Esslinger Zeitung 01.02.2014:
Trauer um die „Nordschleife“
ESSLINGEN: Stadt hat am Katzenbühl eine illegale Mountainbike-Strecke zerstört - Die Radler sind entsetzt
Die „Nordschleife“ unterhalb des Katzenbühls war zwar nicht genehmigt, hatte aber trotzdem viele Fans. Jetzt verhindern quer liegende Bäume, dass die Strecke weiter genutzt werden kann. Fotos: Dietrich
Matthes Uhlenbusch kann es noch immer nicht fassen. „Wie kann man etwas zerstören, das so viel Spaß gemacht hat?“ Mit vielen anderen Mountainbikern steht er vor den Trümmern der „Esslinger Nordschleife“, in der Szene kurz als „EsNos“ bekannt. Vor einer Woche hat die Stadt Esslingen die illegale Trasse unbefahrbar gemacht. Die Radler hoffen nun auf eine Alternative.
Von Peter Dietrich
Den Radlern liegt viel an ihrer Strecke: Zum Pressegespräch im Esslinger Wald sind sie zum Teil aus Stuttgart und Frickenhausen gekommen. Die Strecke hatte ein großes Einzugsgebiet. Sogar Laura Brethauer, Deutsche Meisterin im Fourcross, trainierte hier. Die Gesprächsrunde spült so einige Vorurteile den Bach hinunter. Hier waren nicht nur Jugendliche in Aktion, sondern auch begeisterte Erwachsene wie der 50-jährige Wolfgang Heidrich. Und es regierte auch kein Leichtsinn: „Wir lassen keinen ohne Helm da runter“, betont Johannes Reiser, einer der Organisatoren.Für den Bau der Strecke war ein Team von bis zu zehn Leuten zuständig. Modelliert wurde die Strecke mit Lehm und Totholz. Holz aus dem Baumarkt oder Nägel waren tabu. Ein Stück der Strecke, das die Fahrer nach einem Sturm aufgeben mussten, hat sich die Natur längst zurückgeholt, davon ist nichts mehr zu sehen. Auch die oft diskutierten Konflikte mit Wanderern sind unterhalb des Katzenbühls kaum zu befürchten. Eine Begehung der rund 1,2 Kilometer langen Strecke zeigt, dass kein einziger Wanderweg die Abfahrt kreuzt. Da fast alle Radler mit dem Fahrrad anreisten, fuhren auch keine Autos auf verbotenen Wegen. Wer doch mit dem Auto kam, habe den nahen Wanderparkplatz benutzt, versichert Reiser.Dennoch war die Strecke illegal, die Nutzer wussten dies. Natürlich wäre ihnen eine legale Strecke lieber gewesen, aber die Kontakte mit der Stadt schoben sie vor sich her. Schon länger arbeiteten sie aber an der Gründung einer Radsportabteilung beim TV Hegensberg. Eine Liste mit Beitrittswilligen wurde bereits angelegt, nun sagten innerhalb von drei Tagen 130 Radsportler ihre Unterstützung für eine mögliche neue Strecke zu. Die Facebook-Gruppe der EsNos-Freunde zählt mittlerweile schon knapp 600 Mitglieder. Die Route war aus zwei Gründen besonders beliebt: Erstens war sie so gestaltet, dass sie auch für geübte Fahrer interessant war. Dennoch gab es an allen schwierigen Stellen leichtere Umfahrungen - anders als etwa im Bikepark in Bad Wildbad, auf dessen Bergabstrecke sich auch Reiser noch nicht getraut hat. Wer wusste wie, konnte die Strecke ohne Bremsen oder Treten durchfahren. Zum Zweiten waren die Erbauer stolz auf ihr Werk: Sie versuchten nicht wie viele andere, ihren Trail geheim zu halten und für sich alleine zu nutzen. So entstand ein Treffpunkt, an dem sich viele Leute kennenlernten. Neue bedankten sich im Internet für die freundliche Aufnahme.
Probleme mit der Haftung
Für die Esslinger Stadtverwaltung spielen solche Argumente allerdings keine Rolle. „Das ist eine illegale Strecke, wir haben Ende 2013 davon Kenntnis bekommen“, sagt Henry Wolter, Abteilungsleiter im Grünflächenamt. „So etwas kann man beim besten Willen nicht akzeptieren.“ Zuerst habe die Stadt Verbotsschilder angebracht, die seien jedoch ignoriert worden. Wolter sieht vor allem haftungsrechtliche Probleme: „Wir müssen die Jugendlichen vor sich selbst schützen. Wenn wir das länger dulden und jemand kommt zu Schaden, dann sind wir mit im Boot.“ Eine derartige Strecke brauche einen Betreiber. „An die Stadt ist noch keiner herangetreten, wir haben auch keinen Ansprechpartner. Vor zwei Jahren gab es einmal eine Diskussionsrunde, aber ich habe seitdem nichts mehr gehört.“
Der neue Bikepark in Berkheim eigne sich nicht für Downhill-Fahrer, sagen die Radsportler. Doch auch er hat eine illegale Vorgeschichte. Heute kooperieren Stadt und TSV Berkheim legal und erfolgreich. Könnte das ein Vorbild sein? „Das ist eine gelungene Geschichte“, lobt Wolter, der selbst Mountainbikefahrer ist.
„Das kann es nicht gewesen sein, wir brauchen einen Neuanfang“, sagt Mitorganisator Enis Dogu. Doch er weiß auch von Stuttgart, wo sich die geplante Eröffnung einer legalen Strecke seit drei Jahren hinzieht. Er hat Angst, dass die bisher so vertraute Community zerfällt, falls es zu lange dauern sollte.