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Ein
Reifen hat technisch gesehen nie Dämpfung, nur bedingt Federung. Oder wie könnte man die Gasmoleküle im
Reifen "dämpfen"? Also nach der Komprimierung die erneute Expansion zeitlich verzögern? Das ist imho reine Esoterik...
Du hast recht, in der Theorie hat komprimierte Luft beim Expandieren keine oder kaum Dämpfung, der
Reifen oder präziser die Karkasse und der gestauchte Gummi aber schon. Da ich in der Dämpfung beim "Expandieren" eines Reifens nach dem "Abfedern" eines Schlags keine spürbaren Unterschiede erwartet hatte (auch wegen der mir bekannten Theorie der mangelhaften Dämpfung von Reifenfederung), habe ich nicht schlecht gestaunt, dass der erwartete "Rückschlag" nach einem Schlag beim Vee Tire Bulldozer 29x3.25 viel weniger stark ausfiel, als bei dem, was ich bisher kannte, speziell im Gegensatz zum Knard, den ich nach über 2000 Kilometern sehr gut im Gefühl hatte. Ich hatte (vorne, hinten bin ich den
Reifen noch nicht gefahren) deutlich mehr Kontrolle und mehr Bodenhaftung auf holprigem Untergrund als bin anhin und das bei demselben Luftdruck.
Jetzt habe ich mir überlegt: Was passiert beim Überfahren eines quer zur Fahrt liegenden Hindernisses (nicht allzu dicke Wurzel oder nicht allzu breite, nur wenige cm hohe Steinkante):
A) Ein
Reifen mit flachem, breitem Querschnitt wird auf einer grossen Breite zusammengedrückt, das Volumen des vom
Reifen bedeckten Teil des Hindernisses ist relativ gross und soviel Volumen Luftmoleküle werden verdichtet. Diese Verdichtung geschieht nicht gleichzeitig und gleichmässig im ganzen
Reifen, es gibt 2 Wellen, eine Welle der Verdichtung nach hinten und eine nach vorne. Sobald das Hindernis überfahren ist, wird das Volumen wieder frei und die stärker komprimierte Luft im
Reifen expandiert wieder zurück in das frei gewordene Volumen. Das passiert auch nicht schlagartig, sondern in Form einer Druckwelle. Ich kann mir vorstellen, dass je nach Reifenquerschnitt, Karkasse etc dabei Turbulenzen (Wirbel) entstehen und Wirbel verhalten sich nicht linear, sondern haben auch eine gewisse Dämpfung.
B) Ein
Reifen mit eher rundem, schmäleren Querschnitt hat bei gleichem Luftdruck eine längere, schmalere Auflagefläche (gleicher Reifenumfang vorausgesetzt) und umfasst beim Überfahren weniger Volumen des Hindernisses, es wird weniger Luft verdrängt, trotzdem oder gerade deswegen federt der
Reifen mindestens ebensogut wenn nicht besser und weil die Rückstellkraft wegen des kleineren verdrängten Luftvolumens kleiner ist, braucht es auch weniger Dämpfung bzw er springt dann weniger rum.
Längere, schmalere Auflagefläche bei gleichem Umfang und gleichem
Felgen Durchmesser heisst aber auch, dass der
Reifen an der Auflagefläche am Boden näher an der Felge ist und weniger Reserven bei einem Durchschlag hat.
Das kann ein
Reifen, der runder baut und in der Mitte einen etwas grösseren Durchmesser hat, teilweise kompensieren.
Falls diese obige Theorie stimmt, wäre das eine Erklärung meines subjektiven Eindrucks, dass der extrem hoch bauende (grosser Durchmesser) Vee Tire Bulldozer 29x3.25 mit schön rundem Querschnitt sehr komfortabel ist und besser "dämpft" bzw sich weniger aufschaukelt als andere, breit bauende
Reifen mit eher flachem Querschnitt.
Du kannst auch nicht pauschal Stahl vs Titan vergleichen, da die, sagen wir mal, "reine Rahmen-Performance" bei gleicher Geometrie stark von Wandstärken und Zugfestigkeiten (besonders bei Stahl, Titan is ja in den allermeisten Fällen Ti3Al2,5V) abhängt. Zudem hat nach meinem Verständnis auch ein Rahmen max. Federung, nicht Dämpfung. Rückstellung im linear elastischen Bereich und so. Und dann bei 0,8 bar o. ä. bei Plus-
Reifen die Nachgiebigkeit des Rahmens spüren können zu wollen, im anspruchsvollen Gelände vielleicht noch, naja, ich kann das glaube ich nicht. Ich spüre auch keinen Unterschied, ob ein Hardtail hinten ne Steckachse oder nen Schnellspanner hat. Aber da bin ich vermutlich zu unsensibel.
Ich kann hier auch nur meinen subjektiven Eindruck beim Fahren des Surly Krampus mit Knards beschreiben, nachdem ich monatelang einen Titanrahmen mit Ti Starrgabel auch mit denselben
Reifen und Druck gefahren war, das Krampus kam mir spürbar härter, weniger komfortabel vor, (ich will jetzt nicht von Dämpfung schreiben).
Titan ist etwa doppelt so elastisch wie Stahl (beim selben Rohrquerschnitt) und die Hinterbauten des Ti Rahmens und des Krampus waren nicht so unähnlich dimensioniert, deshalb könnte der Ti Rahmen schon komfortabler sein. Ich hatte aber vergessen, dass auf dem Krampus eine steifere Sattelstütze verbaut war als beim Ti Rahmen. Ich wollte auch nicht pauschalisieren beim Vergleich, sondern eher darauf hinweisen, dass viele Faktoren das Fahrverhalten und den Komfort eines Bikes beeinflussen.
By the way (Klugscheissermodus an):
Die Zugfestigkeit spielt bei dem E Modul (einem Mass für die Elastizität eines Materials) praktisch keine Rolle, anders geschrieben, eine billige Baustahllegierung ist sehr ähnlich elastisch wie ein hochfester Reynolds 953 Stahl, obwohl die Zugfestigkeit um einen Faktor von grob 5 bis 10 unterschiedlich ist. Ähnlich ist es bei unterschiedlichen Titanlegierungen, das E Modul bleibt, die Zugfestigkeit ändert teils massiv.
In der Praxis heisst das, dass eine hochfeste Legierung in einem gewissen Bereich genauso elastisch ist, sich aber stärker elastisch verformen lässt, als die Legiwrung mit kleiner Zugfestigkeit, die sich schon bald plastisch verformt oder bricht.