Gut, dass Du die Todeszone (Offline-Zone) verlassen hast. Biwak jetzt, oder Abstieg nach Jomsom? Bin sehr erleichtert, dass es Dir gut geht.

Ich bin schon in Tatopani, das Bierchen müssen wir mal in München trinken. Alles Gute, weiterhin.
 
06.05. 08:00 Tilicho Lake, 5000m

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Jetzt oder nie: Projekt "Mesokanto La 2018", zweiter und letzter Versuch. Verlasse das Tilicho Basecamp bereits um fünf Uhr morgens und schiebe den mittlerweile wohlbekannten Flowtrail bergauf... insgesamt zum dritten Mal.

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Der Khangsar Kang hat sich schon die Morgensonne geschnappt.

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Nach ner knappen Stunde schattiger Schieberei bekomm ich auch endlich was davon ab. Wärmer ist gut.

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Gegen acht erreiche ich nach knappen 1000hm schieben den Tilichosee. Immer noch hübsch, immer noch gefroren, immer noch trau ich mich weder knapp dran vorbei noch einfach drüber marschieren. Dabei wärs wohl ne halbwegs flotte Angelegenheit, bis hinter zur Felszacke in der Bildmitte, dem "Mesokanto La". Sind nur knappe sieben Kilometer Luftlinie, aber das linke Ufer ist versperrt durch kalbende Gletscher der Grande Barriere, das rechte durch senkrechte Felswände am hinteren Ende.

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Blick zurück zum Aufstiegsweg. Schon noch ein bisserl Schnee.

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Aber viel interessanter ist natürlich der Blick voraus, zum "Eastern Pass" zwischen den beiden Gipfeln auf der rechten Seeseite. Und das schaut schon mal deutlich vielversprechender aus als letzte Woche: Zumindest südseitig hat sich der gesamte Schnee in Wohlgefallen aufgelöst. Natürlich bleibt die Route hinten um die Berge rum ein stattlicher Umweg, aber wenigstens ertrinkt man da nicht... oder wird von Eisbrocken erschlagen.

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Ein kurzes Picknick mit "Tibetan Bread" vom Bäcker des Basecamps und ein paar gespendeten Datteln der Schneespionin... und dann geht's auch schon direkt weiter. Liege gut im Zeitplan, aber bis nach Jomsom sind's sicher noch verdammt viele verdammt anstrengende Kilometer.
 
06.05. 10:45 Eastern Pass, 5340m

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Vom Tilichosee zum Eastern Pass: Die Querung am See entlang ist leider immer noch ein bisserl zugeschneit.

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Aber weil ich heute eine Stunde früher dran bin, ist die Schneedecke noch recht fest und ich komme einigermaßen flott voran. Einsinken ist kein Thema.

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Weiter oben knallt die nepalesiche Frühlingssonne dann direkt in den Hang und hat über die letzten Tage kurzen Prozess mit dem Restschnee gemacht. Auf teils recht freundlichem Schiebeschottertrail geht's weiter bergwärts.

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Ab und an stören ein paar eisige Stellen hinter schattigen Biegungen, aber es kommt nix was man nicht auf die Reihe bekommen könnte.

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Die letzen 150 Höhenmeter zum Pass werden dann ein bisserl garstiger. Soweit hatte ich mein Radl beim letzten Versuch gar nicht mehr mitgenommen, zu gruslig waren da die Verhältnisse. Heute geht's besser, wenn auch oben raus einfach nur sackanstrengend. Über fünftausend Meter geht's bei mir einfach deutlich langsamer, Akklimatiesierung hin oder her. Hat mal jemand schnell ne Sauerstoffflasche zur Hand?!

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Eastern Pass erreicht, mit 5340m wohl der höchste Punkt dieser Überquerung. Und statt mutterseelenallein auf diesem selten begangenen Weg abzuhängen, treffe ich hier oben in der vergletscherten Einöde eine Wanderspionin aus Holland. Die Nacht zeltenderweise oben am See verbracht, ist sie gerade auf einem gepäcklosen Entdeckungsspaziergang zu den möglichen Übergängen nach Jomsom. Hätte sie mal lieber gleich ihr Zelt mitgenommen, dann gäbs für mich jetzt einen Backup-Plan, falls irgendwas nicht klappt. Na gut... so hab ich immerhin für eine Weile Begleitung... das macht die Geschichte zwar nicht weniger anstrengend, aber doch etwas unterhaltsamer.

Wie auch immer, vom Eastern Pass geht's jetzt laut Karte über einige Kilometer leicht abfallende Traverse hinüber zum Mesokanto La. Hoffe doch, da wenigstens ein paar Meter fahren zu können. Schauen wir einfach mal...
 
06.05. 13:50 Mesokanto La, 5240m

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Die Hoffnung auf ein bisserl radeln zwischen Eastern Pass und Mesokanto La zerschlägt sich ziemlich schnell. Hinterm Berg liegt einfach noch zu viel Schnee rum, bei dem geringen Gefälle geht da quasi gar nix.

