Das Karpacz-Rennen
Das Rennen sollte im knapp 60km von mir entfernten Karpacz pünktlich um 10:00 Uhr starten. Vermutlich würden die Polen nicht auf mich warten, zumal sie nicht mal wussten, dass ich vorbeikommen wollte... das hieß für mich, dass rechtzeitiges losfahren angesagt war. Der Wecker klingelte um 7 aber ich brauchte über eine Viertelstunde bevor ich es geschafft hatte das Bett zu verlassen.
Nach einem etwas zügigen Frühstück saß ich um kurz nach 8 im Auto und machte mich auf den Weg über die Berge nach Polen. In meiner Eile hatte ich alles nötige zusammengerafft und einfach ins Auto geschmissen und währenddessen ich überlegte, was ich eigentlich anziehen sollte fiel mir ein, dass ich das blöde Gel zu Hause vergessen hatte... das ging ja schon mal super los...
Ich raste mit der Zeit um die Wette und die in den Dörfern von den Polen anläßlich des 1. Mai aus den Fenstern gehängten Fahnen flatterten von meinem Fahrtwind hintergesogen fröhlich im Windzug den ich beim passieren der Ortschaften hinterließ. Ich hatte den Eindruck deutlich zu schnell zu fahren aber die Zeit lief und ich musste mich beeilen...
Um kurz nach 9 Uhr erreichte ich Karpacz und fand ohne Probleme den Startbereich. Dort traf ich auf altbekannte Aufblasbare Rennelemente, die die Erinnerungen an Glusicza in mir weckten. Schnell angemeldet, Nummer angebaut, umgezogen und den nächsten Bankomat gesucht um an nen paar Zlotys für das Gel ranzukommen und damit mein überleben im Rennen zu sichern.
Karpacz vor dem Rennen
Mein erster Mara im Flatterlook - der Wettergott forderte dieses Opfer, denn er blieb mir dadurch gewogen und ich somit trocken
Aber auf was hatte ich mich da bloß wieder eingelassen?
Irgendwo hatte ich diese Aufblasbaren Böppel schon einmal gesehen...
Die Anmeldung lief in den blauen Zelten...
So sah die erste Startreihe wenige Minuten vor dem Start aus
Es war bereits 9:59 Uhr als ich an der Geltankstelle noch schnell vier Gels für 50 Zloty (knapp 14EUR) erstehen konnte. Als ich im Startbereich ankam wurde die letzte Minute angekündigt und ich kam so ziemlich als letzter Fahrer in den Startbereich gerollt.
Meiner Form entsprechend reihte ich mich schonmal richtig weit hinten ein...
Na gut, letzter wollte ich nicht werden und so kam es, dass ich schon vor dem Start noch ein paar Starter überholen musste
Als der Sprecher begann die letzten Sekunden vor dem Start runterzuzählen überkam mich wieder das gewohnte Gefühl der Vorfreude welches ich immer in diesem Moment verspüre. Das Rennfieber hatte mich gepackt und ich wartete ungeduldig darauf, dass auch endlich die letzte Reihe losfahren durfte. Pünktlich zum Start riss die Wolkendecke auf und die Sonne schaute auch kurz mal vorbei.
Doch was ich kurz darauf entdeckte ließ mir einen kalten Schauer den Rücken herablaufen... direkt neben mir ragte ein riesig wirkender Berg in den Himmel...
Bitte nicht da hoch ...
Auf den ersten fünf Kilometern ging es auf der Straße relativ sanft bergan. Ich versuchte ein wenig weiter nach vorne zu fahren und kassierte Stück für Stück ein paar Fahrer ein. Oben angekommen ging es direkt in den Wald und in eine flowige Abfahrt welche viel zu schnell vorüber war.
Immer der Meute hinterher...
Als ich das Schild entdeckte ahnte ich bereits schlimmes... es wartete eine "spanische Wand" mit gut 30% Steigung auf uns und ich musste mich bereits hier so richtig ins Zeug legen um nicht absteigen zu müssen
Die erste Schiebepassage ließ natürlich trotz aller Anstrengungen auch nicht mehr so lange auf sich warten aber letztendlich blieb alles im Rahmen und ich wurde mit phantastischen Abfahrten reichlich entschädigt. Die Downhillpassagen waren wirklich knackig und ich hatte im weiteren Verlauf des Rennens mehrfach richtig Spaß.
Für alle verkappten Marathonschwucken, die sich in ihrem Freeriderleben nicht outen könnnen oder dürfen aber gerne mal nen technisch anspruchsvollen Marathon fahren würden und sich dafür den Malevil Cup rausgesucht haben sei gesagt, der Malevil Cup ist definitiv nur der kleine Bruder von Karpacz ... die Strecke in Polen gibt viel mehr her als die in Tschechien.
