Vor- und Nachteile größerer Bremsscheiben.

Es würde ja schon reichen wenn zwischen Bremsleistung und Bremskraft unterschieden werden würde. Wobei man sich schon die Frage stellt, was mit Bremskraft am Rad eigentlich gemeint ist. Na ja, ich würde ja eher einen Bezug zwischen Handkraft und Verzögerung sehen. Und für die schlaueren Leser: natürlich heißt es korrekt negative Beschleunigung.
Und siehe da:
http://cycle.shimano-eu.com/publish/content/global_cycle/en/nl/index/news_and_info/Velotech_Scheibenbremse_Test.download.-Par30parsys-0010-downloadFile.html/Pruefbericht%20XTR%20M988%20180.pdf
der machts genauso.
Aber im Grunde genommen ist dieses Wissen uninteressant, wir sind ja alles keine Fachleute und sollten uns deswegen auch gar nicht dazu

Danke Yukio für das aufschlussreiche Video der Bike-Redakteure.

Du hattest nach der Bremskraft gefragt.

So richtig zufrieden stellende Antworten habe ich erst nicht gefunden. Zum einen schreibt ein Verfasser in Technischer Mathematik für Kraftfahrzeugtechnik vom Bildungsverlag EINS nur „Die Pysikalische Bremskraft … ist so groß wie die Trägheitskraft des Fahrzeugs und wirkt dieser entgegen.“
Im Bremsenhandbuch von ATE (9. Auflage) schweigt man sich erst mal aus und bezeichnet die Bremskraft, als die Kraft, die man benötigt um ein Rad, das man in Drehung versetzt hat und dessen Umfang ein Gewicht befestigt ist, abzubremsen.

In Kraftfahrzeugtechnologie von Holland und Josenhans (2006) S. 440 steht zur Bremskraft nachzulesen:“ Die Bremskraft an allen vier Rädern ergibt die Gesamtbremskraft FB des Fahrzeugs. Die Bremskraft am Reifenumfang wird durch die Bremskraft in der Radbremse erzeugt. Beide Kräfte erzeugen
ein Drehmoment am Rad, die Beträge der Drehmomente stehen im Gleichgewicht.


Wird das Moment aus (FBT oder FBS)·rw größer als das Moment aus FBR·rdyn , blockiert das Rad. Dabei können keine Seitenkräfte erzeugt werden, sodass das Fahrzeug nicht in der Spur bleibt. und für den Fahrer schwer zu beherrschen ist. In den meisten Fällen wird sich der Bremsweg verlängern. Bei hydraulischen Bremsanlagen wird die Bremskraft an der Trommel oder Scheibe meist durch das Zusammenwirken von vier Teilsystemen erzeugt (Tabelle 26.1).

Beim Bike entfällt das Teilsystem 2, da üblicherweise nicht vorhanden.
Hydraulische Kraftübertragung. Sie beruht auf dem Pascal’schen Gesetz.
Während des Bremsvorganges wird die Fußkraft auf den Kolben des Hauptzylinders (Geberzylinder) übertragen. Seine Kolbenfläche erzeugt einen Flüssigkeitsdruck im geschlossenen Leitungssystem, der sich gleichmäßig ausbreitet.
Dieser Druck wirkt dann auf alle Kolben der Radzylinder (Nehmerzylinder) in der Trommel- oder Scheibenbremse, die die jeweilige Spannkraft an der Bremse erzeugen. Die zur Druckübertragung eingesetzte Bremsflüssigkeit ist praktisch inkompressibel, obwohl von ihr kurzzeitig Drücke von annähernd 200 bar aufgenommen werden müssen“.

Nichts gefunden habe ich zur Bremskraft am Bremssattel, denn dort bringt sie auch nichts.
Schaut man sich das linke Bildchen an, so erklärt es, dass mit wachsendem Bremsscheibendurchmesser die Bremskraft am Reifen zunimmt (auch wenn dies jemand aus dem Forum nicht akzeptieren möchte.)

