Diesmal nichts Neues zum Scalpel, sondern eine Story über das Fremdgehen: Und zwar mit dem Bike, welches bei vielen gleich einen Beißreflex auslöst: Das Liteville 301 (Mk13 im AM-Setup, also vorne 29er hinten 27,5, je 140mm Federweg).
Zum Saisonabschluss am Gardasee (Bombenwetter, Bombentrails! Vor allem die Herbststimmung, wenn du auf den Waldtrails durch das bunte Laub pflügst und dann am See bei 20 Grad dein Bier trinkst ist wunderschön) sollte nochmal ein Impuls gesetzt werden. Also ab ins Liteville Testcenter in Torbole: "Hey Keeper, 2x 301 bitte!"
Fazit vorab: "Leider geil!" Wissend, dass hier nun schon viele aufhören zu lesen ;-)
Der Rahmen strotzt nur so vor innovativer Detailverliebtheit. Allein schon das normale geschraubte Innenlager zeugt von Sachverstand und Selbstbewusstsein.
Dazu kommen noch: Außenliegende Züge mit toller Zugführung,
asymetrischer Hinterbau für gleiche Speichenlänge und -spannung und um mehr Reifenfreiheit am Yoke zu bekommen,
Ersatzbolzen (Sollbruchstelle) für's
Schaltauge unsichtbar unter dem Tretlager (somit für den Fall der Fälle direkt verfügbar),
Sechskantschlüssel in der Stechachse versenkt,
integrierte Kettenführung und Schaltwerkschutz,
und
Flaschenhalter ... echt klasse gemacht!
Bergauffahren fast wie beim Scalpel (aber dann doch nicht ganz so flink): Null Plattformunterstützung notwendig - da wippt kaum was. Lediglich der flache Lenkwinkel von 64,9° ist too much und kontraproduktiv - nervt nur! Bergauf klappt dir da in steilen Passagen gerne mal das Vorderrad weg und bringt in der Abfahrt eigentlich keine wesentliche Verbesserung - vor allem nicht mit dem großen 29er Vorderrad. Die Fuhre ist damit sogar auf der Abfahrt in den Kehren wenig agil - da würde ich den Vario-Spin- Steuersatz nächstes mal auf 66,4° einstellen lassen. Auch der ultrakurze Vorbaustummel ist nicht mein Fall. Lieber etwas steiler im Lenkwinkel, dafür 60mm Vorbaulänge. Meine Meinung!
Aber sonst ist das schon eine andere Hausnummer. Der Alurahmen ist bocksteif und hält stur die Linie. Zum ersten mal bin ich am Nachmittag ohne abzusteigen (ok, 1x) vom Monte Baldo das obere Stück vom "2er" durch gefahren. Bergab gibt es sicher Bikes die ähnlich gut sind. In Verbindung mit der tollen Ubhill-Performance wird sich das Mitbewerberfeld dann aber schon deutlich lichten.
Kurz zu Anbauteilen: Absolut enttäuschend war die
Pike - trotz sehr sehr sorgfältigem Setup von einem höchst kompetenten und akribischen Mechaniker im Testcenter (aus Manchester) präsentierte sich die Forke als völlig unmotiviertes träges Teil. Habe noch versucht Zug- und Druckstufe raus zu nehmen - das Ding blieb aber absolut leblos. Zweite Enttäuschung waren die neuen XT-
Bremsen. Wir hatten beide nach den Abfahrten eine halbe Sehnenreizung in den Unterarmen. Der weiche, wandernde Druckpunkt und die damit schlechte Dosierbarkeit waren sehr enttäuschend, weil limitierend und auch anstrengend. Und der NobbyNic: keine Ahnung, warum der immer als Testsieger durch geht. Rollt bergauf nicht (was schreiben die da immer?) und speziell auf den losen Gardatrails ist er bergab total überfordert. Kein Vergleich zum 2.4er Ardent (bei mir z.zT. vorne auf dem Scalpel), welcher in der gleichen Kategorie angesiedelt ist.
Was uns beide total überzeugt hat, war 29 vorne und 27,5 hinten! Speziell bergab hast du bei abgesenkter Stütze hinten irgendwie mehr Platz - auch wenn es vielleicht nur die Psyche ist. Es ist sicherer, spritziger, direkter, lebendiger, flinker ... finde da keine gute Formulierung, hoffe es ist auch so einigemaßen nachvollziehbar. Stöckli geht mit dem Sphen ja jetzt auch diesen Weg.
Hat summa sumarum echt Spaß gemacht und gab einfach mal wieder einen neuen Impuls. So lange ich aber überwiegend Touren fahre (als Tourer ist mein Scalpel besser - Granturismo eben) und auch noch das Mason für's Grobe im Keller stehen habe, brauche ich jetzt nicht dringend ein neues Bike. Aber wenn - dann wäre es (Stand heute) definitiv das 301 (im Custom-Aufbau). Der Rahmen mit seinen tollen Detaillösungen und die Ubhill-Performance waren absolut beeindruckend.
Es ging auch darum, beim 301 endlich mal mitreden zu können - nicht umbedingt es zu entzaubern oder erneut zu glorifizieren - sondern um den eigenen Eindruck, die eigene ErFAHRung. Es gibt sicher Bikes die ähnlich performen - aber so viel sichtbar gutes und sinnvolles Engeneering ist dann doch selten und gefällt mir persönlich besser als ein aalglattes Carbonchassi.
Gehört zugegebenermaßen nicht ganz hier her, war aber vieleicht trotzdem für den einen oder anderen interessant?!