Zu meiner "Freude" verabschiedete sich mein Pulsmesser bereits nach nicht mal 30km und der Tacho folgte wenig später bei Kilometer 57... Die Firma
SIGMA verkauft wirklich ganz tolle Produkte. Ein Blick auf die bisher gesammelten Daten zeigte mir, dass ich den Puls auf den ersten 30km mal auf 189 gejagt hatte und im Schnitt bei über 160 lag. Der Höhenmesser war auch bereits auf den beachtlichen Wert von 1700 geklettert und es schien wirklich anstrengend zu sein bzw. noch zu werden (und ich war anscheinend nicht sonderlich gut darauf vorbereitet). Den Rest der Strecke musste ich also ohne technische Hilfsmittel/Orientierung zurücklegen...
Die Prinzessin bei der Anmeldung hatte mir natürlich nicht sagen können wie weit es heute eigentlich auf der GIGA Strecke eigentlich gehen sollte. Die im Internet angegebenen 80km und 2850HM wurden vorsichtig in Richtung 100km revidiert und mir war irgendwie nicht so wohl bei dem Gedanken an weitere 43km in der polnischen Hölle, denn ich war bereits zu diesem Zeitpunkt platt wie ne Flunder auf dem Trockenen.
Irgendwo im nirgendwo ... bei km 40-50 ... hoffentlich muss ich nicht bis da hoch...
Irgendwie quälte ich mich immer weiter ... bergab zügig, bergan sehr bescheiden und immer freundlich auf die anderen wartend ... da ich auch nicht mehr wusste wie weit ich bereits gefahren war oder noch musste hatte ich auch keine so rechte Lust mehr. In einem der vielen Anstiege fragte ich ein Mädel wie weit es noch ist und bekam 14km als Antwort.
Kurze Zeit später erreichte ich so einen Luftgefüllten bunten Torbogen und anschließend ging es wieder abwärts. Insgeheim hoffte ich, dass das der letzte Anstieg war und ich mich somit bereits auf der letzten Abfahrt befand aber als ich wenige Kilometer später eine Verpflegung erreichte (wo mir noch weitere 17km versprochen wurden) schwanden auch meine letzten Hoffnungen auf ein baldiges Ende dieser Tortour...
Der letzte Anstieg - hier hätte der Physioterrorist auch seine Freude gehabt
Mann war das nen Krampf da hochzukommen...
Wie man sieht, ging es mir gar nicht mehr gut ...
Auf den letzten Abfahrten konnte ich immer wieder zu einem orangenen Polen aufschließen, den ich dann aber in den Anstiegen immer wieder wegfahren lassen musste...

aber zwei Kilometer vor dem Ziel habe ich ihn dann doch noch geschnappt und kam so in den Genuss eines Zielsprints ... den ich allerdings sehr deutlich verlor

Ich glaube der hat das irgendwie persönlich genommen, dass ich ihn keine zwei Kilometer vor dem Ziel nochmal überholen wollte
Endlich geschafft und im Ziel ... die Marasaison 2010 wurde gebührend eröffnet
Das Wetter war Ideal und sehr gut getimt, denn bei der Bikewäsche tröpfelte es bereits leicht und erst als ich dann wieder im Auto saß gab es einen kräftigen Schauer
Letztendlich war es eine richtig geniale Strecke mit sehr hohem Spaßfaktor... ab und an waren die Drops so fett, dass ich auch mal vorsichtshalber abgestiegen bin
Die Reise zurück war noch mal ein Abenteuer für sich, da die Jungs in Polen vorsichtshalber alle Hinweisschilder entfernt oder nie aufgestellt hatten und so fuhr ich noch ein paar Extrakringel in die Landschaft. Mein Plan, den Ausdruck von Google mit der Anfahrtsroute einzustecken, war nicht schlecht doch leider hatte ich der Eile am Morgen einen falschen Zettel gegriffen und musste daher ohne wirkliche Hilfe zurückfinden. Von meinen Erlebnissen und Erfahrungen beim Fragen nach dem richtigen Weg bei den Einheimischen berichte ich gerne mal gesondert, denn das is nen "best of" für sich und schon fast nen eigenen Fred wert. Nachdem ich jedenfalls mehr als doppelt so lange wie auf dem Hinweg gebraucht hatte kam ich schließlich spät aber glücklich wieder gut in meiner Unterkunft an und ließ den Tag sehr angenehm und entspannt in der Sauna ausklingen...
Ich könnte mir das Rennen im nächsten Jahr durchaus nochmal vorstellen ... aber erstmal kommt ja das Marathon-Highlight unserer Region - der Wehlaberg-Bike-Marathon
ED: der Rest der Story von dem Trip ins Riesengebirge
klick
PS: es war mal wieder richtig genial ...
