Der Deutsche Herbst
Kurz und Bündig:
Der Deutsche Herbst wird berechtigterweise auch als Höhepunkt des deutschen Terorismus bezeichnet. Gemeint sind der September und der Oktober 1977 in Westdeutschland welche geprägt waren durch die sogennante Offensive 77 der RAF (Rote Armee Fraktion , "Raff" gesprochen), welche drei groÃe terrostische Aktionen beinhaltete:
1. Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers
2. Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut"
3. Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF
Begriff:
Der Begriff ist dem Film "Deutschland im Herbst" (1978, Collage mehrerer Dokumentarfilme) entliehen, welcher auf kritische Weise die Reaktion des Staates auf den Terrorismus, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, betrachtet.
Verlauf:
5. September: Schleyer wird in Köln von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) entführt.(Hintergrund: Am 1. Januar hatte Schleyer zusätzlich zu seiner Funktion als BDA-Chef das Amt des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) übernommen. Damit galt er als mächtigster deutscher Wirtschaftspräsident der Nachkriegszeit.) Sein Fahrer und drei Sicherheitsbeamte werden erschossen. Die Entführer fordern die Freilassung von elf inhaftierten RAF-Terroristen, darunter Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe (1944-1977). Schleyer wird zunächst in einem Hochhaus in Erftstadt bei Köln versteckt und später in die Niederlande gebracht. Pannen bei der Fahndung verhindern die Festnahme der Entführer und die Befreiung Schleyers.
13. Oktober: Da die Regierung â anders als bei der Entführung von Peter Lorenz zwei Jahre zuvor â nicht zu einem Gefangenenaustausch bereit war, versuchten verbündete palästinensische Terroristen (PFLP) der RAF, den Druck durch die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" zu erhöhen. Nach einer Odyssee des Flugzeuges durch die arabische Welt und der Ermordung des Kapitäns Jürgen Schumann landeten die Terroristen auf dem Flughafen Mogadischus, der Hauptstadt des ostafrikanischen Somalia.
18. Oktober: Um 0:05 Uhr stürmte das GSG 9-Kommando unter Führung von Ulrich Wegener in der Operation "Feuerzauber" die in Mogadischu gelandete Landshut. Während der siebenminütigen Aktion wurden drei der vier Geiselnehmer getötet, lediglich Souhaila Andrawes überlebte. AuÃerdem wurden ein GSG 9-Mann sowie die Stewardess Gabriele Dillmann verletzt. Um 0:12 Uhr konnte der mitgereiste Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt den Abschluss der Aktion melden.
Als Reaktion darauf wurde Schleyer von seinen Entführern im belgisch-französischen Grenzgebiet erschossen.
Im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim hatte Raspe (Führungsmitglied der ersten Raf Generation) wahrscheinlich gegen 00.40 Uhr aus seinem Radio von der gelungenen Geiselbefreiung erfahren und dies an die anderen Gefangenen über die Wechselsprechanlage weitergegeben. Danach hatten alle vier verbliebenen Häftlinge versucht, sich umzubringen:
Gegen 7.40 Uhr schloss Justizobersekretär Gerhard Stoll Raspes Zelle auf. Drei weitere Kollegen waren dabei. Raspe saà mit ausgestreckten Beinen auf seinem Bett, mit dem Rücken lehnte er an der Wand. Er blutete aus Mund, Nase und Ohren und einer Schusswunde in der rechten Schläfe. Auf der Matratze lag eine Waffe. Raspe atmete zwar noch und wurde in das Robert-Bosch-Krankenhaus gebracht, starb aber gegen 9.40 Uhr. Gegen 7.50 Uhr öffneten die Beamten Baaders (Mitbegründer der RAF) Zelle. Er lag auf dem Rücken auf dem Boden in einer groÃen Blutlache. Baader war tot. 40 Zentimeter neben ihm lag eine Pistole. In Gudrun Ensslins (Mitbegründerin der RAF) Zelle entdeckten die Beamten unter einer Decke, mit der das Fenster verhängt war, zwei FüÃe. Sie hatte sich am Fensterkreuz mit einem Kabel erhängt. An dem gleichen Fenster hatte sich Ulrike Meinhof (Führungsmitglied der ersten Raf Generation) ein Jahr zuvor auf die gleiche Art das Leben genommen. Irmgard Möller (Führungsmitglied der ersten Raf Generation) lag gekrümmt auf ihrer Matratze. Sie hatte in der Herzgegend acht Stichverletzungen und war blutverschmiert, aber am Leben. Nach einer Notbehandlung vor Ort wurde sie ebenfalls ins Krankenhaus gebracht und überlebte.
19. Oktober: Der Leichnam Schleyers wird im elsässischen Mülhausen im Kofferraum eines Autos aufgefunden.
Gesellschaftliche Atmosphäre währenddessen des Deutschen Herbstes
Neben den beschriebenen Ereignissen steht der Begriff "Deutscher Herbst" auch für eine von vielen Medien (allen voran der "Bildzeitung" und anderer Publikationen des Axel Springer-Verlags) mit ausgelöste Art von politischer Hysterie in der bundesdeutschen Gesellschaft, der die Furcht vor weiteren linksterroristischen Anschlägen zugrunde lag. Viele auch nicht terroristische politisch links orientierte Gruppen und Einzelpersonen, die teilweise zu einer vernünftigeren Haltung mahnten und etwa nach den Ursachen des Terrorismus fragten, wobei auch Verantwortlichkeiten der Politik, der Wirtschaft und der Massenmedien kritisch hinterfragt wurden, wurden als angebliche Sympathisanten der Terroristen bezeichnet und häufig gesellschaftlich ausgegrenzt. Vereinzelt wurden entsprechende Personen mit in die staatliche Verfolgung einbezogen. Zeitweise wurden auch linke und linksliberale Intellektuelle wie z.B. der Schriftsteller Heinrich Böll zu dem sobezeichneten "Sympathisantensumpf " gerechnet. Böll hatte in seinem Roman "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" schon 1974 den entsprechenden Zeitgeist und die Rolle der Boulevardpresse als Vorreiterin einer Art moderner Hexenjagd gegen vermeintliche Terrorsympathisanten thematisiert. Der Roman wurde später von Volker Schlöndorff verfilmt. Schlöndorff gehörte neben anderen Regisseuren des "Frischen Deutschen Films " wie Rainer Werner Fassbinder u.a. zu den Machern des Films "Deutschland im Herbst ", der ebenso die Terrorismushysterie am Ende der 1970er Jahre künstlerisch-kritisch thematisierte.
Quellen:
www.deutscher_herbst.know-library.net
www.rafinfo.de