Hallo zusammen,
ich möchte Euch hier erklären weshalb nicht jeder Fahrer den vollen Hub eines Fahrwerks nutzen kann.
Achtung: Ich gehe hierbei von einem voll funktionsfähigem Dämpfer aus.
Die unterschiedlichen Bike-Modelle, egal von welchem Hersteller, haben auch unterschiedliche Kennlinien.
Um aus einer Kennlinie überhaupt etwas herauslesen zu können, müssen erstmal mindestens zwei wichtige Dinge bekannt sein.
Nämlich:
Auf welches Fahrergewicht ist das Fahrwerk (Dämpfer) eingestellt und wo befindet sich der Sag. (das Fahrwerk kann ja z.B. eher straff oder aber soft abgestimmt sein)
Um herauszufinden wo sich der Sag wirklich befindet, muss der Fahrer mitsamt Bike auf zwei Waagen gestellt werden (wobei hier nur das Gewicht der hinteren Waage zählt). Anschließend wird das gleiche noch mal ohne Fahrer gemessen. Danach das Gewicht ohne Fahrer vom Gewicht mit Fahrer abziehen. Das Ergebnis wird dann in die Kennlinie eingetragen. Somit wissen wir also schon mal wie viel Federweg wir im Sag haben.
Das Fahrergewicht (auf welches das Fahrwerk abgestimmt wurde) wird dann ca. x 2.5 genommen. Das ist die maximale Kraft die im normalen Fahrbetrieb auf das Fahrwerk wirkt. Dieser Punkt kann nun auch in die Kennlinie eingetragen werden. Somit wissen wir auch, wie viel Federweg wir max. nutzen könnten.
Beispiel:
Der Fahrer wiegt 90Kg. Der Sag ist (am Dämpfer) auf 10mm eingestellt. Die max. auftretende Kraft (im normalen Fahrbetrieb) beträgt 90Kg x 2.5 = 225Kg.
Steigt die Kurve höher an als die errechneten 225Kg, dann wird wohl kaum ein Fahrer den max. Federweg nutzen. Bei vielen Fahrwerken ist es allerdings sehr wohl so, dass der maximale Federweg niemals genutzt werden kann, weil die Kräfte die dazu erforderlich wären, vom Fahrer gar nicht aufgebracht werden können.
Beim Liteville 301 ist das allerdings nicht so. Man muss kein Downhill Profi sein um den vollen Federweg des Liteville 301 zu nutzen.
Warum nutzen dann nicht alle den max. Federweg an ihrem 301?
Zum einen, weil nicht alle im gleichen Gelände unterwegs sind, und zum andern, weil nicht alle gleich hart fahren. D.h., der eine fährt "nur" Forststrasse und leichtes Gelände, dem anderen kann das Gelände nicht extrem genug sein.
Das muss aber auch nicht heißen, dass derjenige der weniger Federweg nutzt, langsamer oder schlechter fährt.
Beispiel:
Zwei unterschiedliche Fahrer befahren eine Strecke mit identischem Bike und Sag, der eine Fahrer fährt weich und nutzt das Gelände, der andere hart und haltet einfach drauf. Beide Fahrer können gleich schnell sein, nutzen aber unterschiedlich viel Federweg.
Das könnt ihr auch ganz einfach ausprobieren. Überfahrt einen kleinen Sprung oder fahrt einen Bordstein hoch. Das ganze einmal starr im Sitzen und dann einmal aktiv im stehen. Versucht dabei (in der stehenden Variante) aktiv das Hindernis zu schlucken. Überprüft danach jedes Mal den Sag und ihr wird sehen, dass ihr bei gleichem Sag, gleicher Geschwindigkeit und gleichem Hindernis unterschiedlich viel Sag nutzt.
Jetzt könnte man sagen: Ich fahre mehr Sag um den vollen Federweg zu nutzen. Das wird auch immer wieder (u. a. von den Magazinen) so empfohlen, ist aber komplett falsch.
Der Sag kann zwar auf die persönlichen Vorlieben eingestellt werden und leicht variieren, es ist aber unmöglich dass jeder Fahrer immer den kompletten Federweg nutzt.
Warum?
Könnt ihr Euch vorstellen, dass Frau Müller (mit optimal eingestelltem Sag, zwischen 8-10mm), die ausschließlich Forstwege und vielleicht mal über ne Bordstein Kannte fährt, den vollen Federweg nutzt? Wohl kaum. Frau Müller wird max. den halben Dämpferhub, sagen wir einfach mal 25mm, nutzen.
Jetzt könnte Frau Müller natürlich so viel Sag fahren, dass sie trotzdem bis an das Ende des Dämpferhubs kommt. Aber würde sich das ganze für sie besser anfühlen?
Wohl kaum. Frau Müller müsste also 25mm Sag fahren um den vollen Hub des Dämpfers nach hinten zu nutzen. Effektiv nutzt sie aber dennoch nur 25mm Dämpferhub. Die ca. 15mm mehr Sag, also insgesamt 25mm Sag, spürt sie ja nicht.
Aber: Der größere Sag hat einen erheblichen Nachteil:
Ein Fahrwerk arbeitet nicht in jedem Bereich gleich effizient. Und der effizienteste Bereich ist eben im Bereichs des normalen Sag.
Ihr seht also, es ist nicht wirklich wichtig wie viel Federweg der einzelne nutzt. Viel wichtiger ist, dass der Sag passt, damit auch der Vortrieb stimmt.
Wenn einige hier dachten dass jeder Fahrer den vollen Federweg eines Bikes nutzten kann, dann hatten sie einfach eine falsche Vorstellung von Federungen. Die Fahrer sind einfach zu unterschiedlich, dass man sagen könnte jeder Fahrer kann den vollen Federweg eines Bikes nutzen.
Egal wie viel Dämpferhub ihr an Eurem Liteville 301 nutzt. Bis zu dem jeweiligen Hub (egal ob 30mm, 35mm, 40mm, 45mm oder 50mm) hat jeder Fahrer den gleichen Federungskomfort, bzw. fühlt sich die Federung für jeden Fahrer gleich an. Der eine nutzt z.B. aufgrund seiner härteren Fahrweise eben weniger und der andere eben mehr Federweg.
Übrigens: Aufgrund der flachen Kennlinie des Liteville 301 spielt es keine große Rolle ob das Bike mit 8mm oder mit 12mm Sag gefahren wird. Das mehr an Kraft, das gegen Ende des Federweges aufgrund des evtl. geringeren Sag erforderlich wird, erhöht sich nur minimal. Bei Fahrwerken mit steileren Kennlinien sieht das ganze anders aus. Je steiler die Kennlinie ist, desto genauer sollte der Sag eingestellt sein, damit der maximale Federweg genutzt werden kann.
Zum besseren Verständnis habe ich eine kleine Skizze einer Kennlinie angehängt.
Viele Grüße,
Michi Grätz