Blickführung im ruppigen Gelände

Hi,
habe es so gelernt, dass man ca 2-4 Sekunden weit vorausblickt.
auf skinnies versuche ich immer sehr weit gerade nach vorn zu blicken (sofern sie gerade verlaufen)

Unser Gehirn befindet sich etwa 2.5-3 Sekunden im JETZT. Länger her ist Vergangenheit, länger hin Zukunft. Das bewusste Handeln wird i.d.R. in diesem Zeitraum erdacht und die Ausführung begonnen. Löse ich innert dieser Zeit eine Stelle "gedanklich" indem ich mit bewusstem Können REagiere, stehen die Chancen gut, sie gemäß der erdachten Lösung ausführen zu können.

Imho ein Grund dafür, dass unbekannte, uneinsichtige, herausfordernde Strecken doppelt schwierig sind. Erstens: Mir bleibt nicht die Zeit im JETZT zu denken und zu handeln. Zweitens: Ich bewege auf dem schmalen Grat zwischen bewusstem Nicht-Können und bewusstem Können.

Da hilft mir nur Erfahrung, die mir ein unbewusstes Können bringt. Und eine innere Lockerheit, die sich aufs Äußere übertragen kann und mich resilienter/flexibler macht. Diese Lockerheit kann ich mit bewusstem priming trainieren.
 
Irgendwie hat das was vom Marshmallow-Test. :)


Für solche Fälle gibt es im Gehirn die Intuition. ich glaube ja auch, dass die DH-Pros eine Strecke gar nicht so wahr nehmen, wie wir, sondern quasi auf einer anderen Ebene. Müssen sie ja auch, wenn sie ungefähr doppelt bis dreimal so schnell sind. Sportler erzählen aber oft, dass sie diesen und jenen Augenblick sehr klar und bewusst wahrnehmen. Die verlängern eine 1/10 Sekunde im Gehirn vielleicht auf 2 Sekunden. :)

Was mir gestern auch aufgefallen ist: Das Problem ist eigentlich nicht mal, dass man nicht weit genug nach vorne sieht, sondern dass der Blick zu lange im Nahbereich hängen bleibt. Man müsste einfach diesen Augenblick schneller wieder nach vorne schauen.

Priming kenne ich nur aus der Marktforschung. Kannst du das vielleicht durch eine praktische Übung präzisieren.

Nachdem es mich unlängst beruflich ziemlich gestrauchelt hat, mache ich derzeit progressive Muskelrelaxation. Mir scheint, dass das auch beim Biken einiges bringt. Teilweise vielleicht sogar mehr als Yoga.
 
Auch wenn mir die entsprechende Fahrtechnik verschlossen bleibt. Eine Bemerkung
Was mir gestern auch aufgefallen ist: Das Problem ist eigentlich nicht mal, dass man nicht weit genug nach vorne sieht, sondern dass der Blick zu lange im Nahbereich hängen bleibt. Man müsste einfach diesen Augenblick schneller wieder nach vorne schauen.
Das ist die Technik des Springens mit dem Fokuspunkt, die sun909 erwähnt:
... ich suche mir bei Absturzgefahr oä immer Fixpunkte, die ich dann 1-2-3 abfahre. Das hilft dabei, den Abgrund oä auszublenden :)
Im Fokus / Fixierpunkt kann man Details sehr gut erfassen. Damit kann man die Linie beurteilen. Im peripheren Sehen kann man Bewegungen sehr gut beurteilen. Hier ist die zeitliche Auflösung etwa 100 Bilder/sek im Gegensatz zum fixierten (fovealen) Sehen, wo es etwa nur 3-4 Bilder /sek sind.
Man kann das gut testen. Beim Biken einfach mal nach vorn schauen, einen Punkt o.ä. fixieren und beschließen ihn exakt zu überfahren (oder einen Stein zu übefahren, eine Lücke zu treffen...). In dem Moment erfasst man den nächsten Fixpunkt. Der wir übrigens auch durch das periphere Sehen ausgesucht, um das nächste aufgefallene Objekt beurteilen zu können.
Man kann beim weiteren Fahren sehr präzis im unscharfen Peripheriebild den vorgesehenen Punkt wie geplant erreichen. Man gibt also durch den nächsten Blick weiter nach vorn keineswegs die Kontrolle über das Wegstück dorthin auf. Im Gegenteil, man nutzt die Sehfähigkeit optimal aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Tyrolens: Priming ist das Hervorrufen von bestimmten Assoziationen durch das (gezielte) Setzen von Reizen. Mit aktivem priming kann ich bewusst die Assoziation trainieren, dass wenn ich lächle, ich entspannter werde (ist ohnehin evolutorisch verknüpft). Mein priming ist eine Melodie, die ich nach Erfolgserlebnissen und vor schwierigen Situationen summe. Beispielsweise. Ähnlich zu autogenem Training, mit Parallelen zu progessiver Muskelrelaxation, finde auch daher die Beiträge in diesem Thread sehr hilfreich.

Genug der Püschologie, ich geh' fahren:winken:
 
Okay, verstanden.

Ja, Biken kommt dann am Abend (Sonnwend).


Ich glaube, ich werde mir mal eine optische Sportbrille kaufen. Vielleicht hilft das zusätzlich, obwohl mich das bisher nie gestört hatte. Gut, so stark ist meine Kurzsichtigkeit nicht. Beim Autofahren aber merk ich das (ohne Brille).
 
