Was bedeutet das am ende am Rad?
Wie viel Watt würde ein
Reifen mit einem beispielhaften Rollwiderstand z.b. bei 3kmh, 5kmh 10kmh bergauf benötigen?
Wieviel Watt tatsächlich gebraucht wird, hängt immer vom konkreten Fall ab und ist natürlich kaum exakt vorherzusagen, weil man die RoWi-Beiwerte von
Reifen nicht kennt. Man könnte die für Asphalt bestimmen, wobei da rauer und glatter Asphalt auch einen Unterschied macht, aber spätestens bei Schotter ist der Einfluss des Untergrunds so groß und solchen Schwankungen unterworfen von Forstweg zu Forstweg, dass es wenig Sinn machen würde, den RoWi-Beiwert für Asphalt - wofür er leicht zu ermitteln wäre - anzugeben. Was ganz einfach wäre, ist den RoWi-Beiwert für die Messstandsrolle zu errechnen, aber da auf der niemand fährt, bringt das nichts (der RoWi-Beiwert ist übrigens eine dimensionslose Zahl, die immer mit 0,0… oder so beginnt, weshalb man wohl lieber die Watt hinschreibt, weil da Unterschiede einfacher zu sehen sind und die Einheit auf einen Messwert hinweist).
Die genauen Werte spielen aber ja keine Rolle, sondern interessant ist immer der Vergleich zwischen zwei
Reifen. Wenn du am selben Anstieg mit den selben
Reifen doppelt so schnell fährst, dann bringst du die doppelte Leistung (Luftwiderstand immer noch vernachlässigt!), wobei die Leistung, die gegen die Gravitation gerichtet ist, genau doppelt so groß ist, ebenso wie auch die Leistung gegen den RoWi. Das kommt daher, dass die Kräfte unabhängig von der Geschwindigkeit sind. Bei Gravitation ist das ja eh klar, denn wir bewegen uns nicht relativistisch. Bei der Rollreibung sagt zum Beispiel Wikipedia, dass sich die Rollreibungskraft zwischen quasistatischen Bewegungen (MTB am steilen Berg) und hohen Geschwindigkeiten auf Asphalt (80 km/h) etwa verdoppelt. Da wäre es nicht geschwindigkeitsunabhängig. Da wir aber von Unterschieden von wenigen Km/h im niedrigen Bereich reden, wo uns der RoWi interessiert (im DH WC ist das evtl. anders), können wir den RoWi als geschwindigkeitsunabhängig ansehen.
Ein anderes großes Fragezeichen für konkrete Rollwiderstände ist der Untergrund. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass
Reifen, die auf der Rolle eines Messstands einen höheren RoWi haben, auch auf Schotter einen höheren RoWi haben (wichtig dabei: jeweils selber Luftdruck). Gleichzeitig spielt auf Schotter zum Beispiel der Luftdruck eine größere Rolle als auf einem harten Untergrund. Wenn die Messergebnisse auf der Rolle mit recht hohem Druck ermittelt werden und im Gelände dann niedrigere Drücke gefahren werden, mag dies Aussagen zum RoWi bereits beeinflussen. Weiterhin gibt es Untersuchungen, dass der RoWi auf Schotter etwa doppelt so groß ist wie auf Asphalt (oder dann auch auf der Rolle) und es werden dazu Bandbreiten angegeben, es ist aber nicht klar, ob das linear skaliert. Der RoWi auf der Rolle kommt ja hauptsächlich aus der Walkarbeit in der Gummischicht, auf Schotter spielen auch andere Vorgänge eine Rolle, die sich zwar auch auf den
Reifen zurückführen lassen, wo aber eventuell das Zusammenspiel aus Gummi und Profil wichtiger oder weniger wichtig ist. Es lassen sich also meiner Meinung nach nicht Ergebnisse von der Rolle 1:1 auf Schotter übertragen in dem Sinne, dass
Reifen A 50% mehr RoWi auf der Rolle hat, deshalb hat er dann auch 50% mehr auf Schotter. Ja, er wird mehr RoWi haben, es könnten aber auch 40% oder 60% mehr sein (wobei imho die Unterschiede prozentual eher geringer werden sollten, aber das ist ein kompliziertes Thema). Und das alles beim selben Luftdruck. Wenn man jetzt bedenkt, dass Messwerte auf der Rolle bei gleichem Luftdruck ermittelt werden, die besagten Mary Supertrail und Nic Superground aber eventuell mit unterschiedlichen Luftdrücken gefahren werden, ist da eine stringente Schlussfolgerung irgendwelcher RoWi-Verhältnisse in der Realität schwierig, weil wir ja wissen, dass Luftdruck auf Schotter einen recht erheblichen Einfluss haben kann.