Entscheidend ist für mich die Bremskraft am Reifen in Verbindung mit der Reibungszahl η, in diesem Zusammenhang gern mit η = Bremskraftbeiwert bezeichnet.
Nochmal zusammengefasst:
Die Bremskraft FBR ist abhängig von der Masse des Fahrzeugs und seiner Beladung ... und dem Bremskraftbeiwert ηB . Der Bremskraftbeiwert ist wiederum abhängig von:

  • Fahrbahnoberfläche (Beton, Asphalt, Schotter…)
  • Fahrbahnzustand (Trocken, nass, Schnee …)
  • Reifenzustand (Profiltiefe, Negativanteil…)
  • Reifenkonstruktion (Gummimischung, Diagonalreifen…)
  • Bremsschlupf λ ( Die Abrollgeschwindigkeit des Rades ist beim Bremsen durch Gleitvorgänge im Reifen und in der Reifenaufstandsfläche kleiner als die tatsächliche Fahrgeschwindigkeit)
Meist rechnet man mit einem Reibbeiwert von um die 0,8.
Yukio hatte ein Video mit unterschiedlichen Bremswegen von BMW und Formelfahrzeug eingestellt und nach einer Erklärung für die unterschiedlichen Bremswege gesucht. Außer der geringeren Masse des Formelfahrzeugs, das eine recht große Reifenaufstandsfläche hat (breite und hohe Reifen mit fast keinem Profilnegativanteil – Slicks - , die mit sehr wenig Luftdruck gefahren auch verformbar sind), Carbonbremsen im Gegensatz zu Stahl und vor allem der viel höhere Reibbeiwert der Reifen, der größer als 2,0 angenommen werden kann, mögen dies erklären.
 

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Re: Vor- und Nachteile größerer Bremsscheiben.
ja aber die statische verteilung der punkte wo es haftet ist unterschiedlich. wenn du viel fläche hast, ist die chance größer das es auf die fläche auch optimalen grip findet. außerdem ist die kraft die den gummi abschert geringer. bei größerer fläche kann der gummi auch mehr kraft übertragen. was nützt dir eine kleine fläche wenn der gummi in fetzen runter raspelt.
 
Ich möchte mal eine andere Art der Betrachtung aufzeigen, weshalb größere Bremsscheiben eine größere Verzögerung des Bikes bewirken als kleinere Scheiben. Dabei sollen jetzt mal Materialunterschiede von Scheiben und Bremsbelägen (Reibwerte) idealisiert und als gleich bewertet sein. Ebenso sollen auch die Pressdrücke der Bremskolben gegen die Scheiben als jeweils gleich angenommen werden.

Also:
Ich meine, man kann die Bremsscheibe auch als eine Art rotierenden Hebel gegen die Rotationskräfte der Radnabe/des Laufrades betrachten. Und zwar je größer der Abstand des Reibrings der Scheibe zum Zentrum der Nabe (Punkt 0) ist, um so größer ist die Verzögerungskraft der schleifenden Bremsbeläge gegen die Rotationskraft der drehenden Nabe oder auch der Bewegungsenergie des ganzen Bikes, übertragen auf die Laufräder.

Nach dem Hebelgesetz erbringt ein längerer Hebel mehr Kraft. Folglich ist dann auch die resultierende Bremskraft aufgrund des größeren Abstands einer größeren Bremsscheibe zum 'Punkt 0' größer als die einer kleinen Scheibe.

Durch eine größere Scheibe verbessert sich zwar auch die 'Standfestigkeit' der Bremse durch die daraus resultierende verbesserte Wärmeableitung (mehr Fläche, mehr Masse), hat aber nicht direkt etwas zu tun mit der Bremskraft gegen die rotierende Radnabe.

Aus dem gleichen Grund haben übrigens Felgenbremsen an größeren Laufrädern eine bessere Bremswirkung als an kleineren Laufrädern (28" gegen 26"). Weil auch hier der Abstand zum Zentrum der Radnabe und damit der Hebel länger ist.

Was meint ihr dazu?
In mathematischen Formeln möchte ich das jetzt nicht definieren, weil da mehrere Systeme ineinander eingreifen und das ganze zu theoretisch wird.
 
Ursprünglich ging's doch darum, was eine größere Bremsscheibe bewirkt, und nicht um die Änderung der Presskraft der Beläge durch Erhöhung der Handkraft, oder?

Aber OK, ich gebe zu, die ganzen Seiten vorher nicht gelesen zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
So richtig zufrieden stellende Antworten habe ich erst nicht gefunden.
Ich bin mittlerweile zu der Einstellung gelangt, dass es die auch nicht gibt. Im Dubbel wird die Bremskraft nicht eindeutig definiert, ergo, gibt es auch keine eindeutige Definition. Neben den 14 anderen Fundstellen dort, habe ich auch diese gefunden
dubbel.jpg


In der Physik wird auch ausgeführt, dass die Bremskraft am Schwerpunkt eines Systems angreift. Allerdings wird auch ausgeführt, dass die Haftreibungskraft gleich der Bremskraft ist.

