Folge dem Wasser zu den Bergen

Weiter Richtung Zilina merke ich nicht nur, dass mein Hinterradspanner locker geworden ist (wie kann das denn sein, also sowas), ich sehe auch plötzlich neben dem Weg einen kleinen Römertempel allmählich zuwachsen.

Es ist eine alte Gruft, die schön langsam verfällt in einem alten Friedhof. Ich kanns nicht einschätzen aber die Symbole auf den Grabsteinen verraten den Eingeweihten sicherlich mehr.

Ich hätte lieber ein altes römischen Theater gefunden, neee: entdeckt! als einen Friedhof, so ists halt.

Zilina dann eine sehr schöne Altstadt, sehr urbanes Leben am späten Nachmittag, würde ich auch gerne mal besuchen, allerdings hab ich mein Zimmer in Vrútky schon gebucht, also weiter. Kilometer Pensum hätte auch schon gereicht.

Ich sehe auf der Karte zwei Möglichkeiten: Berge (zu wenig Zeit verblieben und Wolkengebirge oioioi) oder die orange eingezeichnete Hauptstrasse entlang. Es wird die orangene Strasse. Starker LKW Verkehr und PKWs wie so Wespen dazwischen.

Die Strasse ist nass, ich denke mir, gut, dass ich in Zilina nochmal kleine Pause auf dem zentralen Platz gemacht habe, sonst wäre ich da voll reingekommen. Es ist bisschen kühler geworden, die Strasse schon fast wieder abgetrocknet.

Dann, 10 km vor Vrútky, beginnt kurzzeitig Hagel, dann kommt schwerer Regen runter, Blitze auf der anderen Flussseite in den Bergen. Es ist gerade eine kleine Ausfahrt da, ich raus, ein uralter Weg ist beschrankt geschlossen, eine Linde gibt so ziemlich guten Regenschutz für mich, das Rad, tja, lehnt an der Schranke und wird nass. Oder: sauber. Aus dem Regenrauschen der Linde gewürzt mit Donner aus den Bergen gegenüber schicke ich eine Botschaft an die Penzion (man schreibt das hier so), dass es eine Stunde später wird und bin erfreut zu sehen, dass die Penzion gleich am Ortseingang liegen wird, also kein langes Gesuche. Planungsqualität ohne intellektuell motivierte Optimierung gut geworden, sehr gut! Super.

So kommt dann die nasse Hose zustande, in der ich mein Ankunftsbier geniesse, eine echte Holba (sprich: 'Hoibe') zusammen mit einem Honig/Nuss DessertKuchenEnergieBombenStück.
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Ich kanns nicht einschätzen aber die Symbole auf den Grabsteinen verraten den Eingeweihten sicherlich mehr
Ja. Das ist bzw. war ein alter jüdischer (tschechisch: zidovsky) Friedhof (hrbitov). Da gab's viele, ebenso wie jüdische Gemeinden. Bekanntermaßen bis die Deutschen bzw. die Nazis kamen (Antisemitismus gabs/gibts latent auch in den slawischen Ländern, aber der Holocaust war dann eine deutsche "Erfindung" während der Besetzung ... dazu auch viele Morde und Verschleppungen der slawischen Bevölkerung); angesichts der Geschichte, die wir da hinter uns haben ein Wunder, dass man sich heute frei und allermeistens sehr freundlich aufgenommen durch die Länder bewegen kann.
 
tolle tour! viel glück auch weiterhin! :daumen:

ps: die fotos finde ich bis auf wenige ausnahmen ausgesprochen gut. ich mag lange brennweiten. und dazu der blick fürs scheinbar banale - baumwipfel, rostiges schild von hinten, ein bachlauf, stück weg - irgendwie das, was man eben so sieht, wenn man per rad durch die gegend fährt und der weg nicht volle aufmerksamkeit erfordert.
 
