Die hier erwähnte Servanty-Studie äußert in der Diskussion zwar die Vermutung, dass es einen Zusammenhang zwischen Jagddruck und Fortpflanzungsverhalten geben könnte, wer sich jedoch nicht nur die Schlusssätze sondern die gesamte Studie zu Gemüte führt, stellt fest, dass es keinerlei Daten aus der Studie gibt, die einen solchen Schluss nahelegen oder auch nur zulassen können. Frau Servanty stellt die Hypothese auf, da sie das mittlere Alter der Geschlechtsreife bzw. ersten Fortpflanzung bei jungen Bachen in ein paar Feldstudien in Gebieten mit hohem Jagddruck etwas höher war als in solchen mit niedrigem Jagddruck. Allerdings sind die Fallzahlen sehr klein (z.T. nichtmal 20 Tiere) und die klimatischen Bedingungen (und damit auch Art und Menge des Nahrungsangebotes) sind in den angeführten "Vergleichsstudien" doch sehr unterschiedlich, so dass kein wissenschaftlicher Vergleich angestellt werden kann. Zudem weist Frau Servanty darauf hin, dass sich aufgrund von Schwankungen der klimatischen Bedingungen und des Nahrungsangebotes in dem von ihr untersuchten Gebiet, sehr starke Schwankungen bei der Anzahl fortpflanzungsbereiter Bach ergeben haben. Wollte man jetzt also Gebiete mit unterschiedlichen Jagddruck untersuchen, müsste man dies über einen längeren Zeitraum tun und die Unterschiede und Schwankungen aufgrund der klimatischen Schwankungen und der des Nahrungsangebotes versuchen herauszurechnen.
Aufgrund dieser Schwierigkeiten verbietet sich aus wissenschaftlicher Sicht (nicht aus Sicht eines Jägers wohlgemerkt!) eine Schlussfolgerung wie sie gerne von Verbänden, die die Jagd ablehnen, häufig getätigt wird.
Zudem spielt die hier bereits angesprochene Art der Bejagung eine große Rolle dabei, wie hoch die Reproduktionsrate ausfällt. Dabei könnte man meines Wissens nach die Reproduktionsrate verringern, indem man vorrangig junge Stücke bejagt, die (zumindest bei den bejagten Schalenwildarten) den größten Teil zur Reproduktion beitragen (vgl. z.B. Lüneburger Modell für Schwarzwild:
http://deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Lüneburger_Modell). Dies wird allerdings aus auch bereits genannten Gründen (Trophäen, etc.) häufig nicht gemacht; allerdings auch oft, weil entweder der Willen zur Umsetzung (aufwendig) oder die Kenntnisse zur Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten fehlen. Wenn man der Jägerschaft also einen Vorwurf machen kann, dann den, dass sie sehr konservativ sind und Neuerung scheuen
Das Genfer Modell mag durchaus attraktiv wirken, aber die Städte und Gemeinden müssten auch die finanziellen Mittel haben, um ein solches Modell umzusetzen. Dort hat (ich bin den Angaben auf S.1 hier gefolgt) ein Abschuss umgerechnet 8.000 CHF (1,2 Mio CHF für 150 Abschüsse) gekostet. Mir ist klar, dass man diesen Preis bei größeren Strecken nicht 1:1 umrechnen kann, aber wenn man sich z.B. die Jagdstrecke aus Hessen für die Jahre 2016/17 anschaut (
https://ljv-hessen.de/wp-content/uploads/2017/11/Streckenliste_2016-2017.pdf) sollte klar werden, dass ein solches Modell massive öffentliche Investitionen voraussetzen würde. Dieses Geld wird in Deutschland aktuell zu einem guten Teil von den Jägern bzw. Pächtern aufgebracht; außerdem waren in Genf nahezu alle Tiere ausgerottet, davon kann in Deutschland keine Rede sein.
Wäre noch das Thema der Prädatoren: Ja, es gibt hierzulande kaum Prädatoren, die dem Schalenwild (Rehwild, Damwild, Rotwild, Schwarzwild) gefährlich werden können. Allenfalls Jungtiere (insbesondere Rehwild) oder kranke/verletzte Stücke stellen ein Ziel der hier vorkommenden Prädatoren dar. Bei der hierzulande vorhandenen Anzahl an Wildtieren reichen allerdings ein paar Wolfsrudel oder Luchse nicht, um den Bestand einzudämmen. Den Großteil der Eindämmung haben immer noch das Wetter und das Nahrungsangebot zu verantworten (gehabt). Durch den schon erwähnten Maisanbau, den Anbau von Zwischen- und Winterfrüchten auf den Feldern und die (im Mittel) deutlich milderen Winter sterben immer weniger Tiere (so hart das auch klingt) und die Populationen wachsen weiter. Die Konflikte, die man bei einer höheren Anzahl an Prädatoren hat, nähmen allerdings massiv zu. Insbesondere Viehwirte hätten allenthalben große Verluste zu beklagen; aber auch Kaninchenzüchter, Hühnerbesitzer und sogar Hundehalter (es wurden auch schon Jagdhunde auf einer Jagd von Wölfen gerissen) hätten wahrscheinlich enorm mit den Verlusten zu kämpfen (nicht nur finanziell, sondern auch emotional).