Im Fokus / Fixierpunkt kann man Details sehr gut erfassen. Damit kann man die Linie beurteilen. Im peripheren Sehen kann man Bewegungen sehr gut beurteilen. Hier ist die zeitliche Auflösung etwa 100 Bilder/sek im Gegensatz zum fixierten (fovealen) Sehen, wo es etwa nur 3-4 Bilder /sek sind.
Das ist genau der Punkt. Die Profis haben eben die Bewegungsabläufe so verinnerlicht, daß sie sich praktisch nur noch auf den Verlauf der Strecke konzentrieren müssen, und nicht auf die Beschaffenheit des Weges. Diese wird nur mehr über die Augenwinkel wahrgenommen.
Genau diese Automatismen so reinzubekommen, daß man überall ohne großartig zu analysieren reinfahren kann und sich praktisch auf jeder Strecke ein gewisser "Flow" einstellt, ist mMn das Schwierigste an der ganzen Bike-Geschichte. :D
Bis ich das also draufhabe, werde ich weiterhin meine Bremsen mehr als notwendig malträtieren müssen. ;)
 
An meiner persönlichen Marterstrecke stellt sich das jetzt so langsam ein. Es sind stellen jetzt sehr easy fahrbar, die vor ein paar Wochen noch geschoben wurden. Jetzt rolle ich halt drüber. Gut, hier war's die Übung. So sein sollte es aber auch auf unbekanntem Terrain.
 
Die Muster deiner "persönliche Marterstrecke" verinnerlichen (Schüsselstellen rauf/runter: abgehen-laufen-fahren)
Verschärft: auch bei Regen
)
Ähnliche Bilder/Muster erkennt man dann auf anderen Strecken und "die Bremse im Kopf" bleibt auf.
 
Bin schon 2x im Park gestürzt weil ich nicht geschaut habe wo das Vorderrad lang fährt d.h. nicht nur auf weit entfernte Dinge achten und auch nicht weniger schauen wenn man die Strecke schon zig mal gefahren ist
 
Bin schon 2x im Park gestürzt weil ich nicht geschaut habe wo das Vorderrad lang fährt d.h. nicht nur auf weit entfernte Dinge achten und auch nicht weniger schauen wenn man die Strecke schon zig mal gefahren ist
es geht doch gerade darum, schlüsselstellen möglichst früh zu erkennen. wenn du die vergessen hast, bis du sie erreicht hast, ist das ein ganz anderes problem.
und wenn du deinen blick richtung vorderrad fixierst, rate ich dir von geschwindigkeiten jenseits von 5km/h und skinnies ab.
 
Nein, die Stelle hatte ich schon erkannt und nicht vergessen, aber muss eben auch drauf schauen wo das Vorderrad entlang fährt. Hängt vielleicht auch davon ab das das Rad eine ganz andere Geometrie hatte und 20cm länger war vom Radstand. Es geht imho nicht darum nur entweder in die Ferne oder nur in den Nahbereich zu schauen sondern beides zu kombinieren.
 
Nein, die Stelle hatte ich schon erkannt und nicht vergessen, aber muss eben auch drauf schauen wo das Vorderrad entlang fährt. Hängt vielleicht auch davon ab das das Rad eine ganz andere Geometrie hatte und 20cm länger war vom Radstand. Es geht imho nicht darum nur entweder in die Ferne oder nur in den Nahbereich zu schauen sondern beides zu kombinieren.
ja natürlich. wenn ich eine enge stelle zwischen 2 grossen steinen ansteuern muss, schau ich auch ganz kurz, dass ich richtig einfädele... das ist ja auch "erlaubt" ;) bringt ja nix, wenn man nachm gate schon auf die ziellinie starrt :D
 
Der Punkt ist zb bei mir, dass der Blick dann immer ein bisschen zu lange auf die Schlüsselstelle fixiert bleibt.
 
Und kommt auch drauf an wie gut man die Strecke kennt.
Bin mal eine Steilkurve gefahren, kannte die Strecke nicht und war zu schnell. So das ich schon während der Steilkurve nach vorn guckte wo es überhaupt hingeht und während dessen bin ich mit dem Vorderrad schon über die Begrenzung geraten und bin dagelegen. Das sind halt so die Anfängerfehler.
 
Bin eh radikaler Konstruktivist. ;)

Ichmussmal zum Biken kommen. Die ganze Woche ging nix, aber heute geht's wieder los. :)
 
Hehe.
Ja, heute kurze Ausfahrt (2 Stunden). War gut, aber mit den paar Stunden Schlaf von heute war ich nicht sonderlich fit, vor allem mein Kopf nicht. Dennoch hat das mit dem in die Ferne schweifen ab und an ganz gut funktioniert. Besser gesagt, es gab so manchen Aha Effekt.
 
Ein kleines Update: Mir ist es nun gelungen, nach langem langem Üben einer bestimmten Strecke, diese quasi blind zu fahren. Dadurch muss ich nur mehr Orientierungspunkte anvisieren und der Rest läuft gewisser Maßen automatisch. Nicht nur, dass ich dadurch schneller fahren kann, es wird auch deutlich entspannter. Wenn man nicht alles sieht, wird auch das Angstbremsen weniger. Vorher habe ich zwar gewusst, dass Stelle XY voll geht, habe dann aber trotzdem instinktiv gebremst. Wenn das Gehirn aktuell nicht weiß, was gerade kommt, reagiert es offensichtlich gelassener. Man weiß ja, dass die Stelle voll geht. Aber Wissen und Handeln sind ja immer zwei paar Schuhe.
Auf schnellen Passagen visiere ich gefühlt Punkte 20 m entfernt an.

EDIT: Ist vielleicht ganz interessant: 20 m bei 20 km/h entspricht 3,6 Sekunden. Scanne ich bei 20 km/h die kommenden 4 m, entspricht das weniger als eine Sekunde. Beim Führerschein lernt man: Reaktionszeit = 1 Sekunde.
 
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