Kopfkino!
Meine persönliche Meinung: Kurze Offsets treiben die Preise als auch die Lieferzeiten (unnötigerweise) in die Höhe (genauso wie 29 Gabeln vs. 27.5, da bleibt einem schon die Spucke weg, wie die Preise auseinandergehen).
Den direkten Vergleich zu bekommen ist jedoch schwer (gleiche Gabel am selben Bike selbiger Trail / eigene Kondition etc.)
Die SAU wird durch's Dorf getrieben...
Eigentlich ist's Pervers: Erst produziert man längere Reachs um dann ("kontraproduktiver-weise") wieder alles nach "hinten" zu justieren...
Wer hat hier einen Knall? WIR oder die Industrie...?!? Oder wer hat sich den Scheiss einfallen lassen?
Ich bleibe erst mal bei meiner Selva und schau mir die Entwicklung dieser "Wundergabel" bei anderen so an.
Die haben noch nicht einmal ein Service Manual oder irgend sowas wie Dust-wiper im Programm... macht mich echt stutzig.
Bei mir rattert das Kopfkino aber dennoch
Ich sehe das anders. Natürlich stimmt es insofern, dass die Preise für mehr Varianten steigen. Die wirklich großen Hersteller wie Fox oder RS dürfte das weniger erschrecken, wie die kleinen, weil es bei den großen wahrscheinlich nur ein paar Euro ausmacht.
Ansonsten bin ich anderer Meinung. Fahren wir die ganze Zeit über überhaupt mit dem „richtigen“ Offset durch die Gegend? Ich bin inzwischen der Meinung, dass das zu 90% nicht zutrifft. Und gerade der länger werdende Reach der letzten Jahre und die flacheren Lenkwinkel lassen die „langen Offsets“ vergangener Jahre falsch erscheinen. Der Sinn von längerem Reach ist ja nicht einfach ein längerer Radstand. Radstand für sich genommen ist einer der am wenigsten aussagekräftigen Geometriewerte bezogen auf Fahreigenschaften am Mountainbike.
Was ist denn in den letzten 5 Jahren MTB-Entwicklung passiert?
- Größere Laufräder haben sich durchgesetzt. Erst 27.5“ und der Offset und damit die Front-Center-Länge wurde größer. Dann 29“ und der Offset und damit die Front-Center-Länge wurde noch größer. Warum überhaupt den Offset verlängern? Weil der Trail ähnlich bleiben sollte. So ist das üblich an Straßenrädern. Niemand hat wirklich nachgedacht, ob sich das sinnvoll 1zu1 auf das MTB übertragen lässt.
- Dann wurde der Reach und damit der die Front-Center-Länge von Jahr zu Jahr größer.
Hauptsinn des größeren Reach ist aber nicht der Radstand, sondern dem Fahrer Raum zu geben. Einerseits bergauf eine nicht zu gedrungene Haltung zu haben insbesondere mit den steileren Sitzwinkeln, andererseits bergab eine zentrale Position einnehmen zu können und nicht, wenn es steil wird, wie früher über dem Hinterrad hängen zu müssen.
- Auch Stack-Werte wurden im Schnitt länger und damit - wer hätte es gedacht - die Front-Center-Länge größer
- Gleichzeitig wurde der Lenkwinkel immer flacher und damit die Front-Center-Länge größer
- Die Vorbauten wurden tendenziell kürzer. Das lenkt sich mit flachen Lenkwinkeln zwar schöner und weniger abkippend, bedingt aber auch weniger Druck auf das Vorderrad.
Eine ganze Weile (oft noch bis heute) hatte man dann Bikes die vorne ellenlang waren und hinten aber kurz geblieben sind, weil man ja die Wendigkeit und das leichte, dynamisch Handling kurzer Kettenstreben nicht aufgeben wollte. Folge waren Bikes, die sich untersteuernd und damit teilweise wirklich grausam fahren. Das kann man sich schön reden in dem man meint, das ist für richtig sportliche Fahrer, die „aggressiv auf der Front hängen“. Das ist aber auch nur schön Färberei. Ein unausbalanciertes Bike fährt sich immer schlechter als ein gut ausbalanciertes und vor allem ist ein ausbalanciertes berechenbarer und kraftsparender und damit auch „schneller“ und spaßiger zu fahren.
