Warum 90er Trittfrequenz?
Bekannt ist, daß die meisten aktiven Radsportler eine Trittfrequenz (Kadenz) von 90 Kurbelumdrehungen pro Minute (UpM) bevorzugen, wenigstens in der Ebene ohne starken Gegenwind. Das ist fuer den Anfänger sehr schnell! Niemand bestreitet diese Erkenntnis, nur die Erklärungen dafür sind teils recht abenteuerlich. Meist wird irgendwelche Biomechanik dazu bemüht, doch so richtig will es nicht einleuchten.
In einem Artikel unter
www.bsn.de/cycling/articles/cadence.html findet sich eine lange Untersuchung zu Trittfrequenzen, deren Erkenntnisse stark vom Üblichen abweichen. Hier eine Zusammenfassung:
Die üblichen 90 UpM sind bei vorgegebener Leistung vom Sauerstoffverbrauch her keinesfalls das Optimum, das liegt eher im echten Hobbybereich von 50 bis 60rpm!
Trotzdem wählen Aktive von allein diese Frequenz, Hobbyfahrer dagegen eher 50-60. Man könnte das mit Training begründen, doch dem widerspricht eine überraschende Beobachtung: Man setzte aktive Läufer, die keine Radfahrer waren, auf das Ergomenter. Und sie fuhren 90-100 UpM!
Hohe Tretfrequenzen zeichnen sich durch geringere Kraftspitzen aus. Man vermutete, daß die Sportler instinktiv diese Spitzen (oder besser: die durchschnittlich ausgeübte Kraft) zu minimieren suchen.
Der Körper steuert bei langsameren Bewegungen automatisch die langsamen Muskelfasern an, bei Schnellkraft eher die schnellen Fasern. Der Verdacht lag nahe, daß hohe Frequenzen eher mit den schnellen Fasern bewältigt werden.
Untersuchungen des Glykogenabbaus in verschiedenen Muskelfasertypen ergab jedoch, daß auch bei hohen Kadenzen vorwiegend die langsame Muskulatur beansprucht wird. Das war überraschend, weil man ihr solche Geschwindigkeiten gar nicht "zutraute", denn für schnelle Bewegungen sind eher die weißen Fasern (schnelle Muskulatur) zuständig.
Der Grund für diese Selektion ist der, den fat_man ganz populär ausdrückte: Schnellkraftmuskulatur übersäuert zu schnell und eignet sich nicht für Ausdauerleistungen.
Höhere Tretfrequenzen als 100rpm stoßen in der Regel an die Grenze der Motorik. Damit erklärt sich das Optimum von 90-100rpm für lange Fahrten!
Hobbyfahrer treten so schwach, daß bei 50-60rpm die weißen Fasern gar nicht beansprucht werden, daher reicht ihnen diese Trittfrequenz.
Einleuchtend, nicht wahr? Und es erklärt sich auch, warum man am Berg oft langsamer tritt - hier *muß* man sehr viel Leistung bringen, und das schaffen die roten Fasern allein nicht. Also wählt man automatisch eine niedrigere Frequenz und bezieht die weißen Fasern mehr mit ein. Übrigens kann das auch eine "Erholungsstrategie" sein.
Das Verhältnis rote:weiße Muskulatur bestimmt also tatsächlich die Fahrweise, das zeigte der Artikel (1996) doch recht gut. Und das Trainieren hoher Tretfrequenzen ist vor allem das Training der roten Muskulatur. Eine "Grenzfrequenz" für die rote Muskulatur
Eddy gab noch ein paar Tips, wie man sich höhere Trittfrequenzen antrainiert:
Die Erhöhung der Trittfrequenz geht nicht von heute auf morgen! Auch ist bei höherer Trittfrequenz die richtige Kurbellänge wichtig (je kürzer, desto leichter ist eine höhere Trittfrequenz zu erlernen).
Trittfrequenz ab November für die neue Saison umstellen.
Viel auf der Rolle fahren, möglichst mit starrer Übersetzung. Möglichst täglich fahren, aber nicht mehr als 1 Stunde.
Trittfrequenz langsam steigern, jeweils im Schnitt um nicht mehr als 10 U alle 14 Tage.
Beginnen mit 80 U, 10 Minuten einfahren, dann 3 Minuten 100 U, 3 Minuten 80 U (ausruhen), 3 Minuten 100 U usw. max. 1 Stunde. Später die Intervalle immer weiter ausdehnen, auf 5 Minuten, nach 2 Monaten bis auf 10 Minuten, die Ruhephase immer 80 U 3 Minuten! Nach 3 Monaten kann man 130 U 10 Minuten treten!
Zuerst nur mit geringem Widerstand fahren, Widerstand ebenfalls alle 14 Tage erhöhen, aber nur um höchstens 20 Watt.
Im Frühjahr auf der Straße weiter kleine Gänge mit hoher Drehzahl fahren, immer über 100 U, bergauf zuerst 80 U, später mit wachsender Kilometerzahl dann auf 90 U steigern.
Hohe Drehzahl bedeutet mehr Ausdauer für lange Strecken, schnellere Regeneration.