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Immerhin kommt das felsnadlige Ziel langsam näher. Aber alles was man dann doch irgendwie runter rollen kann, muss man im Anschluss gleich wieder hoch schieben.

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Immerhin gibt's unterwegs was zu trinken, wenn auch nicht immer leicht zu erreichen. Trotzdem wichtig für meinen minimalistischen Gepäck-Ansatz, mehr als ne Radlflasche mit 800ml hab ich nicht dabei.

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Unter dem Schnee ist zumindest ein rudimentärer Pfad verborgen. Verglichen mit dem Kinderwagentrail drüben am Schwesterpass Thorong La ist's allerdings hier kaum mehr als eine undeutliche Trampelspur. Fahren ist kaum drin, Kilometer um Kilometer werden geschoben und gezerrt.

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Zeit für eine Entscheidung: Es gibt drei mögliche Übergänge unter dem Namen "Mesokanto La": links bei der Felsnadel der niedrigste aber dem Hörensagen nach mit dem steilsten Abstieg. Weiter rechts dann zwei Jöcher mit zusätzlichen Höhenmetern aber theoretisch leichteren Abstiegen. Wäre einer stressfreien Abfahrt gegenüber nicht abgeneigt, aber alle Wegweiser und Steinmänner sowie der einzige sichtbare Pfad in der Geröllwüste führen eindeutig zum niedrigsten (und schwersten?) Übergang auf der linken Seite.

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Dann hilfts nix, peil ich halt die Felsnadel an. Gibt hier zudem ein paar frische Spuren von einem kleinen Grüppchen, dass allem Anschein nach den Pass heute bereits überquert hat. Die werden schon wissen, was sie tun. Meine Wanderspionin ist mittlerweile umgedreht, den Rest des Abenteuers muss ich wohl oder übel allein durchziehen.

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Nach einigem Auf und Ab und zwei kleinen, ärgerlichen Zwischenjöchern taucht der Mesokanto La mit seiner markanten Felsnadel endlich unmittelbar vor mir auf. Wird verdammt Zeit, bin mittlerweile ziemlich abgeschlafft. Neun Stunden unterwegs seit heute morgen, fast jeder Meter als Fußgänger, alles um die fünftausend Meter rum... da hat man schon deutlich dran zu knabbern.

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Blick zurück zum Tilichosee. Gegend Ende werde ich verflucht langsam: Einerseits geht mir die Puste aus, andererseits hab ich ein wenig Bammel, wie wohl der Abstieg aussehen könnte.

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Aber es hilft nix... irgendwann komm ich dann doch endlich an, am Mesokanto La. Was für ne Schinderei.

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Da darf man schon mal mit dem Helmchen winken...

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... und sein Bike in Szene setzen, auch wenn's jetzt über neun Stunden eigentlich nur nutzloser Ballast war.

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Nach einer halbwegs abgeschlafften Pause am Pass packt mich doch die Neugier: Wie geht's denn nun auf der drüberen Seite bergab?

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Ohweh... das sieht nicht so besonders gut aus. Man könnt's alternativ auch "sackrattensteil" nennen, von einem Pfad ist sowieso nicht mehr viel zu sehen. Aber wenn ich nicht hier oben biwakieren und morgen alles zurück latschen möchte, dann muss ich jetzt da wohl irgendwie runter. Grmpf.
 
Spannung pur. Und das obwohl man weiß, wie es ausgegangen ist. Und die gute Laune lässt Du Dir auch nicht nehmen. Ich bin begeistert.
 
06.05. 15:20 Auf dem Mesokanto-La-Trail, 4900m

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Die ersten zweihundert Tiefenmeter vom Mesokanto La hinab ins Khali Gandaki Tal sind gelinde gesagt scheißgefährlich und die absolute Bikehölle. Ein Radl hat in diesem Gelände einfach mal gar nix verloren, zwei Skistöcke oder gar Steigeisen und Eispickel wären deutlich angebrachter. Natürlich hatte ich mir vorher Fotos angeschaut und die wenigen Beschreibungen durchgelesen, aber ganz so schlimm hatte ichs mir dann doch nicht vorgestellt. Kommt vielleicht auf den Bildern nicht so raus, aber das Gefälle der verschneiten Schutthalde schwankt dann doch meistens zwischen geschätzten dreissig und vierzig Grad. Zu viel für mich, um entspannt mit dem Hintern auf dem Hinterrad schleifend die Schneefelder in Falllinie abzusurfen. Zwar ist der Altschnee nachmittäglich halbwegs aufgeweicht, das war vom Timing her so geplant, sonst hätte ich hier nicht den Hauch einer Chance. Aber besonders an den Übergängen zwischen Schotter und Schnee ist die Auflage sehr dünn und teils vereist, da gibt's dann jeweils für einige Meter kein halten mehr. Man könnte vielleicht einfach auf dem Hintern abrutschen, aber irgendwie sehe ich nicht wirklich, wie's unten raus weiter geht. Ein sanfter Auslauf wärs wohl nicht... außerdem... was tun, wenn das Bike oben hängen bleibt und man selbst erst zweihundert Meter tiefer unten zum stehen kommt?

