Ich lasse mich heute heute mal zu der Aussage hinreißen, dass Marathonrennen auch Marathonberichte erfordern ...
Irgendwann, es wird schon langsam hell draußen, langsam öffne ich die Augen und blinzele vorsichtig aus meinem Schlafsack. Ich höre leicht gequält, wie der Regen auf das Dach von Schotti´s Bus prasselt. Ein kurzer Blick auf die Uhr meines Handys und es ist klar, dass die Nacht bereits wieder vorbei ist. Es ist halb acht und für meine Verhältnisse mal wieder zu kühl also schnell noch einmal zurück in den Schlafsack. Ein verträumter Blick auf das Regenradar sagt mir, dass der Regen wahrscheinlich noch vor dem Start des Rennens aufhören wird.
Ich verspüre trotzdem nicht mal Ansatzweise Lust an einem 60km Rennen durch einen komplett durchfeuchteten Wald teilzunehmen. Vielleicht kann ich ja noch den Strohhalm "technisches Versagen" vor dem Start ergreifen, da immer noch nicht das Problem Schaltung/Kettenverschleiß und Reifenwahl beseitigt ist.
Während ich noch nach Ausreden suche erwacht der Parkplatz zum Leben. Alle kriechen aus ihren Autos heraus und auch bei uns geht´s ans frühstücken. Noch eine Stunde bis zum Start. So langsam sollte ich mich vielleicht doch mal um mein Bike kümmern. Das schwierigste zuerst - die Wahl der
Reifen. Da sieht´s für heute nicht wirklich gut für mich aus. Schotti bietet mir seinen Big Betty 2.40 an und ich hab noch einen alten abgefahrenen und pannenanfälligen Racing Ralph im Angebot. So richtig kann ich mich für keine von beiden Varianten begeistern. Meine schlechten Erfahrungen vom Vortag lassen mich daher mehr oder weniger verzweifelt für den BB entscheiden.
Schnell den
Reifen montiert und aufgeblasen - perfekt - passt sogar und das anscheinend ohne Schleifgeräusche. Bei der Präsentation meines Rennreifens werden emsig die Kameras gezückt und überall um mich herum sehe ich glückliche Gesichter
Die Schaltung wird von Schnegge noch einmal ein wenig nachjustiert und es scheint so als wenn 20min vor dem Start tatsächlich alles in Ordnung ist. Die anderen fahren schon mal hoch zum Start und ich verspreche auch wirklich nachzukommen. Die Aussicht auf eine Schlammschlacht treibt mir immer noch die Übellaunigkeit in die Knochen und ich werfe mich eher missmutig und gequält in meine Rennklamotten.
Ich entscheide mich trotz des absehbaren Regenstopps für die Regenjacke, da es immer noch recht frisch ist und mir auch die anschließende Säuberung so deutlich einfacher erscheint.
3 Minuten bevor es losgeht finde ich mich auch am Start ein und muss feststellen, dass Schnegge und Markus lecker Startplätze im vorderen Bereich schön am Rand ergattert haben. Ich entscheide mich für den direkten Weg über den Absperrzaun zu den beiden.
Wenige Augenblicke später geht´s los und ich finde mich bei dem Gedanken wieder, dass es doch heute endlich mal möglich sein muss ohne Defekt ins Ziel zu kommen währenddessen mir der erste frische Schlamm ins Gesicht spritzt. Ich fluche vor mich hin, Markus zieht vorbei ... ich fluche weiter ... Schnegge is auch schon da und es wird nicht trockener. Nach 10min bin schonmal lecker eingesaut und auch meine Bogen um die Pfützen werden auch immer kleiner. Die Auffassung, dass der direkte Weg der beste ist setzt sich auch immer mehr durch. Ich glaube so langsam bin ich im Rennen angekommen.