Es ist eine alte Gruft, die schön langsam verfällt in einem alten Friedhof. Ich kanns nicht einschätzen aber die Symbole auf den Grabsteinen verraten den Eingeweihten sicherlich mehr.

wie @AlCastello schon sagte: ein jüdischer Friedhof, zumindest was die Grabsteine angeht. Der "Tempel" dagegen scheint deutsch angeschrieben zu sein, zumindest meine ich "Ruhestätte der" entziffern zu können. Wikipedia verrät, dass die Gegend im Mittelalter mal teilweise deutschsprachig war. Der "Tempel" stammt aber sicher aus deutlich jüngerer Zeit.
 
Die "Kritiker" sind verstummt...
...sehr schöner Bericht - wie ich schon mal anmerkte, "entschleunigend".
Nicht zu vergleichenen mit den *-ixen* anderer Namhafter...ganz anderer Stil - ich glaube fast, mit deinem (@zackzack) kann ich mehr anfangen (ohne alles wirklich immer zu verstehen).
 
Heute reichts nur noch für das Karpatenglühen der Hohen Tatra gesehen von der späten Abfahrt runter von der niedrigen Tatra ins Tal am Ende des Tages.

Ich darf den Rest morgen nachreichen, sagen wir, nach dem Frühstück, war ne ganze Menge heute und ist bisschen später geworden
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Ich habe eine kurze Anfahrt über Gleise, den Váh (Aussprache habe ich gelernt ist fast wie "Bach", nur mit "V" und es ist "der Vach"), Kanal und durch ein Dorf bis zum Beginn des Wanderweges vom fast westlichsten Ende der niedrigen Tatra. Eine dicke Buche liegt quer überm Weg, in dem steilen Gelände rundrumklettern ganz schönes Abenteuer. Ich denk mir noch nichts dabei, ist frisch umgefallen wahrscheinlich bei dem Gewitter den Tag zuvor, so frisch sind die Kratzer im Boden. Eine knorrige Dreierbuche ist zu einem Drittel auseinandergebrochen.

Der Weg geht mal direkt hoch, mal etwas flacher in dem steilen Gelände. Mir fällt auf, dass sogar die ganz jungen Buchen schon total knorrig gewachsen sind. Wie mags hier also im Winter aussehen wenn der Schnee drückt und Eis, es ist ein Süd- Südwest-Hang.

Ich lasse mich von dem urigen, locker bestandenen Wald gefangen nehmen.

Noch ein grosser Stamm liegt quer, er ist so dick, dass ich ihn so gerade nicht mehr umgreifen kann mit beiden Armen. Fahrrad so halb drüber irgendwie hält es sich selbst und ich steige den Hang hoch und wälze mich auf den Stamm erstmal. Beim Blick nach oben sehe ich erst, wie prekär dieser Stein eingeklemmt ist, bisschen schubsen oder der Stamm bisschen wackeln und er löst sich. Noch liegt alles solide da, zu frisch gefallen.
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Auf dem Hang gegenüber sehe ich grosse, unten etwas breiter werdende Flächen, die ganz kahl sind. Schnee- und Schlammlawinengebiet. Dann quere ich selbst so eine Schneise, Blick zurück und Blick nach oben. Entweder ist alles brav bis nach unten ins Tal gesaust oder jemand hat hier aufgeräumt. Ich tippe letzteres, so wie meine Bergabfahrt war, dazu später.

Ich komme in einen Tobel, das heisst ans Ende des Hanges, alle Hänge treffen sich und es geht steil in der Falllinie nach oben, hier stehen Fichten. Ich bin fast oben auf dem Kamm angekommen und denke mir seltsame Gebirgsform: unten steil, oben flacher, so wie ich die Höhenlinien lese.
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Das mit dem flacher oben stimmt in diesem Teil der Gipfelkette. Mich erinnern die Gipfelketten an einen Krokodilkiefer, der auch so gewellt ist und voller Zähne jede Welle. Hier jede Welle ein Gipfel. Das war schon bei der 700 hm Kette in den kleinen Karpaten so gewesen: wenn man mal auf einem Kamm ist geht ein Höhenweg entlang, manchmal auch aussenrum um die Gipfel. Eigentlich eine sehr angenehme Art des Bergsteigens: einmal hoch, dann oben "bloss noch" entlang. Das Entlang hat es manchmal schon auch in sich, manches ist dagegen fahrbar. Hier oben sind Forstwege und jemand ist mit einem Traktor zu Gange, Seilwinde, irgendwas, der Weg entsprechend aufgewühlt, vergleichsweise nicht schlimm.