Bei dieser Gelegenheit noch die Bemerkung, dass sich die Situation für unterschiedliche Fahrer mit unterschiedlichem Gewicht unterschiedlich darstellen kann. Es gibt zum Beispiel eine Untersuchung, die hier letztens irgendwo verlinkt war, dass auf (gutem) Schotter Luftdruck bis 2 bar besser ist, wenn er niedriger ist, auf gröberem Geläuf sinkt die Grenze der Zugewinne bei niedrigerem Luftdruck weiter ab. Es ist aber klar, dass dies auch vom Fahrergewicht abhängig ist, beim schwereren Fahrer wird die Grenze höher sein, weil weitere Verformung irgendwann nicht mehr hilfreich ist. Es kann also der eine Fahrer, weil er auf einen
Reifen wechselt, der niedrigeren Druck erlaubt, von diesem Effekt hinsichtlich RoWi profitieren, während es ein anderer nicht tut.
Um nochmal zur Leistung zurückzukommen: Man kann seine Leistung als Fahrer ja nicht beliebig skalieren, da man zum einen eine Trittfrequenz hat, die man bevorzugt (eventuell auch abhängig vom Belastungslevel), zum anderen die Schaltung aber nur eine Anpassung der Geschwindigkeit in Stufen von irgendwas zwischen 10 und 20 % erlaubt. Wenn der Unterschied im RoWi so groß ist, dass er an einer bestimmten Steigung einen Unterschied von eben irgendwo zwischen 10 und 20 % ausmacht - was einen enormen Unterschied im RoWi bedeutet, wie ich im vorherigen Post gezeigt habe - dann fährt man, so vorhanden, einen Gang leichter und es fühlt sich genauso an, man braucht nur länger. Nun ist aber der Unterschied in der Gesamtleistung bergauf bei einem Reifenwechsel meist geringer. Das bedeutet aber nun, dass ich einen bekannten Anstieg nicht „gleich“ treten kann. Mit gleich meine ich hier, mit derselben Trittfrequenz und derselben Intensität. Um dieselbe Intensität zu halten, muss ich die Geschwindigkeit um weniger anpassen, als es ein Gangsprung bewirken würde, sprich ich muss die Trittfrequenz ändern. Oder wenn ich die Trittfrequenz beibehalte, ändert sich die Intensität, weil die Intensität eben Leistung = Kraft x Geschwindigkeit ist, v bleibt konstant und F ändert sich, weil der RoWi anders ist.
Schlussfolgerung: Speziell auf bekannten Strecken wird sich ein anderer
Reifen mit einem anderen RoWi sehr wahrscheinlich deutlich anders anfühlen, was durchaus zu einer Überschätzung von Unterschieden im RoWi führen kann, die durch die tatsächlichen Unterschiede in der Leistung nicht gedeckt sind. Das wird sich in aller Regel durch Gewöhnung an die neue Situation im Laufe der Zeit geben, aber der erste Eindruck bleibt. In diesem Sinne sind Messungen über längere Strecken sicherlich deutlich aussagekräftiger als das Gefühl beim ersten Fahren.