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Ich entscheide mich lieber für die "undynamische" Variante und klettere langsam und unendlich mühsam über die endlos steilen und rutschig brösligen Schutthänge bergab. Definitiv ein ziemlich großer Blödsinn, aber irgendwie bin ich jetzt "committed". Zurück ist nicht mehr drin.

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Blick zurück zum Pass. Schaut nicht so dramatisch aus und mit Skiern würd ich kaum mit der Wimper zucken. Aber zu Fuß sich selbst und sein Radl da heil runter zu bringen... die Hölle auf Erden.

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Neben den Übergängen zwischen Schnee und Schotter sind die Querungen besonders fies. Das Bike oberhalb als Pickelersatz in den Schnee rammen, dann haut's halbwegs hin. Und zum Glück hat das Grüppchen vor mir doch eine recht brauchbare Spur hinterlassen, sonst ginge mir der Arsch noch deutlich mehr auf Grundeis als sowieso schon.

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Nach über einer Stunde übelst steiler Bergabwürgerei für kaum zweihundert Tiefenmeter scheine ich die letzten Schneefelder endlich hinter mir gelassen zu haben. Erst mal hinsetzen und Nerven beruhigen. Das Gelände ist zwar immer noch steil, aber mit trockenem Schotter kann ich besser umgehen... und langsam aber sicher erscheint auch wieder ein rudimentärer Pfad in der Steinwüste.

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Na dann... exakt zehn Stunden nach Beginn der Überquerung heute früh kann das Bike zum ersten mal bestimmungsgemäß eingesetzt werden. Alles davor war einfach nur ne brutale Schinderei.

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Immer noch steil, aber langsam rollts wieder.

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Making of "langsam rollts wieder": Bin zwar fix und foxi, aber ein paar Selfies müssen schon noch drin sein, sonst ärgere ich mich hinterher. Freilich schleiche ich danach den Weg zur Kamera zurück bergauf, wie ein geprügelter Hund... aber man gönnt sich ja sonst nix.

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Dreihundert Tiefenmeter unterhalb der Passhöhe hat der elende Mesokanto-Berg schliesslich Erbarmen und ich erreiche wie's ausschaut einen fluffig gebauten, breiten, gemütlichen S0-S1-Trail. Selten hab ich mich so über ein Wegerl gefreut. Sind zwar noch deutlich über zweitausend Meter bergab nach Jomsom und ich fühl mich wie dreifach durch den Fleischwolf gedreht. Aber wenn der Weg jetzt so bleibt, ist der Käse im Prinzip gegessen.

Und die Luft wird auch schon wieder dicker... :).
 
Manmanman das sah echt nicht witzig aus. Ist wohl zur Nachahmung nicht wirklich empfohlen.

Aber chapo Gibt's jetzt hoffentlich das erste Bier ? Verdient hast es auf alle Fälle
 
Da geht selbst dem Leser der Ar... auf Grundeis. Grosses Kino und Spannung pur. Solange nichts passiert ist das für uns im Forum Nervenkitzel im Bürostuhl. Aber ich denke du weisst was du tust, mit und ohne virtuelles Publikum. Freue mich auf den Post mit der langen Abfahrt!
 
wow...
Mal wieder ganz ganz grosses Kino. Danke!
Nicht nur die körperlichen Anstrengungen, sondern auch der Mut beim Abstieg verdienen absoluten Respekt.
Die Schneefeldquerungen sind sau gefährlich, da hast Specki aber optimal eingesetzt.
Wahnsinns...
 
Alter Schwede, da wird mir ja vom zugucken schlecht. Du hast gerade eines Deiner Katzenleben verbraucht, würde ich sagen.

Erstaunlich ist der perfekt gebaute Weg auf dem Du jetzt stehst: Wo geht der denn in der Einöde hin? In OSM sehe ich keine anderen Weg, als den, den Du gekommen bist. Bauen die da gerade einen Weg für die Touris auf den Pass? :eek: - So gut wie der gebaut ist, kann man dann mit dem E-Bike da hoch. ;)
 
Boorrr... völlig verrückt der Kerl, Blick zurück zum Pass sieht nicht so dramatisch aus :mad: :spinner:
Ich glaube wenn du wieder zuhause bist, bekommste ärger von der besseren Hälfte :aufreg:
Glückwunsch zum gelingen.

Wie immer beste Unterhaltung...
 
Riesen Respekt vor deiner Leistung. Ich ziehe meinen Helm vor dir! Vielen Dank für diese klasse Bilder von einer scheinbar anderen Welt. :bier:
 
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