Das kleine Häuschen mit dem spitzen Dach sogar auf dem Kamin finde ich auf ca. 1100 m Höhe. Ich mache Pause. Es ist kühl hier oben mit ca. 16° und Wind, beim Aufstieg selbst sehr angenehm.

Kaum weitergegangen steht die echte Hütte da: Chata na Kl'ačiansej Magure. Die Jungs dort freuen sich und überschlagen sich vor Gastfreundschaft, machen mir einen türkischen Kaffee, der mich gut von innen wärmt. Kleine Pause gut. Das wäre wohl auch der letzte Punkt gewesen, wieder zeitnah ins Tal abzufahren, aber wer bitteschön fährt ernsthaft schon um drei Uhr Nachmittags wieder von einem Berg runter, wo ich jetzt schon mal oben bin will ich auch bitteschön die ganze Kette entlang gehen, bis zum höchsten Punkt!

Also ziehe ich weiter. Etwas oberhalb (ca. 1200m) hat jemand eine Quelle für Wanderer gefasst und einen Brunnen installiert, gefördert mit EU Geldern. Finde ich cool und fülle meine Flaschen nach. Ich finde unterwegs noch zwei solche Wasserstellen, alle frisch angelegt. Das ist eine gute Nachricht für alle Unterwegser in diesen Bergen.
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Auf 1300m entkringeln sich die Farne um diese Jahreszeit erst, die Beeren haben dagegen schon geblüht und bauen jetzt an den Früchten. Ich würde ja Blaubeeren sagen, vielleicht sinds auch Preiselbeeren oder irgendeine endemische spezielle karpatische Beerenart. Dann, von meinen borealen 1300m, der Blick rüber zum grob 1400m hohen nächsten Gipfel in der Kette, hyperboreal. Ich nehme den Chicken-Ausweg rundrum, später sehe ich, dass das eine sehr gute und kluge Entscheidung war, ein Wanderer, der grade runterkam, hatte mich auch bestärkt. Trotz meiner Neigung, nicht so sehr auf Wanderer zu hören, war es heute sicherlich gut. Der Kamm oben ist an der von hier unsichtbaren Rückseite mit Zinnen gespickt, Vermutung Fahrradqual.

Ein kühler Wind kommt auf, es wird frisch. Ich geniesse die Traverse am Hang und die Aussicht zur hohen Tatra, die ganz ähnlich die Krokodilskiefergestalt hat, in Reihen von Gipfeln hintereinander weg. Die Täler dazwischen sind in den letzten 100000en von Jahren flach aufgefüllt worden. So meine Laientheorie... Wie die Berge so geworden sind, wie wir sie jetzt sehen ist faszinierend, richtig Ahnung hab ich keine. Vielleicht mag jemand Kundiges dazu was sagen oder gute Links reinposten?
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Noch höher oben, zwischen 1300 und 1500m zeigen dann die Blumen ihre von mir so geliebten starken Farben. Tiefes blau, violett oder sehr gelb, sehr weiss. Ich bin wohl genau zur richtigen Jahreszeit hier. Es geht durch einen hohen Kessel. Man hört wie in einem Amphitheater den Bach vom gegenüberliegenden Hang rauschen, überall geht man durch feuchte Stellen, deswegen wohl auch das Knabenkraut (drittes Bild) hier am Blühen. Das Wasser sammelt sich in kleinen Bächen, größeren und im Grund des Kessels ists ein ordentlicher Gebirgsbach. Ich bin jetzt fast auf dem Grat wieder oben, der zum nächsten Gipfel führt, dem Malý Kriván (1671m). Die Wegführung sanft am Hang entlang, bei der Steilheit des Hanges ists trotzdem ein steiler Weg. Es ist jetzt auch in der Sonne kühl und der Wind immer am Wehen, sehr intensive Tour.
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Oben am Grat wirds nochmal kühler und windiger. Der Grat ist zunächst fahrbar, dann Schieben, der Blick zurück hier zu sehen. Hier oben beginnt der Enzian zu blühen (ohne Abb.), die Tour wird plötzlich sehr stark emotional für mich, die Freude am Hier-Sein überlagert von alten, alten Gefühlen. Ich lasse sie im immer stärker werdenden Wind ziehen.

