Unser erstes Mal (oder als Gravel noch nicht Gravel hieß)

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Kassel
Ein Jahr ohne Alpencross? Schon traurig, aber halt den Umständen geschuldet...

Ein Jahr ohne Tourbericht? Geht gar nicht :)

Wenn keine neuen Abenteuer möglich sind, schwelgt man halt in Erinnerungen an die Alten. Und so bin ich auf die Bilder unserer ersten Transalp gestoßen, aus einer Zeit, in der Gravel noch nicht Gravel hieß (und wir trotzdem gravelmäßig unterwegs waren).

Ist zwar schon 10 Jahre her, aber ich werde mich beim Schreiben bestimmt wieder an einiges erinnern.

Würde mich freuen, wenn ihr dabei seid und ein bisschen Leben in den Bericht bringt...

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Vorgeschichte

Da wir eigentlich vom Rennradfahren und Bergwandern kommen, war es irgendwie auch naheliegend, mal über eine Kombination von Radl und Berg nachzudenken.
Neben den Rennrädern hatten wir für Alltagswege unsere Trekkingbikes, mit denen wir in unseren heimischen Mittelgebirgen gemischte Touren auf Asphalt, Schotter und leichten Trails fuhren.

Nun wussten wir ja vom Bergwandern in den Alpen, dass die wenigsten Steige für ein solches Radl geeignet wären und begaben uns so auf die Suche nach einer geeigneten Strecke, die genügend Bergfeeling versprach und trotzdem einigermaßen fahrbahr erschien.

So stieß ich nach einiger Recherche auf einen Bericht über ein Jedermann-Rennen quer durch die Alpen von Mittenwald an den Gardasee. Der Autor (ein gewisser Herr Stanciu) erklärte dort, dass die Strecke so gewählt sei, dass ein Motorrad mit Arzt dem Fahrerfeld stets folgen könne. Das hörte sich schon mal gut an und ich wähnte mich in der Sicherheit, dass ein Trekkingrad dann auch nicht völlig fehl am Platz sein kann :D

Der Einwand meiner radelnden Vereinskollegen, dass wir angesichts der geplanten Strecke zumindest mal über eine Federgabel oder Scheibenbremsen nachdenken sollten, wurde geflissentlich ignoriert.

Das Frühjahr verbrachte ich dann mit dem Erwerb und dem Studium von 10 fetten Kompass-Karten (ich glaub die haben alleine 1 kg gewogen :)).

Gepäcktechnisch war ich eigentlich tiefenentspannt. Wir waren zuvor in Norwegen mit dem Radl mit komplettem Camingkabinett unterwegs (mit Angelausrüstung und Fön, kein Scheiß!), so dass ich hocherfreut über die lediglich 2 Packtaschen am Gepäckträger war, lag doch das Gesamtgewicht von Radl (rd. 15 kg) und Gepäck (rd. 11 kg) deutlichst unter 30 kg.

Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass so viel Naivität gepaart mit einer anspruchsvollen Transalp-Challenge-Route nur zu folgendem Ergebnis führen kann:

Man hasst es - oder man liebt es. Dazwischen gibt es nichts :D
 
Die Räder

Trekkingrahmen ALU (hardtail)
Starrgabel
Antrieb: Rohloff Speedhub 14-Gang Getriebenabe
Bremsen: Magura HS 33 Felgenbremse
28 x 1,75 Reifen (Schwalbe Marathon)
Gepäckträger Tubus Cargo
Schutzblech hinten
Sattel Brooks mit Doppelstahlfeder (ein bisschen Komfort für bergab :))

also eigentlich 29er-Gravel-bikes
 
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Die Strecke

Mittenwald - Karwendeltal - Hochalmsattel - Plumssattel - Achensee - Inntal - Geiseljoch - Pfitscherjoch - Rodenegger Alm - Limojoch - Pralongia - Pordoijoch - Passo Lusia - Val Venegia - Malga Tognola - Passo Cinque Croci - Kaiserjägerweg - Folgaria - Etschtal - Gardasee
 
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TAG 1 Mittenwald - Maurach am Achensee

Start am Parkplatz am Busbahnhof in Mittenwald. Räder aus dem Auto, Radlklamotten an, Gepäcktaschen ans Heck, 5 x kontrolliert, ob auch alles dabei ist und los geht's...


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Noch recht schattig aber mit Blick auf blauen Himmel und Berge in der Morgensonne geht es entlang der Isar erst mal Richtung Scharnitz.

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Während auf dem ersten kurzen Abschnitt noch viel Verkehr und Besiedlung vorherrscht, ändert sich die Szenerie schlagartig, wenn man in Scharnitz die Isar verlässt und dem Karwendelbach folgt.

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Ein wunderschönes Tal mit hochaufragenden schroffen Gipfeln, so gut wie kein Verkehr und wohltuende Stille, die vom leisen Plätschern des Karwendelbaches eingerahmt wird.

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In sanfter Steigung geht es immer tiefer hinein ins Karwendel. Am Horizont erspähen wir den ersten Übergang dieser Transalp: Den Hochalmsattel

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Schneller als erwartet sind wir oben am Karwendelhaus...

