So einfach ist es aus meiner Sicht nicht.
Der Stau ist aus meiner Sicht ein Symptom, z.B. einer verfehlten Verkehrspolitik ...
Was ist verfehlte Verkehrspolitik? Etwa das? Hier in der Gegend wurde vor einiger Zeit eine zweispurige Steige vierspurig ausgebaut -- vielleicht in der Hoffnung, ein Nadelöhr zu beseitigen. Seitdem haben die schweren Unfälle (ohne Beteiligung von Radfahrern) auf dieser Strecke aber erheblich zugenommen.
Nein, einfach mache ich es mir bestimmt nicht. Lass mich den von Dir aufgegriffenen Punkt nochmals erläutern.
Die Ursprungsfrage -- "warum fahren Fahrradfahrer auf der Straße" -- wurde inzwischen ja erschöpfend beantwortet. Dass einige Argumente mehr Substanz haben, andere einer eher egoistischen Sicht entspringen: geschenkt. Ist es für uns aber nicht viel interessanter,
warum diese Frage überhaupt gestellt wird? Dahinter dürfte ja weniger ein kindliches Sendung-mit-der-Maus-Interesse stecken (wie an "warum haben Spinnen acht Beine"), sondern ein gewisser Unmut. Also: woher dieser Unmut?
Und diese Frage ist tatsächlich nicht einfach. Man könnte eine ganze Reihe von Hypothesen diskutieren. Sachdienliche Hinweise sind hochwillkommen! Hier mal meine Vorschläge:
- Der Autofahrer sorgt sich um die körperliche Unversehrtheit des Radfahrers und ärgert sich über dessen "riskantes" Verhalten. -- Nun gut, dann herrscht seitens des Autofahrers ein Informationsdefizit, das wir hier ausräumen.
- Der Autofahrer ärgert sich, dass von ihm (aber auch dem Radfahrer) aufgebrachte Steuergelder sinnlos in Radwege investiert wurden. -- Willkommen im Club, vielleicht sollten wir mal eine gemeinsame Eingabe an die Verkehrsplaner machen.
- Der Autofahrer fühlt sich zurückgesetzt, weil ein anderer gesünder und billiger unterwegs ist als er. -- Wenn aus dem Ärger Taten werden, willkommen.
- Der Autofahrer projiziert negative Erfahrungen, die er zB mit seinem früheren Lehrer gemacht hat, auf den Radfahrer vor ihm. -- Halte ich ehrlich gesagt für eine nicht ganz unwahrscheinliche Erklärung.
- Oder aber der Autofahrer ist sowieso schon zu spät und ärgert sich, dass er den Radfahrer bei Gegenverkehr nicht überholen kann.
Der letzte Punkt ist der unverfänglichste und wird vom Autofahrer am ehesten vorgebracht werden. Gerade deshalb schreit er nach Objektivierung.
Zum Beispiel anhand eines simplen Rechenexempels: Wie viele Sekunden verliert ein Autofahrer, wenn er statt 40 km/h für 10 Sekunden nur 20 km/h fahren kann? Tja, 5 Sekunden.
Oder eben die von Dir kritisierte Feststellung, dass für Zeitverschwendung im automobilen Verkehr der Autofahrer viel mehr selbst verantwortlich ist als der Radfahrer (was fallweise weitere Faktoren ja nicht ausschließt). Gedankenexperiment: Ersetze alle Radfahrer durch Autofahrer. Wird es dadurch nur einen Stau weniger geben? Umgekehrt: Ersetze alle Autofahrer durch Radfahrer. Wird es überhaupt noch einen Stau geben?
Nebenbei: Der automobile Verkehr ist in unseren Städten verantwortlich für...
... zubetonierte Flächen von enormer Größe
... Lärm
... gesundheitsgefährdende Abgase
... Unfallgefahr
... Zeitverschwendung
... Ressourcenverschwendung
kurz: eine enorme Einbuße an Lebensqualität. Darum finde ich das Interesse, sein Auto stehen zu lassen, ein ausgesprochen förderungswürdiges.