Die winzigen Vögel, die in den kauernden Kiefern leben, beeindrucken mich durch ihren Flug (bei dem starken Wind) und ihr Piepsen und Singen, Hintereinander-Herfliegen und ganz so tun, als wäre das alles hier jetzt bitte komplett normal.

Oben am Gipfel stelle ich das Rad ab und in einem kleinen Schutzschirm aus aufeinandergeschlichteten Steinen (siehe Panoramabilder) ziehe ich meine langen Sachen an, geschützt vor dem Wind. Die gelben Reflektorkringelbänder um die Knöchel sind wichtig, damit meine Snowboardhose unten mit diesem breitem Zimmererschlag nicht in die Kette kommt.

Ich schreibe eine kleine Gipfelkarte für den Gipfelzettelkasten und nehme das Weitwinkelobjektiv fürs Panorama.

Die Panoramabilder, im starken Wind aufgenommen, im nächsten Post, vielleicht mag sie bitte wieder jemand der geneigten Leser zusammenbauen? Danke!
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Die Panoramabriefmarkensammlung... Ich habe mich bemüht, dass die Filenamen / Uhrzeiten darin die Reihenfolge widerspiegeln. Hoffentlich ist das geglückt

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Schnellschuss:
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Noch ein Tipp für zukünftige Panoramen: mach Hochkantbilder!

Grüße
 

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Die Abfahrt vom Berg dann eine Schau. Ganz oben schieben, zu steil für meine Kunst.

Später ein schmaler Trampelpfad zwischen den Blaubeerbüschen, teilweise trocken, teilweise mit Wasser gefüllt, alles fahrbar. Das geht so lange, bis der Wald beginnt. Hier sind wieder Quellen für Wanderer gefasst, brauch ich grade nicht...

Eine weitere Hütte mit einem dieser spitzigen Dächer, der Weg wird zum Versorgungsweg. Heisst: steiler Doppelspurweg, mit groben Steinen, nicht irgendwie eben sondern eher wie zwei unabhängige Wege im festen Abstand, sehr flowig, sehr spassig. Keine langen Serpentinen oder Querungen, einfach runter bzw. rauf. Ich frage mich, welche Art Fahrzeuge hier rauffahren, sogar quads hätten vermutlich Probleme. Traktoren vielleicht oder Kettenfahrzeuge, egal, ich sause ja runter.

Dann beginnt die Holzbewirtschaftung. Erst so irgendwie "normal", Fahrspuren von breiten Reifen, manchmal trocken, manchmal glitschig, erdig mit Steinen aller Größen im aufgerissenen Weg und komplett fahrbar! Ich staune über die MTB Technik.

Dann wirds nochmal steiler und die Leute haben sie echt nicht mehr alle. Diese Wahnsinnigen haben aus einem steilen Weg eine V-förmige Rinne gemacht, nur noch zwei steile Wangen aus glatter Erde, manchmal trocken manchmal schleimig und in der Mitte an der tiefsten Stelle Steine aller Größen lustig hingestreut, gucken raus, haben tiefe Löcher hinterlassen. Es ist wie Tiefschneefahren: zu langsam und man bleibt stecken, also Gas geben. Die Reifen klettern brav die erdigen oder schleimigen Wangen hoch und runter, die Federung dämpft alle Steine in der Mitte weg, man kann hier runterholzen, dass es eine Freude ist. Auf den Weg Rücksicht zu nehmen oder Erosion wieso denn.