Weiterhin gehören zum Raubwild auch Füchse, Waschbären, Dachse, etc. Die essen sehr gerne bodenbrütende Vögel oder deren Gelege, so dass es in vielen Revieren hierzulande - abgesehen von Hasen und Kaninchen - kaum noch nennenswerte Niederwildbestände gibt. Natürlich hat der Landbau auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Verschwinden dieser Tierarten, aber das Raubwild gibt ihnen sozusagen den Rest. Ich kenne Revierbesitzer, die fast ausschließlich Raubwild bejagen, weil sie unbedingt mal wieder ein paar Wachteln, Auerwild oder dergleichen in ihrem Revier halten wollen - nicht um diese zu jagen, sondern um eine Artenvielfalt herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Die Scheu vor Menschen hängt mit Sicherheit auch mit dem Jagddruck zusammen, allerdings haben alle hier vorgebrachten Studien auch gezeigt, dass diese Verhaltensänderung nur von kurzer Dauer ist; die Tiere also wissen, wann sie wachsam sein müssen und wann nicht. Aus eigener Erfahrung kann ich dagegen allerdings berichten, dass Rehwild hierzulande weitaus weniger Scheu ist als z.B. in Schweden, obwohl der Jagddruck dort aufgrund der geringen Besiedlung, des niedrigeren Bestandes und der weitläufigen Reviere weitaus geringer ist als in Deutschland. Allerdings gibt es in Schweden noch Prädatoren, vor denen sich das Rehwild in Acht nehmen muss, sodass die Tiere allgemein deutlich wachsamer sind als hierzulande; die Prädatoren sind allerdings das ganze Jahr darauf aus, Rehwild zu reißen und nicht nur in der Jagdzeit. Frau Storch reduziert in ihrer Präsentation leider die Betrachtung auf den Prädator Mensch - vermutlich, weil hierzulande kein anderer Prädator nennenswerten Einfluss auf die Population hat. Das darf aber auch nicht wieder so verstanden werden (was es gerne wird), dass
nur der Mensch ein Anti-Prädations-Verhalten und eine Störungsempfindlichkeit hervorruft. (Das von ihr angeführte Alpenschneehuhn hat übrigens so gut wie keine natürlichen Fressfeinde, so dass es überhaupt nicht in die Verlegenheit kommt, Scheu entwickeln zu müssen).
Bliebe noch das Argument des "heimtückischen Mordens", weil Jäger von Hochsitzen/Böcken mit Gewehren schießen. Dabei wird leider allzuoft übersehen, dass ein gut getroffenes Stück Wild meist keine 25m Fluchtstrecke mehr schafft, sondern vorher tot zusammenbricht. Natürlich liegt es in der Verantwortlichkeit des Einzelnen, dafür Sorge zu tragen, dass die Waffe trifft, dass man das Schießen übt und die richtige Munition verwendet; aber von einzelnen schwarzen Schafen auf die Gesamtheit der Jäger zu schließen, bringt die Diskussion wenig voran.
Betrachtet man hingegen, wie Wildtiere in der "freien Natur" zu Tode kommen, mutet der Gewehrschuss schon beinahe "human" an: Iltisse legen sich Winterlager an, indem sie z.B. Mäuse oder Frösche mit einem Biss ins Genick lähmen und in ihr Lager verschleppen; dort leben die gelähmten Tiere noch eine Tage oder sogar Wochen, bevor der Iltis sie frisst (damit sie nicht vergammeln). Als ich neulich dabei war, wie eine Wiese vor dem Mähen nach Rehkitzen abgesucht werden sollte, lief bei unserer Ankuft eine Rotte Wildschweine am anderen Ende der Wiese in diese hinein. Als wir mit der Suche auf der anderen Seite der Wiese ankamen, haben wir ein totes aber noch warmes, angefressenes Rehkitz gefunden; die Wildschweine haben das Rehkitz offenbar auch gefunden und einfach bei lebendigem Leib "angefressen" (wirklich sehr "tierfreundlich"...). Wenn man sich mal einen Fuchsbau anschaut (bzw. den Platz davor), wenn die Fähe Junge hat, hat man das Gefühl auf dem "Friedhof der Kuscheltiere" zu sein: Unmengen an toter, vergammelnder Tiere (Kaninchen, Hasen, (Jung-)Vögel, etc.) die die Fähe für ihre Jungen anschleppt. Wenn diese älter sind, werden die Tiere von der Fähe nicht getötet, sondern verletzt zum Bau gebracht, damit die Jungen die Jagd "üben" können. Von den ganzen kranken, alten und verletzten Tieren, die nicht mehr genug Nahrung finden oder fangen können und verhungern, erfrieren, etc. ganz zu schweigen.
Die Natur ist alles andere als friedlich und freundlich und der gezielte Abschuss einzelner, ausgewählter Tiere ist mit Sicherheit die schnellste Art und die mit dem geringsten Leiden, zu Tode zu kommen...
Ich will die Jagd weiß Gott nicht verherrlichen, aber das moralisierende "Gerede" von vermeintlichen Tierschutzverbänden und selbst ernannten Tierfreunden entbehrt in weiten Teilen leider jeglicher sachlicher Grundlage und wirkt allzuoft auf mich wie ein Versuch, sich über andere zu erheben. Aus welchen Gründen das geschieht, kann und will ich weder urteilen noch vermuten; meiner Ansicht nach hat es aber etwas religiöses an sich, als wollten diese Menschen versuchen, ihr Seelenheil in dem (teilweise militanten) Einsatz gegen andere, vermeintlich unmoralische Menschen zu finden (wie es z.B. auch im Mittelalter praktiziert wurde).
Daher seid mir bitte nicht böse, aber es gibt derzeit keine ernstzunehmenden Gründe, die Jagd zu verbieten oder abzuschaffen. Es gibt aber durchaus einige sachliche Gründe, die Jagd stärker zu strukturieren und wissenschaftlich weiterzuentwickeln, quasi zu modernisieren. Dass dies nicht oder nur sehr langsam geschieht ist meiner Meinung nach der einzige Vorwurf, den man der Jägerschaft (in Deutschland) machen kann - wobei es auch da starke regionale Unterschiede gibt.