Jetzt weiß ich auch wieder, warum der Text zu den Rückegassen so "wertvoll" ist.
Konkret ging es um ein DAV-Mitglied, das auf einem gern begangenen und befahrenen Weg, den der Grundstückseigentümer
als Rückegasse bezeichnet, in eine Nagelfalle fuhr und von seiner Sektion die Empfehlung bekam dies bei der Polizei zu melden. Über die Ermittlungen erhielt der Eigentümer die Kontaktdaten des Geschädigten und verlangte eine
Unterlassungserklärung über 10.000 € zu unterschreiben, was dieser nicht tat, weil es für ihn das Ende des heimatnahen Mountainbikens bedeutet hätte. Daraufhin wurde er auf Unterlassung über ein Ordnungsgeld bis zu
250.000,00 EUR, ersatzweise
Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten verklagt. Seine Sektion hat sich dann an die DIMB gewandt, die den Kontakt zu mir herstellte.
Den in der nächsten Zeit hier folgenden, und im Urteil des
AG Aichach erwähnten Text, hatte ich daraufhin erarbeitet und ihm und seiner Rechtsanwältin, die er bereits beauftragt hatte, kostenlos, aber offensichtlich nicht umsonst, zur Verfügung gestellt.
Fortsetzung:
- „Rückegassen …, da sie nicht zu den Waldwegen, sondern zum Waldbestand
zählen.“
Die Behauptung Rückegassen gehörten zum Waldbestand und seien gar keine
Wege ist besonders trickreich und suggeriert ein Verbot für die dem Wegegebot des
Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG unterworfenen Erholungsformen. Obwohl es für das
Betretungsrecht nicht darauf ankommt, nehmen zahlreiche Veröffentlichungen Bezug
auf diese Aussage, so dass sich die schlichte Behauptung Rückegassen seien gar
keine Wege, bei der Einschränkung der Erholungsnutzung, zumindest der Reiter, als
äußerst effektiv erweist. Während sich die Waldbesitzer auf die Verbindlichkeit dieser
Aussage berufen, vertrauen Radfahrer hingegen auf die verträgliche und damit
rechtmäßige Ausübung ihrer Erholungsform, was bisweilen unnötiger Weise zu
Konflikten führt.
Da es hinsichtlich der Eigenschaft als Weg oder Pfad lediglich auf das Betreten
ankommt, genügt es, wenn diese begehbar sind (OVG Brandenburg: 3a B 255/03
vom 14.10.2004; vgl. Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch,
Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 56 BNatSchG, RdNr. 14),
was bei Rückegassen offensichtlich der Fall ist.
Das Landwirtschaftsministerium verkennt hier schlicht, dass Rückegassen
selbstverständlich auch Wege im Sinne des Bayerischen Naturschutzgesetzes sind
(vgl. Engelhard/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in
Bayern, § 28, Rn. 3, Stand Januar 2013).
Etwaige forstwirtschaftliche Definitionen von Waldwegen, womit i.d.R. befestigte
Forststraßen gemeint sind, sind bezüglich der im Wald vorkommender Wege
hinsichtlich der Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG und Art. 13 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG
völlig unerheblich. Fraglich ist zudem schon, ob die obige Aussage im Hinblick auf
Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 BayWaldG, wonach Waldwege dem Wald
gleichgestellt sind, überhaupt einen Sinn ergibt. Zudem sprechen die o.g.
Vorschriften zum Betreten des Waldes allgemein von Wegen und nicht von
Waldwegen i.S.d. Forstwirtschaft, was wiederum für die Rechtssicherheit und den
Rechtsfrieden bedeutend ist, da Erholungsuchende die verschiedenen
forstwirtschaftlichen Wegearten kaum unterscheiden könnten und dies auch nicht
erwartet werden kann.
Zudem ignoriert das Ministerium die diesbezügliche Rechtsprechung:
So zählt der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil vom 28.06.2005 –
84-VI/04 zur Nutzung privater Waldwege für gewerbliches Reiten neben
sandgebundene Schotterwegen und naturbelassenen Wegen auch Rückegassen
ausdrücklich zu den nicht gewidmeten Wegen.
Dabei stellt der BayVerfGH unter den Nrn. V 3, V 4 und V 1. b) klar, dass auf diesen
Wegen, worunter im Kontext dann auch die vorgenannten Rückegassen zu zählen
sind, weiterhin privat und in Gruppen geritten werden darf. Der Literatur (z. B.
Reitrecht, Bauer/Natschack, 2. Auflage 01.05.2013) scheint dies allerdings entgangen zu sein.
Dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29.09.1999, Az.: M 6 K 98.1948
(RdNr. 18) ist ausdrücklich zu entnehmen, dass Rückegassen, aufgrund der
Duldungspflicht des Eigentümers aus Art. 141 Abs. 3 BV als tatsächlich-öffentliche
Wege, auch von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden können.
Nach dem Kommentar Friedlein zum Bayerischen Naturschutzgesetz (vgl. Anm. 5 u.
6 zu Art. 25 (jetzt Art. 30), 2. Auflage) trägt die weite Fassung des Wegebegriffs dem
„Prinzip Rechnung, daß der Zugang frei sein muss, soweit kein Schaden entstehen
kann, und verwehrt sein muss, soweit Schaden zu erwarten ist. Dies sollte auch dem
Gesetzeszweck entsprechen. Ging es dem Gesetzgeber doch darum, den Zugang
zur freien Natur soweit zu eröffnen, wie es ohne Schaden für die Landwirtschaft
möglich ist. Aus dem Rückgriff auf das Grundrecht des Art. 141 Abs. 3 BV ergibt sich,
dass der Gesetzgeber dieses Recht grundsätzlich nicht stärker, als es die
immanenten Schranken des Grundrechts gebieten, einschränken darf.“
Rückegassen als Maßnahmen der Feinerschließung dienen dazu mögliche
Bodenverdichtung und Schäden bei der Forstarbeit auf diese permanenten
Befahrungslinien zu beschränken. Nach den Feststellungen der Bayerischen
Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im
Merkblatt 22 „Bodenschutz
beim Forstmaschineneinsatz“ vom Dezember 2012 sollen auf empfindlichen Standorten
Radlasten von 4 - 4,5 t möglichst nicht überschritten werden. Es ist daher schon
überhaupt nicht ersichtlich wie das Radfahren zu unzumutbaren Schäden an
Rückegassen führen können soll. Beim Radfahren sind solche Schäden ebenso
wenig wie von Fußgängern zu erwarten (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land
Schleswig-Holstein, Aktenzeichen: 1 LA 15/09 vom 12.05.2009).
Während der Holzernte können Rückegassen gemäß Art. 33 Nr. 3 BayNatSchG kurzzeitig gesperrt
werden.
Interessant ist auch welche Argumente der Kläger bei Gericht vorgebracht hat:
"Der Kläger ist der Ansicht, der von dem Beklagten befahrene Rückeweg sei „als Waldbestandteil"
kein Weg, ... Dies ergebe sich auch aus der
Gemeinsamen Bekanntmachung Waldwegebau und Naturschutz der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Nr. 7905.5-L vom 26.09.2011. Zählte man die Rückewege zu den Wegen, so stiege der Aufwand für die dann auch dort vorzunehmenden Sperren bei Baumfällarbeiten und Jagden. "
und natürlich wie das Gericht das sieht:
"Der Kläger verweist außerdem auf die Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staats-
ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt und Gesundheit Nr.
7905.5-L „Waldwegebau und Naturschutz“ vom 26.09.2011. Nach dieser Bekanntmachung zäh-
len Maßnahmen der Feinerschließung, also auch Rückewege, nicht zu den Waldwegen. Abgese-
hen davon,
dass eine Ministeriumsbekanntmachung zur Auslegung eines Gesetzes nicht verbind-
lich ist, weil sonst der dem Rechtssatz Unterworfene diesen definieren könnte, wird auch hier
wieder der Begriff des „Waldweges“ und nicht des „Weges“ oder „geeigneten Weges“ gebraucht.
Außerdem ergibt sich aus dem weiteren Regelungsgehalt der Bekanntmachung der Grund für die
dort verwendete
feinsinnige Fiktion („gilt als“!), Rückewege seien im Sinne dieser Bekanntma-
chung keine WaIdwege. Denn in der Bekanntmachung werden zahlreiche Anforderungen an den
Waldwegebau statuiert, nämlich Genehmigungs-‚ Ausgleichs- und Anzeigepflichten, und die Not-
wendigkeit von Umweitverträglichkeitsprüfungen. Durch die Herausnahme der Rückewege aus
dem Waldwegbegriff werden diese von diesen Pflichten ausgenommen. Das hat aber mit der
Frage, wer diese zu welchem Zweck betreten darf, nichts zu tun.
...
Der Kläger weist außerdem darauf hin, dass er mehr Aufwand bei dem Sperren des Geländes für
Jagden und Baumfällarbeiten hätte, weil die Sperren sich nicht auf die Forstwege beschränkten.
Dies ist aber unzutreffend.
Denn Fußgänger dürfen zweifellos jeden Teil des Waldes betreten, so
dass ohnehin umfangreiche Sperren vorgesehen werden müssen, ohne dass es darauf an-
kommt, ob das Betretungsrecht auch Radfahrer umfasst."
Fortsetzung folgt ...