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...an welchem die Mountainbikes deutlich in der Überzahl sind.

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Langsam wird es etwas voller auf der Piste hoch zum Karwendelhaus. Wir kommen mit einigen bikern ins Gespräch, die uns auf unsere fetten Gepäcktaschen ansprechen und neugierig sind, wo wir damit hinwollen. Auf meine Auskunft ernte ich zumeist nachsichtiges Lächeln oder ungläubiges Staunen.
Na ja, bislang war es wirklich kein Hexenwerk und nichts, was man nicht auch mit unseren Rädern machen könnte...

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Hinter dem Hochalmsattel wird der Blick frei auf die Lalidererwände und die Ladizalpe. Dann geht es in die erste Abfahrt.

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Der grobe Schotter ist natürlich schon arg rutschig, zumal durch die schweren Gepäcktaschen kaum Last ans Vorderrad kommt. Die auf 4 bar aufgepumpten 1,75er Reifen springen wie zwei Flummis über die Steine und die Felgenbremsen haben alle Mühe, das Gespann zu verlangsamen.
Das Schöne dabei ist: Wir kennen es in dem Moment gar nicht anders und sind einfach nur berauscht von der tollen Kulisse und dem Gefühl, dass wir mit eigener Muskelkraft in die Berge eintauchen.

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Es geht am kleinen Ahornboden vorbei und runter an den Rissbach.

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Die Kulisse im Risstal Richtung Eng bleibt durchgehend spektakulär...

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...und der Weg wird zunehmend von schönen Ahornbäumen begleitet.

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Lese hier gern mit. Da kommen auch bei mir schöne Erinnerungen hoch, allerdings noch aus Zeiten, wo gar keine Bikes im Karwendel unterwegs waren.
Bin mal gespannt, wie ihr fahrtechnisch mit Euren Trekkingbikes so durchgekommen seid. Falls gut, könnte die Strecke ja zum Klassiker für ne Gravel-Transalp werden.
 
Ha schoene Bilder, dort war ich auch schon oft, wenns auch zum groessten Teil lang her ist.
Zuletzt bei der Singlespeed Alpenexpedition an Christi Himmelfahrt 2019
(...) Die Herausforderung war, bergab auf dem Sattel zu bleiben :)
Unsere groesste Herausforderung waren 70km Umleitung aussenrum flach, Asphalt, mit unter 4m Gang 😆
 
<<Was war das>>> ;)

Ich hatte die schizophrene Idee mir einen Chinacarbonrahmen zu kaufen und ein leichtes 29er, starr zusammenzuschrauben, sozusagen Gravel für Arme (da ich mit diesen Dropbars nicht klar komme und ich Bremsen haben will, an die ich drankomme ohne mir eine Acht ins Kreuz drehen zu müssen ;) ) und damit wär ich ja hier voll im Thema :D
 
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Gerne dabei - danke schon jetzt für den Bericht!

Wenn du das mit dieser Ausrüstung gut geschafft hast, wäre es wohl auch für unsere ü55 Truppe im Verein eine schöne Sache ☺ (muss ja nicht gleich deine komplette Tour sein).
 
weiter mit Tag 1...

Wir fahren nicht bis nach hinten in die Eng zum großen Ahornboden, sondern biegen kurz vorher links ab zum zweiten Anstieg des Tages.

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Das Wegerl zieht sich in einigen Serpentinen durch weitläufiges Almgelände Richtung Plumssattel (am Ende des Zick-Zack-Weges).

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Kurz unter dem Plumssattel machen wir Rast an der urigen Plumsjochhütte, die offenbar auch von anderen Bergradlern geschätzt wird.

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Die Hüner warten auf das Krümelmonster.

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Die drei Kehren hoch zum Joch sind mit aufgefülltem Kalorien- und Koffeinspeicher schnell erledigt...

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...und schon graveln wir Richtung Gernalm hinab.

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Der Schotterweg beginnt mit zahmer Steigung, wird dann aber schnell recht steil.

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Wieder eine rutschige Angelegenheit, nicht so grobschottrig wie vom Hochalmsattel, dafür steiler und rolliger. Ein bisschen wie auf rohen Eiern tasten wir uns langsam nach unten...

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...bis uns ein veritabler Stoß aus einem Schiffshorn daran erinnert, dass wir bald den größten See Tirols erreichen: Den Achensee.

Was ein Kontrast: Stundenlang in der einsamen Bergwelt und dann eine Seepromenade mit dem kompletten Budenzauber :)

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Quartier beziehen wir in einer Frühstückspension in Maurach am unteren Ende des Achensees.

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Fazit zum Tag 1

70 km und 1.750 Hm
Start in Mittenwald ist super, weil man direkt in die wilde Bergwelt des Karwendel startet. Man wird sofort eingefangen von dieser grandiosen Kulisse und die Felswände sind schon spektakulär. Nicht umsonst hat sich Hermann Buhl in den Lalidererwänden auf seine Nanga-Parbat Erstbesteigung vorbereitet.