Den richtig schnellen Fahrern wie Sam Hill oder Richie Rude war das auch immer klar, die waren nie auf solchen hinten-kurz-vorne-lang-Bikes unterwegs, oder sind für mehr Balance lieber sogar kleinere Rahmen gefahren. Nix Up-sizing.
Die aktuellen, modernen Bikes, die den Spagat von guten Reach-Werten und flachen Lenkwinkeln schaffen aber mit guter Balance schaffen, machen 2 Dinge anders:
- Längere Kettenstreben: Die Länge vom Tretlager nach vorne und mangelnder Druck auf dem Vorderrad mit Länge nach hinten wieder auszugleichen ist natürlich die einfachste Lösung. Pole Bikes beispielsweise machen das so. Das ist natürlich sinnvoll, aber nicht ohne Nachteile. Das spritzige, wendige und leichte Handling geht verloren, die Bikes sind schwerer hochzuziehen, lassen sich nicht mehr so schön springen (ausgenommen lange, flache Jumps) und werden einfach lang.
- Kurze Offset-Werte. Kein All-heilmittel und mit begrenzter Wirkung, aber dennoch ein gutes Mittel die Kettenstreben nur moderat lang werden zu lassen und gleichzeitig aber mehr Druck auf das Vorderrad zu bringen. Der Effekt ist ein doppelter, daher machen die paar Millimeter doch etwas aus: Zum einen wird das Front-Center wieder etwas verkürzt. Zum anderen wandert die Radachse in Steuerrohrachsrichtung betrachtet weiter hinter unter den Vorbau, wodurch das Hebelverhältnis um Druck auf das Vorderrad zu geben verbessert wird. Richtig ins Rollen gebracht mit solchen Bikes mit relativ langem Reach, flachen Lenkwinkeln und nicht zu langen Kettenstreben aber dennoch guter Balance (dank verringertem Offset) hatte vor wenigen Jahren Transition. Heute gehen quasi alle neuen, modernen Bikes in die Richtung - vom neuen Hightower bis zu den ganzen neuen Yetis – wenn sie nicht gerade der Langholzlaster-Fraktion ala Pole angehören.
Aus meiner Sicht sind die Short-Offset-Gabelvarianten die einzig zukunftsträchtigen. Bei Bikes mit 66° Lenkwinkeln und darunter und das betrifft heute quasi jedes moderne Rad ab Trailbike-Kategorie. Diese Bikes, die heute alle im Vergleich zu früher auch stark gewachsene Front-Center-Längen haben profitieren davon nur.
Meiner Ansicht nach wird es über kurz oder lang keine „langen Offset“- Versionen mehr geben, weil sie an modernen Rädern einfach keinen Sinn ergeben.
Einzig am DH Bike mag das ein wenig anders aussehen. Ich denke hier wird es lange und kurze Varianten geben, da sich hier die Kategorie inzwischen ja auch stark auftrennt. Aber hier ist es auch mit geschraubten Kronen ein leichtes 2 Varianten anzubieten. Bei echten DH-Racebikes tun längere Kettenstreben weniger weh, man ist für Balance nicht auf den zusätzlichen Trick des geringeren Offsets angewiesen und nimmt lieber noch ein wenig mehr Radstand für maximierte Laufruhe mit. Für Spaß im Bikepark und alles was Freeride ist, sieht das ein wenig anders aus und man wird hier verstärkte kurze Offsets an. Dass das ein Trend wird kann man schon daran erkennen, dass Rock Shox für die Boxxer seit MY2020 plötzlich auch Brücken für kurzen Offset im Programm hat.