Leider endet das, mündet in einen Forstweg Buckelpistenstyle, den ich Vollgas runtertrete, hier springe ich sogar über den einen oder anderen Stein und das einzige Mal auf der Abfahrt, dass ich mein Hinterrad blockieren lasse ist vor einer dieser Wasser-Metallrinnen, unnötig! Weiter im Flow.

Dann ein Teerstrassenstück, wieder Vollgas Glücksgetrete, mittlerweile fast Sonnenuntergang, im Wald bisschen dunkler schon und, gut mitgedacht, Steinschlagschutzbrille gegen die Fliegen aufgezogen, sause ich runter.

Als ich das Karpatenglühen sehe Vollbremsung, Foto gemacht (siehe gestern), und langsam zurück zur Penzion mit Einkehrschwung fürs Abendessen gerollt. Als ich die Jacke ausziehe, sehr starker Geruch, den ich verströme, der Preis für einen langen Karpatenbergtag.

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Nachts dann Vollmond, der mich anscheint. Jetzt wird das Wetter wechseln. Ich habe gestern schon frisch gemähte Wiesen gesehen, fällt mir ein. Alles gut.
 

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Wirklich toller Bericht - mir gefallen vor allem die eingestreuten kleinen Emotionen (wie die Erinnerungen im Wind), die einen persönlich mitnehmen auf die Reise und dass es kein 'Hochglanz'bericht ist : man kann sich richtig gut vorstellen, die Tour als 'Normalbiker' zu fahren

@zackzack : weißt du schon wie lange du unterwegs sein wirst ?
Ich lese jeden Tag erfreut hier mit !
Kann man dir vielleicht per Paypal zB Pivo spenden :bier: ?
 
Heute hab ich nichts gemacht. Einzige Grosstaten waren Nüsse&Nussgebäck kaufen und Eis essen in der Stadt. Zwei kleine Jungen, die mich erst nicht verstehen, deuten bei zmrzlina ("die" Eis) mit leuchtenden Augen Richtung Stadt.

Der Eismann ist Jugoslawe, sagt er, seit zehn Jahren hier in Vrútky und war zehn Monate in Berlin. Deswegen ist die Unterhaltung so flüssig. Er schenkt mir auf mein Banana Split noch eine Kugel Joghurteis, seine Spezialität, phantastisch frisch schmeckendes Eis.

Noch eine Pizza abends, ein Pivo und ich bin für morgen gerüstet, es geht weiter mit einem Plan A, B und C. C ist Umkehren, B nur die halbe Etappe. Ich will die grosse Nord-Süd Spalte im Narodny Park Vel'ká Fatra entlang bergauf fahren/schieben/wandern. Mal sehen, wie weit ich kommen werde und ob man bei den Hüttensymbolen, auf die es oben draufregnet, übernachten kann oder was mit denen ist.

Ich fürchte ja, dass ich die ganzen unterschiedlichen Tatras, Fatras, Karpaty und alle hoffnungslos durcheinander geschmissen habe. Die Ortsnamen sollten jeweils helfen, wenn jemand auf der Karte mitguckt.
 
Ich würde dir auch gerne Pivo spendieren für unsere täglichen Erlebnisse mit dir. Bin froh diesen Threat entdeckt zu haben.
Falls du PayPal hast dann gib mal deine Mail Adresse dafür :bier:
 
...
Ich fürchte ja, dass ich die ganzen unterschiedlichen Tatras, Fatras, Karpaty und alle hoffnungslos durcheinander geschmissen habe. Die Ortsnamen sollten jeweils helfen, wenn jemand auf der Karte mitguckt.

Habe deine Route ab Hainburg anhand deiner Ortsangaben mal nachverfolgt.

