Das Betretungsrecht hat in mancherlei Hinsicht auch ganz praktische Aspekte. Vieles was erst in neueren Studien wissenschaftlich belegt wurde, hatte der bayerische Gesetzgeber bereits im Naturschutzgesetz 1973 berücksichtigt. Entsprechend modern und weitsichtig muten daher auch manche Ausführungen in der Bekanntmachung des Ministeriums aus dem Jahr 1976 an. Tatsächlich waren die Regelungen auch damals schon vernünftig und haben seither an ihrer Aktualität nichts verloren. Einige Beispiele:
Zur Verkehrssicherungspflicht
Die Ausübung des Rechts auf Naturgenuss und Erholung erfolgt grundsätzlich auf eige-
ne Gefahr und begründet weder für den Staat noch für die betroffenen Grundeigentümer
oder sonstigen Berechtigten eine Haftung oder bestimmte Sorgfaltspflichten (vgl. Art. 27
Abs. 3).
Nachdem zwei von der ständigen Rechtsprechung abweichende Urteile für eine große Verunsicherung unter den Waldbesitzern sorgten, bestätigte der Bundesverwaltungsgerichtshof in seinem vielbeachteten Urteil vom 02.10.2012 - Az. VI ZR 311/11 die gesetzliche Haftungsbeschränkung für die Erholung in der freien Natur, wie sie bereits seit 1973 in Bayern festgeschrieben ist.
Zum Grundsatz der Gemeinverträglichkeit
Dieser Grundsatz ist besonders bei der Ausübung sportlicher Betätigungen zu beachten;
vor allem auf Flächen mit starkem Erholungsverkehr können sich daraus Beschränkungen
sportlicher Betätigung ergeben (z. B. bei Ballspielen an einem Badestrand oder auf Liege-
wiesen, beim Reiten auf viel begangenen Wegen).
Das Ministerium ist im Bezug auf einen starken Erholungsverkehr nur auf Reiter eingegangen. Dies entspricht den Ausführungen der Rupprecht Consult Forschung und Beratung GmbH im Merkblatt
RADFAHRER und FUSSGÄNGER:
Empirische Studien zeigen, dass Radfahrer dazu neigen, ihr Verhalten anzupassen.
Auch wurde beobachtet, dass Fußgänger durch Radfahrer weniger behindert werden als
umgekehrt: Es sind die Radfahrer, die flexibel sein müssen. Radfahrer verringern ihre
Geschwindigkeit und versuchen bei hoher Fußgängerdichte ein Zusammentreffen auf
andere Weise zu verhindern. Erhebungen zeigen, dass sie sich unvorhersehbarer
Bewegungen, insbesondere bei unbeaufsichtigten kleinen Kindern, sehr bewusst sind.
Ängste vor einem allgemein rücksichtslosen Verhalten der Radfahrer sind unbegründet.
und
In der Praxis reguliert sich der Fahrradverkehr in hohem Maße selbst. Macht die
Fussgängerdichte das Radfahren zu schwierig, benutzen Radfahrer alternative Routen. Die
Angst, dass Fussgänger von der Masse an Radfahrern bedrängt werden könnten, ist
ebenfalls unbegründet.
Entsprechend sieht das Ministerium auch keine Notwendigkeit zur räumlichen Trennung von Fußgängern und Radfahrern.
Die Behörde hat auf diesen Grundsatz insbesondere Rücksicht zu nehmen, wenn sie nach
Art. 26 Anordnungen zur Regelung des Erholungsverkehrs trifft. Dies kann beispielsweise
zu einer räumlichen Trennung von Fußgängern und Reitern führen, wenn infolge einer star-
ken Beanspruchung von Wegen durch Reiter Wanderer unzumutbar behindert würden.
Der Hinweis auf die starke Beanspruchung von Wegen durch Reiter, stellt dabei allerdings mehr auf Wegeschäden ab.
Die Möglichkeit relevanter Wegeschäden durch Reiter ist unbestritten. Unzumutbare Wegeschäden im Sinne des Betretungsrechts sind durch Radfahrer allerdings nicht zu erwarten, wie auch Thomas Wöhrstein in
Mountainbike und Umwelt 1998 feststellte:
Das durchschnittliche mechanische Einwirkungspotential eines defensiv fahrenden Mountainbikers auf Wegeoberflächen entspricht etwa dem eines Fußgängers. WlNTERLlNG berichtet in Anlehnung an ein Gespräch mit einem Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Freiburg i.Br., daß im Gebiet des Feldberges im Schwarzwald „... die bisher festgestellten Erosionsschäden durch Radfahrer als minimal und im Verhältnis zu Wanderern als geringfügig zu bezeichnen sind.“ Damit sei auch ein Befahren schmaler Wege aus ökologischer Sicht unproblematisch. Der Anteil der “quasi-natürlichen“ Erosionsvorgänge auf Wegen ohne Einfluß der Wegenutzer beträgt rund 65%.“ Der relative Anteil der Mountainbiker an Erosionsvorgängen auf Wegen ist daher als gering zu bezeichnen.
Zur Natur- und Eigentümerverträglichkeit
Bezüglich behördlicher Einschränkungen in Verordnungen kam das Ministerium 1976 schon zum selben Schluss wie Wöhrstein 1998:
Für Rechtsverordnungen schreibt Art. 47 Abs. 3 die sinngemäße Anwendung des Art.
47 Abs. 2 Satz 1 vor. Das bedeutet, dass die Beschränkungen in der Natur in geeig-
neter Weise kenntlich gemacht werden sollen. Dies wird regelmäßig die Aufstellung
von Hinweistafeln erfordern, auf denen die Art der Beschränkung, möglichst auch der
Grund hierfür und die für die Beschränkung verantwortliche Behörde anzugeben sind
(z. B. mit folgendem Text: „Betreten nur auf gekennzeichneten Wegen. Schutz wertvol-
ler Pflanzenbestände. Landratsamt ..." oder „Wege nur für Fußgänger und Radfahrer,
nicht für Reiter. Empfindliche Bodendecke. Landratsamt ...“).