Auch das Liteville ist zum Fahren da:
Habe jetzt meine 3. Litevillefahrt hinter mir. Ich bin sehr angetan von dem Radel. Was mir auffällt: Wenn man steil bergab fährt und Bremsspuren vermeiden will, dann scheint mit der Hinterbau nicht so die dolle Traktion zu liefern? Jedenfalls finde ich es schwieriger als z.B. mit dem Torque, das ich bis vor 2 Wochen gefahren bin. Kann keine direkte Gegenprobe machen.
Gruss
Lieber Thory, Dani und Lhafty,
habe bei meinem ersten Liteville auch vermutet dass auf Steilstücken das Hinterrad beim
Bremsen wegen den ca. 15mm weniger Sag eher radieren muss.
Und mir das erstmal "Lieschen-Müller-mässig" scheinbar ganz logisch ähnlich wie Dani erklärt:
"Das liegt möglicherweise daran, dass man mit dem Liteville am Hinterbau selbst sehr wenig Sag hat (zu Beginn des Federwegs kleines Ãbersetzungsverhältnis) und dass der Hinterbau beim Bremsen zusätzlich noch etwas ausfedert: So bist Du ab und zu am oberen Ende des Federwegs (Dämpfer ganz ausgefedert) und das Hinterrad kann nicht mehr in kleine und grössere Löcher ausfedern: Die Traktion leidet darunter." (Ende Zitat)
Nur: Die Federung tut das nicht die Bohne!
Der Grund: Das komplette Rad, also auch das Hinterrad, wird (federnd über die Beine und Arme) quasi auf den steinigen Trail vorgespannt. Und zwar über eine zwischen 50kg und 130kg starke âFederâ, nämlich der Erdanziehungskraft.
Das Entscheidende dabei:
Diese âFederâ ist praktisch unbedämpft, dass heisst sie drückt das Rad mit reaktionsschnellen 9,81 m/s2 in jede Vertiefung. Typischerweise schneller als die ja mit einer hydraulischen Zugstufendämpfung, sprich: Ausfahrbremse, versehene Hinterradfederung.
Anschaulicher Selbstversuch zur Schnelligkeit von 9,81 m/s2 Erdschwerebeschleunigung: Hängâ dich mit den Händen an eine Zimmertür, lass dich auf den Boden plumpsen und beobachte wie schnell sich deine Füsse dem Boden nähern. Dann kuck mal an deinem Rad wie schnell die Hinterradfederung ausfedert.
Technische Anmerkung: In den angesprochenen steilen, steinigen Trailstücken kann man hier die Massenträgheitseffekte im wesentlichen vernachlässigen.
Die z.B.100kg Masse des Fahrers, inkl. des gefederten 10kg-Anteils des Bikes, ist bei der hier typischen Geschwindigkeit von 10 km/h bis 40km/h einfach zu viel gering um eine ähnliche Betrachtung der Negativfederwegsauslegung zur Geländeverfolgung anzuraten wie bei z. B. einem 1.500kg schweren, 150 km/h schnellen Rallyeauto.
(Die Trägheit des Fleischklopses geht durch die federnde Verbindung über Beine/Arme zum Fahrrad bei den angenommenen âFallhöhenâ sowieso nur teilweise in die Berechnung ein).
Was man beim
Bremsen auf steilen Trails auf dem 301 spürt ist ganz einfach die etwas höhere resultierende Anfangs-Federrate, sprich: härtere Federung
des völlig ausgefederten Hinterrades.
Dieser kurze Anfangsbereich wird durch den perfekt bemessenen Sag des LV 301
bei belastetem Hinterrad immer âflachgebügeltâ, deshalb spricht er trotz fast schon legendärem Vortrieb selbst auf kleine Stösse so sensibel an.
Beim steil bergab
bremsen hebst Du das Hinterrad aber praktisch laufend an:
-Das vornüber geneigte Rad verlagert den Schwerpunkt des Fahrer/Bike-Systems nach vorne,
-das Brems (Dreh-)Moment stellt die Hinterradfederung zusätzlich leicht auf,
-durch die einsetzende Bremsverzögerung schiebt sich der Schwerpunkt durch die dynamische Radlastverlagerung noch viel weiter vor
â¦und Du fährst âVorderrad mit Auslegerâ.
Bremsmomente kann das Hinterrad in dieser Situation praktisch keine mehr übertragen und Du hörst jede kleine Veränderung der Reibungsverhältnisse zwischen Hinterradreifen und Boden. Und auch das etwas härtere Aufsetzen des LV-301 Hinterrades durch die 15mm weniger Sag.
Verlust an Fahrzeugkontrolle? Nicht im geringsten. Ich habe noch nie ein Rad gefahren mit dem man so fehlerverzeihend und zuverlässig voraussagbar gerade im steilsten Gelände seine Spur zieht wie mit meinem LV 301. Und das mir einen aktiven und damit sichereren Fahrstil so leicht macht!
Jeder der schon mal versucht hat eine Kiste zum Absprung aus dem Sag herauszuwuchten, oder ab und zu mit seinem Hardtail auf die BMX-Bahn geht, weiss wovon ich rede: Wennâs am Boden krass wird, istâs in der Luft deutlich ruhiger.
Den echt spürbaren Unterschied zu meinem vorher gefahrenen Sâ¦.. machte bei mir damals nach genauerem Hinsehen übrigens die neue, etwas bissigerere Oro HR-Bremse aus.
Und der, weil deutlich dicker, ursprünglich zu hart gepumpte NN-Hinterradreifen (Besserer Universaltip: Albert, Endurotip: Big Betty).
Abschliessend noch eine Bemerkung zum langen Bremsmoment-Artikel von Dani:
Beim steil bergab
bremsen überwiegt ganz deutlich die oben bereits erwähnte statische und dynamische Schwerpunktverlagerung. Kurz gesagt: Ein kräftiges Nicken. Ein Nicken das mit höherem Schwerpunkt (Tretlagerhöhe!), mehr Federweg, weicherer Feder, schwächerer Dämpfung und mehr Sag deutlich zunimmt.
Das im Artikel kritisierte Bremsaufstellmoment des Liteville 301 ist da von Anbeginn der 301er Baureihe gerade durch den echten 4-Gelenk Hinterbau und die sehr schön kontrollierte Kennlinie im Vergleich erfreulich gering. Und trotzdem im Grenzbereich, in den Fahrer wie z. B. Harald Philipp hineinfahren, noch störend.
Die gute Nachricht: Auch dieser Rest an Federungsverhärten ist bei dem seit April 2007 ausgelieferten, aktuellen Modell durch die Verlagerung von vier Kinematik-Drehpunkten drastisch reduziert ...bei gleichzeitig verlängertem Federweg!
Danke Michi.
Nächtliche Grüsse aus dem Süden