Fahrradtechnisch alles im Lot. Die Abfahrten haben wir gut überstanden, mann muss allerdings schon sehr auf der Hut sein und präzise bremsen und lenken. Die starren Böcke verzeihen keine Fehler :D

Trotzdem ein tolles Erlebnis. Wir waren uns ja auch nicht 100% sicher, ob unser Plan mit den Trekkingrädern und den schweren Gepäcktaschen aufgeht. Aber nach dem ersten Tag können wir uns gut vostellen, dass es funktioniert.
 
Da bin ich dabei :daumen: ... ich als Dauerschisser sobald es nach meinem Gefühl "ausgesetzt" wird und zukünftiger Hardtailfahrer hätte da durchaus auch Interesse an einer "Gravelroute" ... ich lasse mich jedenfalls mal überraschen.
 
Also ich bin ja überhaupt kein Bergfahrer, aber wenn ich das so lese - ts, ts, ts!!

Alles nur in in zwei Packtaschen...

Was meint ihr Dummerchen nur, warum es Vorderradtaschen gibt???

Ne, ganz im Ernst. Ich bin auch schon mit nur zwei Hinterradtaschen losgezogen, und es waren nur die Niederlande!! Aber sogar bei den steilen Auf- und Abfahrten dort (also runter / rauf vom / auf den Deich oder durch eine Unterführung :D) habe ich gemerkt, wie falsch beladen ich war.
Schön ist es vor allem aufwärts, wenn es den Bock so nach hinten zieht, daß das Vorderrad abhebt.

Eine Schotterstrecke in den Alpen oder zu einer Alm hinauf - auf diese Art nie!!! (Zumal mit Mittelzugbremsen - aber das ist eine andere Geschichte.)

Allerdings sind schon Leute vor 50 Jahren per Rad durch die Welt gezogen, für die wären solche Dinge nicht nur Luxusprobleme gewesen, die hätten gar nicht gewußt, worüber wir hier überhaupt reden. Und sie sind trotzdem bis nach Indien oder sonst wohin gekommen.


- Bitte mehr davon!
 
Was meint ihr Dummerchen nur, warum es Vorderradtaschen gibt???
Wir haben sogar lowrider für vorne, aber ich hab der Befestigung an der Gabel nicht so recht getraut...

Eine Schotterstrecke in den Alpen oder zu einer Alm hinauf - auf diese Art nie!!!
Ja, es geht schon schnell vorne hoch :) Also Sattelnase absenken und schön nach vorne lehnen. Ich glaub meine Rückenstrecker waren noch nie so gut gedehnt, wie nach diesem Urlaub :D

Allerdings sind schon Leute vor 50 Jahren per Rad durch die Welt gezogen...
Ich habe zu Weihnachten das Buch "Rough stuff cycling in the alps" bekommen und verschlungen. Dagegen war unser Trip spätrömisch-dekadentes wellness-biking ;)
 
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Huhu, hallo, nee :D Blick zurück - schee :daumen: bin natürlich dabei

MIttenwald war 2004 damals auch der Start für unsere erste Transalp. Allerdings ich mit einem HT. Vom Werk aus hätte es Scheibenbremsen gehabt und ich ließ mir Felgenbremsen montieren ;) neuartiger Krimskrams für was brauch ich das 8-)

Ich war vom Karwendel so begeistert :love:
Übernachtet haben wir nach der 1. Etappe in der Plumsjochhütte, das werd ich nie vergessen. Grillen war angesagt, da eine Gruppe irgendeine Ausfahrt machte, dementsprechend war allerdings auch die Nacht :D
 
TAG 2 Maurach - Vorderlanersbach

Es geht erst mal runter ins Inntal, vorbei an schönen Stillgewässern...

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...und herrschaftlichen Schlössern (Renaissance-Schloss Tratzberg).

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Im Engadin scheint es ordentlich geregnet zu haben in der Nacht, der Inn führt ordentlich Sediment in seinen grauen Fluten.

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Wir statten der schönen Stadt Schwaz einen kleinen Besuch ab. Die eindrucksvollen Fassaden sind Zeugen des erfolgreichen Silberbergbaus, welcher der Stadt im 16. Jahrhundert eine Blütezeit bescherte.

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So sieht die Farbe des Inns eigentlich aus. Wird schon wieder :)

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In Pill decken wir uns nochmal im Supermarkt mit Proviant ein und beginnen dann den langen Anstieg zum Geiseljoch. Im Hintergrund das Karwendel, welches wir gestern durchquerten.

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Auf Asphalt geht es durch die langgezogene Ortschaft Weerberg. Stetig gewinnen wir an Höhe (was auch Not tut, wir müssen ja von 500 m auf 2.300 m 😓).

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Es ist ganz schön heiß und das Ding zieht sich...

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Beim Graveln heißt es: Kühlen Kopf bewahren :)

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Hinter dem Parkplatz "Innerst" endet die Asphaltstraße und wir können uns ein wenig in die Schatten der Nadelbäume flüchten.

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Auf ca. 1.800 m lichtet sich der Wald und gibt den Blick frei auf den letzten Akt.

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Wir machen jedoch erst mal ausgiebig Rast in der Weidener Hütte.

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