Die aktuelle Situation ist halt sehr komplex und entsprechend wichtig ist daher, dass wir Mountainbiker umfassend informiert sind und alle berechtigten Interessen im Blick haben, um unsere Rechte wahrzunehmen aber auch unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Genau heute vor einem Jahr hatte ich meine am
31.07.2020 angekündigte und am
01.08.2020 gestartete Beitragsserie mit nachfolgendem Schlusswort beendet und es ist leider immer noch aktuell:
6.5 Schlusswort
Auf die Frage, ob es seiner Ansicht nach eine besondere bayerische Mentalität gäbe antwortete der damalige Botschafter Bayerns in Ungarn, Gabriel A. Brennauer im Interview der Süddeutschen Zeitung vom 28. April 2009:
Ja. "Leben und leben lassen", verbunden mit "Mir san mir - und wea ko dea ko".
Genau diese Bayerische Mentalität findet sich für
alle Erholungsuchenden im Teil 6 des Bayerischen Naturschutzgesetzes wieder und berücksichtigt dabei auch die berechtigten Interessen der Grundstückseigentümer und der Natur. Das bayerische Grundrecht auf Erholung in der freien Natur aus Art. 141 Abs. 3 BV findet seine Grenzen im Respekt gegenüber der Natur, den Eigentümern und den anderen Erholungsuchenden und evtl. noch im eigenen Können. Dies konkretisiert das Bayerische Naturschutzgesetz.
Der Ausspruch „Wer ko, der ko!“ geht auf Franz Xaver Krenkl zurück. Krenkl hatte es gewagt im Englischen Garten die Kutsche des Kronprinzen und späteren König Ludwig I. mit einem eigenen Gespann zu überholen. Dies war jedoch bei Strafe verboten, da niemand bessere Pferde haben durfte als der Herrscher. Krenkl, der erfolgreiche Pferdehändler und 14-fache Rennmeister des Oktoberfestrennens in München, sah dies jedoch nicht ein. Auf den Zuruf des Prinzen, ob er denn nicht wisse, dass das Überholen verboten sei, antworte Krenkl nur schneidig: „Majestät, wer ko, der ko!“
In Deutschland wurde ein Recht zum Betreten des Waldes durch die Allgemeinheit erstmals in einem Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit aufgenommen, das 1922 in Preußen erlassen, aber nur im Bereich der Stadt Berlin und im Gebiet des Ruhrkohlensiedlungsverbandes Bedeutung erlangte. Bayern verankerte ein Betretungsrecht in seiner Verfassung von 1946. Allerdings war das Betreten fremden Waldes vielfach schon seit langem - besonders im südlichen Teil von Deutschland - als Gewohnheitsrecht ausgeübt und von allen Waldbesitzkategorien toleriert worden. In Bayern haben die Eigentümer aller Waldeigentumskategorien zumindest seit dem
19. Jahrhundert darauf verzichtet, die Bevölkerung vom Betreten des Waldes auszuschließen.1
Man kann daher festhalten, dass sich die bayerischen Waldeigentümer immer schon der Sozialbindung ihres Eigentums bewusst waren und dieser ungeachtet der rechtlichen Rahmenbedingungen nachgekommen sind.
Der historisch herausragende Verdienst, den die bayerischen Waldbesitzer für das Allgemeinwohl durch die Öffnung der Wälder für die erholungsuchende Bevölkerung geleistet haben, wird besonders im Vergleich zum Nachbarland Österreich deutlich und bewusst, wo das Reichsforstgesetz von 1852 das Betreten des Waldes abseits öffentlicher Wege, sowie das Sammeln von Beeren, Pilzen und Klaubholz etc., als Waldfrevel definierte und es unter Strafe stellte. Das Forstpersonal war sogar verpflichtet, die Menschen aus dem Wald zu weisen. Dieses Gesetz war bis zu seiner Reform 1975 gültig.2
Insoweit ist die mit dem Begriff des „geeigneten Weges“ verbundene feudale Verbotskultur, die auf das gegenständliche Urteil vom 17.01.1983 zurückgeht, dem Bayern wesensfremd und lag den historischen bayerischen Verfassungs- und Gesetzgebern fern, so dass diese Arbeit insbesondere Wilhelm Hoegner, der als „Vater der Bayerischen Verfassung“ gilt, gewidmet ist.
Letztlich wird man sich wohl noch solange mit Eigenschaften von Wegen beschäftigen müssen, bis der tatsächliche Regelungsgehalt der Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes wieder zum Vorschein kommt und die ihnen innewohnende Rechtsklarheit wieder zu Rechtssicherheit und Rechtsfrieden führt.
1 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, MITTEILUNGEN ÜBER LANDWIRTSCHAFT Forstwirtschaftliche Probleme und deren Auswirkungen auf die Umwelt in den Mitgliedstaaten der EG II. ÖFFNUNG DES WALDES FÜR DIE ALLGEMEINHEIT UND SEINE NUTZUNG ALS ERHOLUNGSRAUM, Nr. 31. Mai 1977
2
http://www.martinballuch.com/der-kampf-um-die-wegefreiheit-in-osterreich/
P.S.: Eigentlich sollte sich ganz Bayern für die großartige Errungenschaft des garantierten Betretungsrechts aus
Art. 141 Abs. 3 der Bayerischen Verfassung für das Land, die Bevölkerung und letztlich auch der Wirtschaft feiern. Dass man sich hier in der Natur, im Wald oder einfach nur draußen meist frei bewegen kann, ist der weisen Voraussicht des Verfassungsgebers und von dessen Geist beseelten Landtagsplenum zu verdanken, das mit dem Bayerischen Naturschutzgesetz den von der Verfassung vorgegebenen Rahmen einfachrechtlich umsetzte.
Inzwischen geht leider nicht nur, wie dargestellt, der tatsächliche Regelungsgehalt des Bayerischen Naturschutzgesetzes und mit ihm auch die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden immer mehr verloren, sondern auch der dem Grundrecht zugrunde liegende Geist. Es wäre daher an der Zeit diesen Geist zu erneuern, Erholungsuchende, aber auch Eigentümer und den Staat an ihre Verantwortung zu erinnern die jeweiligen Rechte das anderen zu respektieren und nicht nur auf dessen vermeintliche Pflichten hinzuweisen.
An einer umfassenden Information und Aufklärung über die Rechtslage und natur- und sozialverträglichem Verhalten sollte daher im Sinne des Gemeinwohls (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 2 und Art. 151 Abs. 1 BV sowie Art. 141 BV) allen gelegen sein.