Dosierbarkeit ist eine Eigenschaft bezüglich derer sich Bremsen unterscheiden können und die auch getestet werden kann und getestet werden sollte.
Wenn man sich dem Thema Dosierbarkeit analytisch nähern will, gibt es imho zwei Ansätze. Das zugrunde liegende Problem ist, dass der Mensch nicht sehr gut darin ist, die Kraft, die er aufwendet, einzuschätzen, insbesondere wenn die Kräfte größer werden.Ist allerdings nicht so einfach. Da die Dosierbarkeit ja nicht nur von Hebel und Zange abhängt sondern auch von Belag und Scheibe. Letztere sind wieder temperaturabhängig und werden durch die Ungebung (Nässe, Staub) beeinflusst.
Deshalb bin ich immer etwas skeptisch wenn Bremsen grob mit „gut“ oder „schlecht zu dosieren” beschrieben werden.
Der erste Ansatz wäre, sich also gar nicht über die Kraft anzunähern, sondern über die Lage. Eine bestimmte Fingerstellung identifiziert man dann mit einer bestimmten Kraft. Um die Dosierbarkeit zu verbessern, muss man also den Weg vergrößern, den man für eine bestimmte Kraftänderung braucht. Der Vorteil dabei ist, dass man gleichzeitig die Übersetzung vergrößert, also tendenziell gut hohe Bremskräfte erreichen kann. Das Problem ist dabei, dass der Weg, den der Finger zurücklegen kann, begrenzt ist. Wird die Übersetzung zu groß, muss man entweder die Beläge in Nullstellung bereits sehr nah an die Scheibe bringen, was das Einstellen erschwert, oder die Beläge kommen am Ende nicht nah genug an die Scheibe. Das Hauptproblem in dieser Annäherung an die Dosierbarkeit ist aber, dass das System sehr konsistent arbeiten muss, sonst ist die Assoziation Stellung-Kraft nicht reproduzierbar. Ich denke, dass manche diese Assoziation mehr nutzen (natürlich ohne sich dessen bewusst zu sein), andere weniger. Das würde zum Beispiel erklären, warum manche mit Bremsen, die ein Druckpunktwandern aufweisen, überhaupt nicht zurecht kommen, während andere davon weniger gestört werden.
Die zweite Annäherung wäre, die Übersetzung degressiv zu gestalten. Die gleiche Änderung der Fingerkraft würde dann bei größeren Kräften eine geringere Änderung der Bremskraft bewirken. Das ist vorteilhaft, weil die Sensitivität für die Kraftanwendung abnimmt, wenn man mehr Kraft aufbringt. Der Nachteil dieses Ansatz ist natürlich, dass man damit tendenziell weniger Maximalkraft erreichen kann als mit linearen oder gar progressiven Übersetzungen. Was zu beachten ist: eine degressive Übersetzung kann man gezielt über die Hebelkonstruktion erreichen, eine gewisse Degressivität ergibt sich aber auch dadurch, dass sich etwa Leitungen bei hohem Druck etwas weiten können, oder durch ein Verhalten der Reibpartner, das nicht exakt dem linearen Gesetz der Reibung (Coulomb) entspricht. Das Problem der nicht gezielten degressiven Einflüsse ist dabei aber, dass sich diese nicht immer gleich verhalten (je nach Temperatur beispielsweise), was dann wieder einem erlernten Verhalten der Bremse zuwiderläuft und dadurch natürlich die Dosierung beeinflusst. Reduziert man diese Einflüsse etwa durch Stahlflex-Leitungen oder sehr konsistente Scheiben und Beläge, ergibt sich zwar eine sehr knackige (linear) und sehr konsistente Bremse, aber eventuell eine weniger gute Dosierbarkeit. Was da als besser empfunden wird, mag dann auch von den Umständen (Temperatur, Untergrund, …) abhängen.
Meine Schlussfolgerung wäre, dass die Dosierbarkeit zwar einerseits von gewissen Parametern beeinflusst wird, jeder aber doch sehr individuell darauf reagiert, sodass eine allgemeingültige Aussage über die Dosierbarkeit eher schwierig ist. Tendenzen lassen sich wohl formulieren, aber es gibt sicher einen großen individuellen Spielraum der Interpretation. Der Hintergrund ist, dass für die Dosierbarkeit nicht ein physikalischer Messwert wie etwa bei der absoluten Bremskraft ausschlaggebend ist, sondern die Sensorik des Menschen ins Spiel kommt, und die ist eben individuell unterschiedlich.