Das Video ist jetzt hier schon mehrfach verlinkt worden und wird von den Kritikern der neuen Schaltungen irgendwie gefeiert. Mal abgesehen davon, dass ich es merkwürdig finde, dass einige hier offenbar ohne ihn zu kennen irgendeinem YouTuber mit Maschinenbau-Abschluss mehr Sachverstand zutrauen, als der ganzen Entwicklungsabteilung von SRAM zusammen - also jemandem, der noch die eine Schaltgruppe konzipiert hat, mehr Glauben schenken, als der ganzen Mannschaft eines der weltgrößten Schaltungshersteller...
Abgesehen davon also fallen selbst mir, der zugegebenermaßen keine Ahnung von der Materie hat, einige Ungereimtheiten im Video auf:
- Er arbeitet sich lange an der nicht mehr zu kontrollierenden und nicht mehr zu korrigierenden Ausrichtung des Schaltwerks in Relation zu den Dropouts ab. So wie ich SRAM verstanden habe, bietet das neue System aber den entscheidenden Vorteil, dass es darum gar nicht mehr geht. Stattdessen ist das Schaltwerk durch die neue, schaltaugenfreie und konzentrische Konstruktion immer absolut perfekt zur Kassette ausgerichtet, was höchste Präzision beim Schalten erst ermöglicht.
- Wie viele andere auch behauptet er, dass kapitale Beschädigungen am Rahmen mit dem neuen System deutlich wahrscheinlicher würden, weil auf das Schaltwerk wirkende Kräfte direkt in den Rahmen eingeleitet würden und Schäden im Layup auftreten könnten. Das blendet aber völlig aus, dass das die Kräfte zuallererst auf die Achse wirken und der Treffpunkt von Achse, Ketten- und Sitzstreben wahrscheinlich zu den stabilsten Punkten am ganzen Rahmen gehört. Mich würde zudem mal interessieren, ob die Lastspitzen dort bei einem Schlag auf das Schaltwerk tatsächlich höher sind, als die im normalen Fahrbetrieb durch das Laufrad ohnehin auf diesen Punkt einwirkenden Kräfte.
- Er behauptet, dass die kleine gezahnte Unterlegscheibe, die am UDH-Interface zwischen dem inneren Befestigungspunkt des Schaltwerks und dem Ausfallende verbaut wird, sich schnell ins Carbon fressen würde, weil sie bei jedem Lösen und wieder Befestigen der Achse eine minimal andere Position einnehmen würde. Das stimmt schlichtweg nicht: Das Schaltwerk wird am UDH-Inerface mit 35nm festgezogen, somit ist diese Unterlegscheibe auch fix. Die Achse kann man heraus- und wieder reinschrauben, ohne dass sich hier etwas auch nur um ein Mü verschiebt. Die Unterlegscheibe bewegt sich erst dann, wenn man das Schaltwerk vom UDH-Interface löst.
- Daran anschließend behauptet er, die Schaltqualität würde sich über kurz oder lang verschlechtern, weil sich mit dem o.g. genannten Materialabrieb am Carbon-Ausfallende die Position des Schaltwerks verändern würde. Aber selbst wenn es Materialabrieb am Carbon-Ausfallende gäbe, wäre das für die Schaltqualität doch total egal, weil die Position des Schaltwerks in Relation zur Kassette absolut gleich bliebe.
- Er kritisiert, dass sich die Kunststoff-Buchse im UDH-Interface sich durch Bewegung abnutzen würde. Das ist grundsätzlich sicherlich richtig. Allerdings bewegt sich die Buchse doch im Normalbetrieb überhaupt nicht?! Das Schaltwerk rotiert doch nur um diesen Punkt, wenn es von vorne einen Schlag bekommt und nach hinten ausweicht. Das müsste ja schon ziemlich oft passieren, damit die Buchse abgenutzt wird. Die Igus-Lager in meine Pedalachsen sind mir jetzt nicht gerade als empfindlich bekannt, aber wer weiß. Und selbst wenn: Die Buchse dürfte günstig zu tauschen sein. Ich habe an Eagle- und AXS-Schaltwerken schon die Befestigungsschrauben tauschen müssen, weil Gewinde oder oder Profil ausgelutscht waren - das kostete zwischen 12 und 20 Euro.
Wie gesagt, ich hab von der Materie keine Ahnung. Aber ich hab durchaus den Eindruck, dass seine Kritikpunkte alle dezent am Thema vorbei gehen.