Auch mein Gefühl, dass ich mal wieder platt bin zeigt mir das alles wie immer ist. Ich versuche in den ersten Anstiegen an Schnegge dranzubleiben und meinen Rhythmus zu finden. Um ehrlich zu sein bin ich auch darüber schon wieder verwundert. Als wir wieder mal oben angekommen sind schaue ich auf die Computer und stelle fest, dass wir schon 16km hinter uns gebracht haben also fast ein Drittel oder das doppelte der gestrigen Gesamtstrecke ... und das sogar ohne Defekt
Keine 3 Minuten später geht´s dann erstmal abwärts - es ist schlammig und auch prima rutschig ... abwärts kann ich - da darf dann auch mal überholt werden denke ich noch so bei mir als ich feststellen muss, dass ich den letzten halben Meter bereits nur noch auf dem Vorderrad zurückgelegt habe ... hab ich etwa doch zu viel riskiert? Zu wenig aufgepasst? Anscheinend ja denn im nächsten Augenblick verliere ich den Bodenkontakt und begebe mich auf die Umlaufbahn über meinen Lenker ... schnell die Landung gecheckt ... den Stein lassen wir mal besser aus ... Bodenkontakt in Sichtweite ... Aufprall ... abrollen und gelandet ... das mit dem überholen hat sich wohl damit erstmal erledigt. Schnegge fragt noch ob alles ok ist - ich murmel was von ja alles ok ... ich höre noch wie mir von ihr mitgeteilt wird, dass mein Computer auf dem Trail liegt als bereits ein Zischen sich den Weg in mein Ohr bahnt.
Ah ja denke ich - so viel zum Thema: "alles ok". Ich mache den Trail frei und beginne mal wieder mit dem Unternehmen Reparatur - heute ist es zur Abwechslung mal der Vorderreifen. Während ich meinen
Schlauch freilege denke ich darüber nach, warum Schotti nicht noch nen Big Betty dabei hatte .... egal ... Das Loch ist deutlich zu erkennen - schnell geflickt und alles zügig wieder zusammen gebaut. Jetzt noch schnell aufgepumpt und es kann weiter gehen ... irgendwie ist das heute komisch denn so richtig baut sich der Druck nur in mir auf und nicht in meinem
Reifen.
Also wieder alles auseinander gerissen und ... ja klar klassischer Snakebite. Wenn schon denn schon ... routiniert wird der Schaden nun endgültig behoben und kurz nachdem mich der allerletzte Teilnehmer - ein kleines ca. 12-jähriges Mädchen von der Fahrradspartakiade - passiert hat kann auch ich endlich weiterfahren.
Meine Idee vom zügigen weiterfahren verwerfe ich bereits wenige Meter später nach der ersten heiklen Situation ... von nun an gehts also erstmal etwas vorsichtiger talwärts.
Der folgende Streckenabschnitt lässt sich mit Schlamm, Schlamm und nochmals Schlamm ganz passabel beschreiben ... nach einer Viertelstunde endlich wieder so etwas wie Zivilisation. Asphaltierte Wege und eine kleine Schlammverschnaufpause. Ein paar abgeschlagene Freizeitradler zum überholen und die Erkenntnis, dass ich wohl wirklich endlos lange gebastelt haben muss. Kurze Zeit später bei der ersten Verpflegung wird deutlich, dass ich um diese Zeit hier eindeutig fehl am Platze bin. Alle um mich herum plaudern entspannt und es erinnert eher an ein Picknick auf einem Familienradausflug als an ein MTB Marathon.
Ich stopfe mir schnell ein Stück Banane in den Mund und nehme einen Becher ISO und dann geht´s weiter schließlich muss ich ein wenig vertrödelte Zeit aufholen. Die Trail´s sind mehr oder weniger verlassen, ab und an kann ich ein paar Leute überholen und die Wege trocknen auch so langsam ab. Meine Laune bessert sich trotz der Alleinfahrt ein wenig. Irgendwann viel später irgendwo im Niemandsland zwischen Start und Ziel entdecke ich doch glatt ein ESK Trikot. Das kann doch eigentluch nur S-Punkt sein. Ich eile hinterher und feuere schon von weit hinten an aber S-Punkt ist gerade schwer am kämpfen.
Es geht heftig und schlammig bergan. Mein Big Betty verlangt doch recht viel Zuneigung von mir um sich mühsam den Berg hoch zu winden ... langsam nähere ich mich dem ESK Trikot und nach einer endlos scheinenden Ewigkeit habe ich dann endlich aufgeschlossen. Ein sehr kurzer Plausch ist drin aber S-Punkt scheint doch ein wenig langsamer zu sein. Auf dem folgenden Schlamm-Downhill verliere ich sie aus den Augen. Irrsinnsabfahrten und Gegenwindpassagen später kommen langsam immer mehr Biker in mein Blickfeld ... dankbar und glücklich sammele ich sie alle ein und freue mich endlich nicht mehr ganz so weit hinten zu sein.
