL sind sie mir aber zu empfindlich (trotz Tubeless hatte ich wiederholt ärgerliche Pannen, musste daher immer CO2 und
Maxalami mitführen), außerdem rollen Sie auf Asphalt nicht so richtig schön - gerade in Kurven. Ich habe daher einen guten Trekkingreifen (Marathon Almotion Evo) montiert, mit dem ich sehr zufrieden bin. Rollwiderstand ist (laut
bicyclerollinresistance.com) mit preiswerten Rennradreifen vergleichbar, das Fahrgefühl auf Asphalt und auf Straßen sehr angenehm, der Pannenschutz sollte bei einem „Marathon“ gut sein, und der Reflexstreifen bringt Sicherheit bei Nacht (auch wenn das Rad bei Tag ohne den Streifen cooler aussähe…). Auf "Gravel" funktioniert der
Reifen auch, solange es nicht zu technisch oder matschig wird. Den Originalsattel (X3) mag ich am Gravelrad oder Rennrad nicht, habe den dafür am Mountainbike montiert, wo er für mich hervorragend funktioniert. Dann habe ich noch den Vorbau gedreht, um die Sattelüberhöhung unter 10cm zu bringen - beim Einsatz als Commuter legitim und angenehm. Noch zu erwähnen sind die Pedale. Am Mountainbike und Anhängerschlepper fahre ich gern einseitige XT-SPD, hier war mir ein beidseitiges SPD Pedal (
Shimano 540) lieber.
Vergleich mit CF: Das CF ist natürlich leichter und deutlich komfortabler. Ob das am Rahmen, am Hoverbar, oder an der gefederten Sattelstütze liegt vermag ich nicht zu sagen - ich vermute mal, die Kombination macht’s. Als Alltagsrad und Commuter wäre mir das CF aber zu auffällig und zu schade.
Ausstattung mit Tiagra: Ich bin erstaunt und erfreut, wie gut diese einfache Gruppe funktioniert. Für ein Alltagsrad sind Qualität, und Gewicht völlig ausreichend. Lieber hätte ich zwar die GRX (ab 2020) gehabt, tatsächlich dürfte Tiagra aber für meine Nutzung dieses Rades (hoher Asphaltanteil) besser passen als GRX. Tiagra bietet zwar nur 2x10 Gänge, die Spreizung der Kassette ist aber nicht zu breit und damit die Abstufung zwischen den Gängen OK (vom Mountainbike bin ich da schlimmeres gewohnt…). Tatsächlich ist
Shimano‘s 11fach Kassette mit 34er Ritzel nur bei recht leichten Gängen etwas feiner gestuft - weit unter der “normalen“ Reisegeschwindigkeit. Auffällig sind die (beinahe absurd) großen Schaltbremsgriffe, für große Fahrer mit großen Händen aber durchaus angenehm. Gerade bergauf kann man den Griff ganz vorn packen, auf dem
Sattel nach vorn rutschen, und dann zügig den Berg erklimmen. Tatsächlich finde ich die Tiagra-
Griffe für mich deutlich komfortabler und griffiger als die eleganten Di2 am anderen Rad…
Und sonst? Vielleicht sollte ich noch den Kauf erwähnen: Das Rad hatte ich im Outlet erstanden - quasi ohne Lieferzeit. Leider hatte der Rahmen eine hässliche Beule, wegen der Canyon dann umgehend und kundenfreundlich für Ersatz gesorgt hat.