Ergänzung zu meinem Post oben
(#4944, vorletzter):
Der oben verlinkte und zusammengefasste
Test ergab, dass verschieden breite Varianten eines Reifens
(des getesteten Modells) denselben Rollwiderstand haben bei einem Reifendruck, der auch denselben Komfort bietet. Das Folgende umreist, was in dieser speziellen Situation (Luftwiderstand für identischen Komfort = identischer Rollwiderstand) Unterschiede zwischen dem schmalen und dem breiten
Reifen ausmachen: Naben dem geringeren Luftwiderstand hat der schmälere
Reifen auch eine geringere Rotationsmasse und eine geringere Aufstandsfläche auf dem Untergrund. Der schmälere
Reifen übt deshalb auch mehr Druck pro Flächeneinheit auf den Untergrund aus. Durch den kleineren Gesamtdurchmesser ist die Entfaltung etwas kürzer.
Der breitere
Reifen hat eine höhere Rotationsmasse (ganz außen am Laufrad), bietet mehr Sicherheit vor Durchschlägen und verteilt das Systemgewicht über eine großere Fläche auf den Untergrund. Der Windwiderstand des breiteren Reifens ist ebenfalls größer. Die Entfaltung des breiteren Reifens ist durch den größeren Außendurchmesser etwas länger.
Die Geschichte mit der unterschiedlichen Aufstandsfläche führt auf weichen Untergrunden dazu, dass der schmälere
Reifen tiefer einsinkt. Es entsteht dadurch ein anderer, erhöhter Rollwiderstand. Auf sehr weichen Untergründen (Schlammpfützen, trockene Sandflächen) können dafür schmale
Reifen oft mehr Halt für den Vortrieb auf tieferen, festeren Schichten des Untergrunds finden*.
Der breitere
Reifen bietet auch eine höhere Flanke. Hindernisse wie Baumwurzeln, oder Kanten abgesenkter Bordsteine, oder eben Kiesel sind für den breiteren
Reifen etwas niedriger, als für den schmäleren, niedrigeren
Reifen.
Nichts Neues bisher dabei, ich weis. Aber schon bei dem Reifendruck mit demselben Komfort (identischer Rollwiderstand) läuft der breitere
Reifen auf weichen und unebenen Untergründen leichter. Diese Vorteile werden noch vergrößert bei Absenken des Luftdrucks. Genau dafür hat der breitere
Reifen mehr Reserven (bis die Durchschläge zu häufig/hart) werden. Das erhöht zwar den Rollwiderstand auf Asphalt, spart jedoch Kraft des Fahrers und bietet auf weichen Untergründen sogar einen Vorteil beim Rollwiderstand. Bei gesenktem Druck und der erhöhten Aufstandsfläche erhöht sich zusätzlich der Grip des Reifens. Wer auf kurvigen Strecken schnell sein will, kann so später/stärker Abbremsen und darf auch in der Kurve schneller fahren.
Wer lange geradeaus auf ("gutem") Asphalt fährt, ist mit den schmäleren
Reifen dank der etwas besseren Aerodynamik schneller und kann dank der geringeren Rotationsmasse leichter beschleunigen. Doch schon bei Kopfsteinplaster-Rennen (Paris-Roubaix) nehmen sogar Rennradler einen breiteren
Reifen mit reduziertem Druck, da sie schneller durchkommen durch den höheren Komfort, bei höherem Rollwiderstand, höherem Luftwiderstand und größerer Rotationsmasse.
Wissenschaftlich unter Laborbedingen haben schmale und breite
Reifen denselben Rollwiderstand und Komfort.
Unter realen, (total gestörten) Bedingungen sind wir mit breiteren Reifen eigentlich immer schneller. Ich widerspreche
@einfach11 nicht.
Ich weis aber, dass man mit einem 27-30mm
Reifen eigentlich alles fahren kann, wenn man ein niedriges Systemgewicht hat. Die Aerodynamik (Sitzposition, Rahmen) spielt auch eine Rolle, wenn es um Sekunden anlegt, weshalb die Profirenner (vielleicht noch) an Geräten mit schmalen
Reifen festhalten.
* Ich finde, dass der stark durchgeschlämmte Cyclocross-Rundkurs einen Sonderfall darstellt. Hier ist der schmale Reifen mit starkem Profil sozusagen die einzige Möglichkeit, auf dem Rad Vortrieb zu erreichen. Aber das ist auch kein Graveln, denke ich.