Das Material scheint immer noch ganz gut zu halten und auch die langsam mehr und mehr durch die Wolken scheinende Sonne verbessern meine Laune immer weiter ...
Mein Computer sagt mir, dass wir in nicht mal 10km im Ziel sein müssten. Das heißt ich bin mit dem Zielsprint mehr als überfällig und die auch weiterhin zahlreich vor mir fahrenden Fahrer wollen auch noch überholt werden. Ich vergewissere mich noch mal schnell, dass nicht wieder Grege hinter mir lauert und ab geht die Post. Ein quälend langer Anstieg irgendwo in Richtung Ziel ... gleich sind wir da .... Hurra ... ich überhole permanent die nun mehrheitlich vor mir schiebenden Fahrer und so langsam könnte ich vorne auch mal das kleine Ritzel aufwerfen ... aber was ist das?
Meine Schaltung reagiert nicht auf meinen Wunsch nach langsamerem Tempo und leichterem treten. Es scheint, als ist mein Bike über den Winter zu einem Höllenbike mit ganz speziellem Eigenleben mutiert. Ich akzeptiere erstmal den Widerspruch aber keine 500m später halte ich an und schalte über die gute alte Handschaltung. Das wiederholt sich noch zwei mal und dann sind wir anscheinend oben. Dem Schotterweg schließt sich ein herzhafter Singletrail an und dieses Mal werde auch ich überzeugt besser zu schieben. Das hält mich aber trotzdem nicht davon ab weiter auf bzw. zu überholen ... schließlich ist in nicht mal 2,5km das Ziel erreicht.
Als es wieder flacher wird und wir anscheinend den Gipfel erreicht haben springe ich wieder aufs Bike um zu dem vor mir fahrenden Fahrer so schnell wie möglich aufzuschließen. 3x kräftig in die Pedale getreten und ich bin dran ... aber wie so oft im Leben ist auch das ein Trugschluss, da es mit einem Mal kräftig scheppert und kracht und die Kurbel sich keinen Millimeter mehr weiter bewegen lässt. Die Kette hängt mal wieder hinter der Kassette ... na toll denke ich und könnte brüllen vor Wut - warum hört das denn nicht endlich mal auf???
Ich schiebe die 100m bis zur Lichtung, welche letztendlich eine Straße ist und vor mir steht ein Verpflegungsstand
Ich kapiere gar nix mehr ... was soll das denn? 2km vor dem Ziel nen Verpflegungspunkt? Mein Bike is mal wieder Schrott und ich bin platt. Ich frage erstmal was das soll und mir wird freundlich mitgeteilt, dass den ersten Fahrern gesagt wurde noch 20km bis ins Ziel und man jetzt bereits nach 12km im Ziel sein soll. Ich feuere mein Bike wütend in den Strassengraben und plündere erstmal den Verpflegungsstand. Nebenbei organisiere ich erstmal nen vernünftigen Kettennieter und dann geht´s endlich mal wieder an´s reparieren ... ich öffne die Kette und entscheide mich für die Variante den alten Stift wieder zu verwenden und das Kettenschloß besser zu behalten ... wofür auch immer ... alles läuft wie geschmiert und 5 Minuten später ist fast alles wieder ok ... wenn mir da beim prüfen der Kette nicht ein bereits zur Hälfte aufgebogenes Kettenglied begegnet wäre .... es scheint, als ob es eine gute Idee war das Kettenschloß doch noch nicht einzusetzen.
Nach ca. 15min ist alles repariert und es kann weitergehen. Der Kollege mit dem Kettennieter ist längst verschwunden - ich habe ihm vorher noch versprochen das Tool im Ziel zurückzugeben (das hat letztendlich sogar mal ohne Probleme geklappt).
