Der folgende Abschnitt passt genau auf die Frage und auch auf den vorheringen Beitrag.Wenn ich das ganze Juristische oben richtig interpretiere, hat der Grundstückseigentümer eigentlich gar keine Rechte, oder?
4.2 Einzug des „geeigneten Weges“ in die bayerische Gesetzgebung
Die Regelung des Art. 30 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG „Land- und forstwirtschaftlich
genutzte Flächen“ konkretisiert die immanente Schranke der Eigentümerverträg-
lichkeit und enthält seit der Novelle 1982 aus der Umsetzung des Bundeswald-
gesetzes ein gesetzliches Wegegebot für das Radfahren, das Fahren mit Kranken-
fahrstühlen und das Reiten im Wald.
Nachdem die Fehlinterpretation des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seither
den Begriff des „geeigneten Weges“ prägt und sich dieses Missverständnis in der
Folge vor allem in der Literatur, aber auch in der Rechtsprechung hielt, fand er zur
„Klarstellung“ auch Einzug in die bayerische Gesetzgebung. Im Zuge der
Novellierung 1998 wurde im Interesse der Landwirte und Waldbesitzer
(Plenarprotokoll Nr. 102 vom 24.03.1998 – Drucksache 13/10535 – Erste Lesung)
das unbefugte Reiten und Fahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft auf „ungeeigneten
Wegen“ mit Bußgeld bewährt (Art. 57 Abs. 4 Nr. 2 BayNatSchG) und griff damit Art.
28 Abs. 1 Satz 1 auf. Danach sei das Radfahren und Reiten auf geeigneten
Privatwegen in der freien Natur erlaubt. Sofern diese Wege zum Fahren oder Reiten
nicht geeignet seien und auch keine Zustimmung des Eigentümers vorliege, dürften
sie nicht benutzt werden (Gesetzentwurf 13/10535 vom 17.03.1998 zu Nr. 42 (Art.
52) Buchstabe d) Doppelbuchstaben aa) und bb)).
Zudem wurde auf Anregung der Abgeordneten Stewens in Art. 30 Abs. 2 Satz 1 vor
dem Wort „Wegen“ das Wort „geeigneten“ eingefügt. Der Aussprache hierzu im
Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen (Ausschussprotokoll Nr. 74 des
LU vom 07.05.1998 zu Artikel 25) ist zu entnehmen, dass man aufgrund der
Annahme ein Betretungsrecht bestünde wegen der Begrifflichkeit des „geeigneten
Weges“ auf „ungeeigneten Wegen“ ohnehin nicht den Regelungsgehalt des
geltenden Rechts überhaupt nicht mehr erfasst hatte und sich der Bedeutung des
Grundrechts auf Erholung in freier Natur nicht mehr bewusst war. Ministerialrat Dr.
Wiest hielt „diese Änderung nicht für erforderlich, sehe doch schon Art. 28 Abs. 1 des
geltenden Rechts vor, daß nur auf geeigneten Wegen geritten werden dürfe. Diese
Vorschrift werde auch künftig bußgeldbewährt sein.“ Berichterstatter Göppel meinte
„angesichts der schlechten Erfahrungen mit Personen, die unter Berufung auf Art. 30
des geltenden Bayerischen Naturschutzgesetzes auf frisch aufgeschütteten Wald-
wegen ritten und so manchen Schaden anrichteten, sei die eben beantragte
Klarstellung sogar geboten.“
Bemerkenswert ist die Annahme, dass in Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG über die
Begrifflichkeit des „geeigneten Weges“ bereits eine, über das 1982 aus dem
Bundeswaldgesetz in Art. 30 BayNatSchG übernommene Wegegebot hinaus-
gehende, Grundrechtseinschränkung gesetzlich verankert sein solle. Da es durch die
Fehlinterpretation des Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG und der Annahme eines
gesetzlichen Verbotes deutlich leichter und einfacher scheint das Grundrecht auf
Erholung in freien Natur einzuschränken, wird verkannt, dass das Gesetz zum
Schutz des Eigentums, auch bezüglich des als Beispiel genannten frisch
aufgeschütteten Weges, bereits verfassungskonforme Regelungen zur
Konkretisierung der Eigentümerverträglichkeit enthält. So haben die Väter des
Bayerischen Naturschutzgesetzes zum einen in Art. 33 Nr. 3 bzw. Art. 31 Abs. 1
BayNatSchG vorgesehen, dass aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls,
worunter auch der Schutz des Eigentums vor Schäden fällt, Wege kurzzeitig - bis
sich, um beim genannten Beispiel zu bleiben, der Weg gesetzt hat - gesperrt werden
können. Diese Regelungen dienen auch der Rechtssicherheit. Darüber hinaus sind
entsprechende Schäden durch Erholungsuchende allerdings immer schon nach Art.
57 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a) BayNatSchG bußgeldbewährt, ohne dass es eines
gesetzlichen Verbotes oder einer Sperrung durch den Eigentümer bedurfte.
Seit 2005 findet sich die Formulierung mit der Aufnahme des redundanten Absatz 3
in Art. 13 Bayerisches Waldgesetz wieder.
Zu denken geben sollte auch, dass die Fehlinterpretation über „geeignete Wege“
schon in Gesetzen anderer Bundesländer zu finden ist. In Sachsen-Anhalt wurde
dieser Irrtum allerdings mit der Novellierung des Landeswaldgesetzes vom 25.
Februar 2016 wieder behoben.
Interessant in dem Zusammenhang ist auch, dass sich ohne objektiv
nachvollziehbaren Grund die Rechtsauffassung innerhalb des Ministeriums innerhalb
weniger Jahre grundlegeng geändert hatte. In der Kleinen Schrift 11/95 der
Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA Trendsportarten in den Alpen
"Konflikte, rechtliche Reglementierungen, Lösungen" von Jan Lorch verweist der
Autor auf eine schriftliche Stellungnahme des Dr. Wiest vom 24.11.1993, sowie auf
eine Pressemitteilung des Bayerischen Umweltministeriums vom 30.09.1986 und
führt dort aus, dass "dieses sehr weit gehende Recht aber durch Rechtsverordnung
oder Einzelfallanordnung seitens der Naturschutzbehörde, "zur Regelung des
Erholungsverkehrs" oder aus "Gründen des Naturschutzes", eingeschränkt werde.
Dies kann dann der Fall sein, wenn es zu unüberbrückbaren Konflikten zwischen
Wanderern und Mountainbikern kommt oder MTB-Sportler zu eindeutigen
Belastungen der Landschaft beitragen.“ Während also das Bayerische
Umweltministerium 1986 und 1993 die Rechtslage zum Betretungsrecht noch korrekt
wiedergibt, meint es während des Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des
Bayerischen Naturschutzgesetzes 1998 plötzlich, von der erkannten Systematik des
Gesetzes abweichend, ein gesetzliches Verbot in Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG erkannt
zu haben.
Fortsetzung folgt ...