So, ich muss wohl mal berichten, was Stand der Dinge ist:
Der Formula-Service ist sehr freundlich und auch sehr schnell. Die
Bremsen wurden einen Tag nach Eingang schon wieder zu mir zurückgesandt. Auf der Garantierechnung stehen die Teile leider teilweise in italienisch. Soweit ich das aber sehen kann, wurden die Geberkolben und ein paar Kleinteile ausgetauscht.
Das Ergebnis ist allerdings nicht zufriedenstellend. Die
Bremsen zeigen jetzt zwar ein anderes, aber ebenso schlechtes Verhalten. Wobei Formula wohl nicht die alleinige "Schuld" trifft.
In der aktualisierten (PDF-) Anleitung ist explizit und ausschliesslich die Rede von DOT 4! Es gibt jetzt auch keine Empfehlung mehr für einen bestimmten Hersteller (vorher "Shell Brake Fluid DOT4" oder "Shell Donax UB DOT4 Ultra" mit einem Nasssiedepunkt von 195°C), aber die Bremse ist nicht für DOT
5.1 freigegeben.
Ergebnis Vorderradbremse: Entweder es liegt tatsächlich an der niedrigeren Viskosität (dünnflüssiger) des eingefüllten DOT
5.1 oder die Bohrung des Gebers ist nicht in Ordnung. Jedenfalls habe ich es schon wieder geschafft, bei normaler Straßenfahrt den Hebel an den Lenker zu ziehen, ohne dass die Beläge die Scheibe auch nur berühren. Zugegeben, das kommt nur vor, wenn ich in Erwartung einer Bremssituation, die dann doch auf sich warten lässt, den Hebel sehr langsam ziehe, um schon mal den Leerweg herauszunehmen (ohne dass die Beläge schleifen). Das Dumme ist nur, dass dann der Leerweg gelegentlich bis zum Lenker wandert. Es hat sich zwar mit dem neuen Geberkolben gebessert, ist aber nicht ganz behoben.
Ergebnis Hinterradbremse: Nach wie vor deutlich späterer und schwammigerer/weicherer Druckpunkt als vorne. Man hat das Gefühl, dass sich entweder die Bremsleitung "aufbläst" oder sich die
Bremsflüssigkeit komprimieren lässt. Anders könnte ich es jetzt nicht beschreiben.
Meine Vermutung, was zumindest die Vorderradbremse anbelangt: Das DOT
5.1 ist zu dünnflüssig und kann bei sehr langsamem Druckaufbau vorher an der Dichtung vorbei.
Ich versuche mal die Funktion zu beschreiben: Die Dichtung sieht aus wie ein Miniblumentopf aus EBDM. Der Kolben geht durch das Loch im Boden und dichtet dieses auch ab. Zieht man den Bremshebel, bewegt sich "der Blumentopf" mit seiner Öffnung in Richtung Bremsleitung/-flüssigkeit. Dadurch steigt auch der Druck in der Dichtung, womit sie sich fester an die Bohrung im Geber drückt und abdichtet. Drückt man nun sehr langsam, hat eine zu niedrig viskose
Bremsflüssigkeit unter Umständen die Möglichkeit an der Dichtung vorbeizufließen. Das könnte auch das unterschiedliche Verhalten bei sehr unterschiedlichen Außentemperaturen erklären.
Mein Fazit: Optimal wäre wohl ein DOT auf Glykolbasis zu finden, das sowohl hohe Viskosität und einen hohen Nasssiedepunkt bietet. Ich habe in dieser Hinsicht bisher das ATE 200 bzw. ATE Blue Racing (
Continental) gefunden. Ist dem Shell Donax UB sehr ähnlich, scheint aber etwas "dicker" zu sein . Leider wird die Viskosität ja immer nur maximal (bei -40° C) und minimal (bei 100° C) angegeben.
DOT 4 Norm: max. 1800 mm²/s = cSt bei -40° C
DOT 4 Norm: min. 1,5 bei 100° C
DOT 4 Norm: Nasssiedepunkt min. 155° C
DOT
5.1 Norm: max. 900 mm²/s = cSt bei -40° C
DOT
5.1 Norm: min. 1,5 bei 100° C
DOT
5.1 Norm: Nasssiedepunkt min. 180° C
Donax UB: max. 1100 mm²/s = cSt bei -40° C
Donax UB: min. 2,6 bei 100° C
Donax UB: Nasssiedepungt min. 195° C
Shell DOT 4: max. 1360 mm²/s = cSt bei -40° C
Shell DOT 4: min. 2,1 bei 100° C
Shell DOT 4: Nasssiedepungt min. 163° C
Ate 200/Super blue racing: max. 1400 mm²/s = cSt bei -40° C
Ate 200/Super blue racing: min. (konnte ich leider nicht finden)
Ate 200/Super blue racing: Nasssiedepunkt min. 198° C
Mein Händler, bei dem ich früher immer meine Ersatzteile gekauft habe und meine Reparaturen machen lies, verwendet ausschließlich DOT
5.1 in seiner Werkstatt. Das gab er mir jedenfalls als Antwort, als ich gefragt hatte, welches DOT 4 er denn da hätte. Hm, das macht mich mit meinen Erfahrungen jetzt aber stutzig. Außerdem gibt's ja DOT 4 mit höheren Nasssiedepunkten (wie man oben sehen kann) als DOT
5.1. Der Nasssiedepunkt war nämlich sein einziges Argument. Da war ich aber noch nicht so informiert.
Ate-Gebinde gibt's leider erst ab einem Liter.
Ich stecke jetzt aber in einer gewissen Zwickmühle: Formula hat offensichtlich nicht gemerkt, dass ich DOT
5.1 drin habe. Entlüftet haben sie wohl mit Shell oder Agib DOT 4. Macht ja nichts - kann man ja mischen. Soll ich jetzt noch mal reklamieren und das Risiko eingehen, dass sie die Sache mal genauer untersuchen oder mich nach der
Bremsflüssigkeit fragen? Dann ist vielleicht die Garantie hin und ich muss möglicherweise für den letzten Service noch nachzahlen. Oder soll ich erst mal einen Liter Ate 200/Super blue Racing bestellen und mein Glück versuchen? Wenn sie dann aber immer noch nicht korrekt arbeitet sehen sie, dass ich wieder andere
Bremsflüssigkeit drin habe (Super blue racing ist günstiger als 200, entgegen der Norm aber blau statt gelblich/farblos). Dann heißt es, dass ich dran rumgefummelt hab'.
Übrigens behauptet der technische Service des Importeurs, man könne DOT
5.1 nehmen, da der einzige Unterschied im höheren Siedepunkt liegen würde. Das war aber vor meinen intensiven Recherchen nach den Unterschieden. Er meinte auf meine Skepsis nur, dass in den Foren so viel gefährliches Halbwissen verbreitet würde. Na ja.
Die in diesem Beitrag erwähnten Produkte und Erfahrungen sind keine Anleitungen, Aufforderungen oder Werbung, und sind auch nicht als solche zu verstehen. Wollte ich nur mal prophylaktisch erwähnt haben. Hoffe aber dennoch, dass es jemandem irgendwie hilft.
Gruß
100