Schlimmer wird es wenn man weiß, dass Schlupf ein Begriff aus der Elektrotechnik ist und den beschriebenen Vorgang auf Elektromotoren bezieht.

Und warum Formel 1 Rennwagen so gut bremsen liegt an den Carbon-Carbon-Composit Bremsscheiben, die einen überdurchschnittlich hohen Reibungskoeffizienten von 0,6 haben sollen. Daher werden negative Beschleunigungen nicht wie beim normalen Pkw von max. 1 g erreicht, sondern von 5 g. Rest spielt natürlich auch eine Rolle.
Was meint ihr dazu?

Es müsste eher so beschrieben werden:
Durch die über die Bremsbeläge verursachte Reibung auf die Bremsscheibe, die dadurch entsprechend bewirkte Verringerung der Drehzahl, wird ein dem Drehmoment des Rades durch seine Bewegung in eine Richtung (aus der Translationsgeschwindigkeit) ein entgegensetztes Drehmoment, eben entgegen dieser Richtung, eingeleitet. Dieses entgegengesetzte Drehmoment wird über die Speichen, Felgen und Reifen auf den Untergrund übertragen und bewirkt aufgrund der Haftreibungskraft eine negative Beschleunigung entgegen der Umfangsgeschwindigkeit (oder auch negative Winkelbeschleunigung) des Rades. Und die Haftreibungskraft ist gleich der Bremskraft.

Und dann? Haben wird über diese Drehmomente auch die Einwirkung unterschiedlich großer Bremsscheiben geklärt. Und wer jetzt noch sagt, dass Bremskraft falsch ist, muss genaue Definitionen mit Quellenangaben liefern. Alles andere ist Quark.
 
@dirtytrack: das was du schreibst ist gleichwertig mit ∫Fds mit ds=rd∂ also dem Kreisintegral über die Grenzen 0 bis n*2Pi mit n für eine beliebige, feste Anzahl der Raddrehungen und F als beliebiger, fester Bremskraft. Insofern ist ersichtlich dass die Arbeit mit dem Radius steigt und wenn man ∫Fds/dt ableitet dann hat man auch eine höhere Leistung. Soweit klar, aber das verändert eben nicht Fb, nur die am Rad.

@yukio: genau die stelle hab ich auch gefunden, darum hätte ich wegen der Übereinstimmung mit der Defnition im von dir geposteten Bremsenhandbuch (wo Fb an der Scheibe durch den Bremssattel angreift) gedacht, das wär immer so...
 
Es müsste eher so beschrieben werden:
Durch die über die Bremsbeläge verursachte Reibung auf die Bremsscheibe, die dadurch entsprechend bewirkte Verringerung der Drehzahl, wird ein dem Drehmoment des Rades durch seine Bewegung in eine Richtung (aus der Translationsgeschwindigkeit) ein entgegensetztes Drehmoment, eben entgegen dieser Richtung, eingeleitet. Dieses entgegengesetzte Drehmoment wird über die Speichen, Felgen und Reifen auf den Untergrund übertragen und bewirkt aufgrund der Haftreibungskraft eine negative Beschleunigung entgegen der Umfangsgeschwindigkeit (oder auch negative Winkelbeschleunigung) des Rades. Und die Haftreibungskraft ist gleich der Bremskraft.

Und dann? Haben wird über diese Drehmomente auch die Einwirkung unterschiedlich großer Bremsscheiben geklärt.
Diese Definition ist zwar für sich sehr gut, aber arbeitet nicht wirklich zielgerichtet genau die Einwirkung unterschiedlich großer Bremsscheiben heraus.
 
@yukio: genau die stelle hab ich auch gefunden, darum hätte ich wegen der Übereinstimmung mit der Defnition im von dir geposteten Bremsenhandbuch (wo Fb an der Scheibe durch den Bremssattel angreift) gedacht, das wär immer so...

Gerade eben nicht. Du kannst dir über Google sämtliche Fundstellen im Dubbel zu Bremskraft anzeigen lassen. Das wird mal so oder auch anders gebraucht. Und in den Standard-Nachschlagwerken der Physik gibt es den Begriff Bremskraft mal gar nicht. Ich habe ihn erst mal nur bei Michael Gressmann gefunden.
Diese Definition ist zwar für sich sehr gut, aber arbeitet nicht wirklich zielgerichtet genau die Einwirkung unterschiedlich großer Bremsscheiben heraus.