Ich schwinge mich also mal wieder auf mein Bike und merke sofort, dass ich total aus meinem Rhythmus raus bin und zu allem Überfluss bin ich auch noch total platt, da mein Rennen ja eigentlich in 1km zu Ende sein sollte eigentlich verständlich und richtig ... Die Raserei is nun vorbei und es geht eher gemütlich in Richtung Ziel ... BigBetty schleift inzwischen deutlich hörbar irgendwo an meinem Rahmen und das Geräusch demoralisiert mich jetzt völlig ... der Tritt wird schwerer und schwerer und ich muss sogar jetzt noch 2-3 Fahrer passieren lassen.
Ich hab eine Riesenwut auf die Veranstalter, die einfach mal wieder hinterlistig in letzter Sekunde die Strecke um 12km verlängert haben. Ich will nur noch ins Ziel. Als ich mal wieder überholt werde erkenne ich die Gegend wieder. Wir müssen unmittelbar vor dem Ziel sein - vielleicht noch 3-4km und ab hier geht´s fast nur noch bergab .... urplötzlich erwacht der Sportsgeist wieder in mir und ich ignoriere meine knartzende Kette und denke mir, den Typen krieg ich doch noch auf der Abfahrt ... frisch motiviert geht´s ans Werk und der Abstand verkürzt sich sofort ... leider isses anscheinend absolut nicht mein Tag und keine 3 Kurbelumdrehungen weiter bekommt die alte Weisheit: "nach schwer kommt leicht" mal wieder ihre Bestätigung - mir ist doch glatt mal wieder die Kette gerissen
Ich bin jetzt endgültig bedient .... schnappe mir die Kette und laufe weiter ... Kettenschlösser sind aus und außer Schotti mitsamt seiner Kabelbinder könnte mir in diesem Moment wohl niemand weiterhelfen. Nach der nächsten Ecke geht´s bergab und der Spaziergang wird erstmal unterbrochen. Abwärts geht´s auch ohne Kette ganz gut

Leider geht es nicht bis ins Ziel abwärts, so dass mir noch eine 1km lange Schiebepassage bevorsteht ... nach allem was passiert ist, ist mir das inzwischen auch egal.
Als ich ein paar Meter zurückgelegt habe und mit meinem Groll und meiner Wut alleine durch den Wald stapfe kommen 2 sächsische Biker vorbeigerauscht und wollen mich bis zur nächsten Abfahrt mitnehmen. Ich lehne ab und versuche sie mit dem Hinweis nachfolgend auflauernder Konkurrenten loszuwerden ... die Jungs lassen sich aber nicht abschütteln und ein weiteres Nein später halte ich mich bei einem an der Schulter fest und werde so bis zur nächsten Downhillpassage geschleppt

.... ich bedanke mich schonmal und verliere auf dem Weg bergab ins Ziel die beiden aus den Augen ... irgendwie bin ich ohne Kette immer noch schneller unterwegs als die beiden mit Kette
Zum Glück geht´s unten im Dorf noch einmal ein paar Meter geradeaus, so dass ich beide noch passieren lassen kann. Ich wollte als Dank fürs ziehen nicht auch noch vor den beiden ins Ziel kommen

... Schnegge, Markus und Schotti warten bereits und müssen anschließend meine schlechte Laune ertragen. Wir entscheiden uns in dem Nest (wie war doch gleich der Name?) zu bleiben, da dort am Sonntag früh auch die 3. Etappe starten soll.
Die kalte Dusche 1,5h später bringt meine Laune auf das tagesüblich unterirdisch tief angesiedelte Rennlevel zurück. Die Mad East macht ihrem Namen einfach mal alle Ehre

Als ich wieder zu Schotti´s Bus komme und inzwischen auch der Vorderreifen wieder platt ist beschließe ich das Kapitel Mad East 2009 als Teilnehmer zu beenden. Ich freue mich auf die Leckereien von Schotti´s Grill und sogar auch darüber nicht mehr fahren zu müssen. Nach einem Besuch mit Schotti bei der etwas bescheiden besuchten Bikerparty geht´s in die wohlverdiente Nachtruhe .... und dieser Höllentag ist endlich vorüber.
Der Sonntagsbericht könnte ein klein wenig kürzer werden

...außerdem gibt´s dann sogar auch mal passende Bilder dazu ...
PS: ich muss jetzt erstmal die Tastatur abkühlen lassen