Sieht dann so aus:

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Laut Wikipedia erstrecken sich die "Äußeren Karpaten ... von Wien und Bratislava über das Grenzgebiet zwischen Tschechien und der Slowakei, dann über das Grenzgebiet zwischen der Slowakei und Polen (nördlich der Gebirge Malá Fatra, Tatra, Vihorlatské vrchy), dann über die meisten Waldkarpaten, über Teile Rumäniens bis zu einer Stelle nördlich von Bukarest. Höchster Berg ist der Babia Góra (Teufelsspitze) (1.725 m).
Die Inneren Karpaten entsprechen den übrigen Karpaten.

Vereinfachend kann man sagen, dass die Inneren Karpaten die höchsten Teile der Karpaten umfassen (Tatra, Niedere Tatra, Slowakisches Erzgebirge, Nördliches Ungarisches Mittelgebirge, Rodnaer Gebirge, Retezatgebirge, Parâng-Gebirge, Harghita-Gebirge und so weiter)." (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Karpaten#Horizontale_Gliederung)

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Ursprungsquelle für alle obigen Karten: http://www.google.de/maps


Von daher kann man sagen, dass du jetzt die äußeren Karpaten hinter dir gelassen und die inneren Karpaten erreicht hast.

Hier noch ein paar Infos zum Nationalpark niedere Tatra (wo du hin willst, Národný park Nízke Tatry):

https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Niedere_Tatra

"Der Nationalpark wurde per Verordnung der Regierung der SSR 114/78 Zb. am 14. Juni 1978 gegründet. Die Fläche umfasste 810,95 km² Kernzone und 1239,90 km² Schutzzone, insgesamt 2050,85 km² und war weitaus der größte Nationalpark sowohl der Slowakei als auch der Tschechoslowakei. 1997 wurden die Grenzen geändert und der Park auf 728,42 km² Kernzone plus 1101,62 km² Schutzzone, insgesamt 1830,04 km² verkleinert, bleibt aber, falls die Schutzzone mitgezählt wird, immerhin der größte Nationalpark der Slowakei (die Kernzone des Tatra-Nationalparks umfasst 738 km²)."

Viele Grüße

basti321
 

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Weiterhin schöne Landschaftsimpressionen, da kommt ja teils richtiges bayrisches Voralpenfeeling auf.
Übrigens tolle Idee bzw. tolles Vorgehen @zackzack Gedanken mit dem Wind ziehen zu lassen. Sehr schönes Bild.

Weiterhin wunderschöne Reise, außen und innen. :)
 
... es hat mal jemand gesagt, die Tatra wär das kleinste alpine Gebirge in Europa. Stimmt wohl, und die Berge gehen ja doch auch deutlich über die Baumgrenze (ich war da selber noch nicht, möchte aber später im Sommer mal hin); so nebenbei: die Karpaten sind m.E. auch ähnlich entstanden wie die Alpen, also aufgeschoben durch das Aufeinanderprallen von Kontinentalplatten.

Die ganze Gegend ist, wie überhaupt Osteuropa, einigermaßen unterschätzt bei uns, glaub ich.

Aber naja, die slawischen Sprachen sind ja nun alles andere als einfach ("Böhmische Dörfer"), aber man kommt wohl auch so durch, so wie das aussieht hier ... jeste dobrou cestu / weiter gute Reise!
 
Achso, weil mir grad nochmal Deine Bambusstange am leergeräumten Radl aufgefallen ist: Wofür brauchst Du sie - neben teils Gepäckbefestigung? Bin nach wie vor neugierig auf die Auflösung dieses Rätsels :) - Das hast Du doch noch nicht erzählt, oder?
 
Ah, endlich wieder Empfang! Es war eine abenteuerliche Nacht, also eigentlich sehr ruhig, im unbewohnten Haus, günstig! Beste von lauter schlechten Möglichkeiten...

Der Regen hat mich zusammen mit den samstäglichen Wandererkarawanen ziemlich erwischt, jetzt Aufwärmen und Zimmer beziehen, Wäsche waschen... Dann gehts hier weiter.
 
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