Ich meine, das ist selbsterklärend.
 
jein, die erklärung geht übers momentengleichgewicht und ist damit eindeutig. Ich find die mathematische definition aber einfacher weil kürzer
Du sagst selbst Jein und sprichst im selben Satz von 'eindeutig'.
Das ist genau das, was ich meinte mit 'Juristerei im Kleingedruckten'.

Yukio muss doch das richtig gemeinte nicht in komplex klingenden Formulierungen verstecken, wenn es gut ist, oder?
 
Das kommt mir jetzt so ein bischen vor wie Juristerei im Kleingedruckten. Deine Definition beschreibt die Zusammenhänge beim Bremsen, aber arbeitet nicht konkret heraus oder veschleiert sogar, was die Konsequenz einer Bremsscheibenvergrößerung wäre.

Na ja, die Erklärung ist eigentlich noch zu kompliziert. Aber der Drehmoment ist eine physikalische Größe mit einer sehr eindeutigen Definition:
"Der Betrag des Drehmomentes ist der Betrag der Kraft multipliziert mit dem senkrechten Abstand des Drehpunktes von der Wirkungslinie der Kraft, dem sogenannten Hebelarm."
Alfred Recknagel: Physik - Mechanik, Verlag Technik, Berlin, 1955, S.182
 
@Yukio
Na ja, ist in der Tat eigentlich noch zu kompliziert, weil es nicht ausreichend auf den konkreten Fall der Änderung der Bremsscheibengröße eingeht.

Man kann sich eben nur selbst eine Antwort aus Deinem Satz ableiten, was leider immer eine fehlerhafte Interpretation möglich macht, die sich in anderen Fällen auch mal sehr nachteilig auswirken könnte.
 
Sorry, ich meinte das nur so ganz allgemein.

Durch unklare Formulierungen und Herumeiern kommt es im Leben immer wieder zu Irrläufern und Missverständnissen aller Art, die oftmals dann wieder mit einem Riesenaufwand ausgeräumt werden müssen.
 
Darum finde ich die mathematische Formulierung einfacher,

Um die Worte eines großen Physikers zu zitieren:
"Man hat mir gesagt, dass jede Gleichung im Buch die Verkaufszahlen halbiert."
Stephen W. Hawking, 20.Oktober 1987, Eine kurze Geschichte der Zeit.

Belassen wir es doch einfach dabei, dass eine ad hoc Erklärung auch eines an sich einfachen Sachverhalts sehr schwierig sein kann.
 
Aus dem gleichen Grund haben übrigens Felgenbremsen an größeren Laufrädern eine bessere Bremswirkung als an kleineren Laufrädern (28" gegen 26"). Weil auch hier der Abstand zum Zentrum der Radnabe und damit der Hebel länger ist.

Was meint ihr dazu?

Falsch.
Auch die Kraft, die (das zu bremsende Rad) antreibt, greift bei 28 Zoll weiter entfernt von der Nabe und kann ebenfalls einen längeren Hebel nutzen.
Somit gleicht sich das weitgehend aus.


Aber es ging ja ursprünglich um Scheibengröße.....
 
Belassen wir es doch einfach dabei, dass eine ad hoc Erklärung auch eines an sich einfachen Sachverhalts sehr schwierig sein kann.
Kann ich mit leben:p

Man hat mir gesagt, dass jede Gleichung im Buch die Verkaufszahlen halbiert.
Hmm, ich hab fast nur solche...

@dirtytrack: So und jetzt kommt mein ∫Fds:
Die Reibarbeit bei gleicher gefahrener Strecke bleibt bei Felgenbremsen nahezu gleich, also verändert sich nichts mit der Größe des Laufrades.
 
Ups, das verstehe ich jetzt nicht.

Verhält es sich bei Felgenbremsen und Laufradgrößenänderung nicht exakt genauso wie bei Bremsscheibengrößenänderung an Scheibenbremsen?

Die Größe der Felge stellt doch hier die Größe der 'Bremsscheibe' dar. Den Umterschied bemerkt man wahrscheinlich nicht, weil es nicht möglich ist, auf einem 28er Rad ein 26er Laufrad zu montieren.
 
Nein. Ich versuche es mal auszuschreiben:

Wenn sich das rad einmal dreht, wirkt beim Bremsen eine Kraft entlang einer Strecke, die abhängig ist vom durchmesser der Scheibe. Im Grenzfall, das der Scheibenradius gleich dem Radradius ist (also in guter Näherung eine Felgenbremse) ist die überstrichene Strecke gleich der Abrollstrecke. Das gilt unabhängig vom Radius des Rades. Klar geworden?
 
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