Mich hat es vor drei Wochen im Urlaub nun auch erwischt: Ich bin am 4.9.2017 im Bikeparkt gestürzt und muss wohl direkt auf meine Schulter gefallen sein. Ergebnis: Tossy III/Rockwood V.
Klar, ich habe natürlich auch das gemacht, was jeder in der Situation tut, nämlich sich im Internet erst mal bei Dr. Google zu informieren, wie das ganze geheilt werden kann, wie lange die Heilung dauert, wlche OP-Methoden es gibt, usw. Dabei bin ich auf diesen Thread gestoßen, und was ich da gelesen habe, hat mir richtig Angst gemacht. Aus diesem Grund wollte ich hier einmal meinen Verlauf schildern, um allen anderen Betroffenen Mut zu machen und auch mal mit ein paar Märchen aufzuräumen, die sich im Internet finden.
Wie gesagt, ich hatte Tossy III/Rockwood. Ich bin 40 Jahre alt, wiege 82 Kg und bin 1,85. Mein Schlüsselbein stand ungefähr 2 cm aus der Haut raus. Mir war sofort klar, dass alle Bänder durch sind, und nach dem, was ich hier lesen musste, muss ja angeblich alles ganz schnell gehen, damit die Bänder wieder schnell zusammenwachsen können. Das ist der erste Irrtum:
Ich habe drei Tage nach dem Unfall einen Termin in der Sportklinik Stuttgart bekommen. Betreut wurde ich von Herrn Dr. Frieder Mauch. Die vorgeschlagene Operationsmethode nennte sich „Twin Tight Rope“. Bei dieser Methode werden durch das Schlüsselbein zwei Löcher und durch das Schulterblatt ein Loch, jeweils 3 mm, gebohrt, extrem stabile Fäden durchgezogen (FiberWires) und jeweils mit Titanplatten unten und oben fixiert.
Diese Platten sowie die künstlichen Bänder bleiben dann ein Leben lang drin. Vorteil bei dieser Methode ist, dass man dabei gerade nicht darauf angewiesen ist, dass die ursprünglichen Bänder wieder zusammenwachsen. Das spielt bei diese Methode überhaupt keine Rolle mehr. Mein Arzt meinte, mit den künstlichen Bändern könne man notfalls auch ein Auto ziehen. Bevor diese Bänder reißen, würde der Knochen brechen. Wenn dann die ursprünglichen Bänder ihrerseits wieder zusammenfinden, sei das mit Sicherheit nichts Schlimmes. Es sei aber, wie gesagt völlig unbedeutend, da die neuen künstlichen Bänder die Funktion voll übernehmen.
Die Operation am 09.09.2017 selbst dauerte ca. 1 Stunde (Vollnarkose). Herr Dr. Mauch hat dabei keinen minimalinvasiven Eingriff vorgenommen, sondern die Schulter auf ca. 12 cm Länge aufgeschnitten, um – im wahrsten Sinne des Wortes – einen besseren Überblick zu haben und besser kontrollieren zu können, inwieweit Sehnen, Muskeln, usw. verletzt sind. Das hört sich zunächst einmal sehr brachial an. Allerdings ist die Narbe schon jetzt (nach etwas über zwei Wochen) so sauber verheilt, dass man sie gar nicht spürt. Genäht wird dabei unter der Haut, sodass auch die eitlen Fahrer unter uns keine Angst vor einer sogenannten „Piratennarbe“ haben müssen.
Irrtum 2: Die erste Woche ist, was die Schmerzen angeht, die Hölle.
Schmerzmittel musste ich nur am Tag der Operation nehmen. Schon am nächsten Tag konnte ich vollständig auf Schmerzmittel verzichten und muss bis heute keine mehr nehmen. Mit der Physiotherapie habe ich am Tag 1 nach der Operation begonnen, und ich muss sagen: die Physiotherapie ist das A und O. Ich habe gleich intensiv mit den Pendelbewegungen angefangen, die mir sofort spürbar eine deutliche Abschwellung, Abfluss der Lymphflüssigkeit sowie die Beseitigung des Taubheitsgefühls gebracht haben.
Zwei Tage später war ich schon wieder aus der Klinik draußen, und ich habe direkt mit der passiven Bewegung begonnen (30° am zur Seite, 30° am nach vorne; natürlich nur asstistiv!).
Extrem wichtig ist auch die Beweglichkeit des Schulterblatts. Dieses kann unheimlich schnell verkleben, und das bekommt man dann später nur sehr schwer und zeitintensiv wieder hin. Es ist also wichtig, gleich von Anfang an die Schulterblätter nach unten mittig zu ziehen, kurz zu halten, wieder zu entspannen, usw. => 15 × 3 Einheiten, dreimal täglich.
Am Tag fünf nach der OP habe ich begonnen, mit einem Besenstil durch Führung der gesunden Hand den Arm weiter zur Seite hochzubringen. Schmerzen hatte ich dabei überhaupt keine, aber man soll das natürlich nur so weit machen, wie man keine Schmerzen hat (jeder Körper ist da anders. Eine allgemeingültige Prognose gibt es nicht).
Heute am 24.09.2017, in der dritten Woche, kann ich, auch wenn ich das natürlich nicht darf J, den Arm aktiv auf über 90° zur Seite und 90° nach vorne bewegen.
Irrtum 3: Gilchrist muss 6 Wochen lang getragen werden.
Den Gilchrist nutze ich konsequent jede Nacht, damit da nicht ungewollt der Arm verdreht, insbesondere nicht hinter den Kopf kommt. Am Tag – ich arbeite allerdings auch nur im Büro – lasse ich den Verband weg und achte einfach konsequent darauf, dass ich keine Gewichte trage, dass der Arm nicht nach außen und innen rotiert, usw. Wenn man hier einfach ein wenig sein Gehirn einschaltet und im Blick hat, dass man keine gesunde Schulter hat, sollte ein solcher Tag problemlos zu überstehen sein, ohne dass man seinen Arm ständig in der Schonhaltung fixiert halten muss. Der Vorteil dabei ist halt, dass die Muskulatur viel langsamer abbaut und dass man die Beweglichkeit aufrechterhalten kann. Eine Belastung der Schulter sollte natürlich in keinem Fall erfolgen. Da halte ich die ersten drei Wochen konsequent ein.
Ich möchte euch allen Betroffenen mit meinem Bericht nur zeigen, dass es auch anders laufen kann. Hakenplatte, Kirschnerdraht, usw., sind heute nicht mehr State of the Art, und wenn Ihr Euch schon entschließt, eine OP zu machen, geht bitte auf die aktuelle Methode, die den größten Erfolg verspricht. Die ist – nach heutigem Stand - eben die oben beschriebene Methode.
Wichtig erscheint mir die Physio. Und damit meine ich nicht nur die Termine. Am wichtisten ist, dass die Übungen konsequent gemacht werden. Es gibt hier keine allgemeingültige Lösung, nur den Tipp: Hört auf Euren Körper. Dort wo es weh tut, muss natürlich sofort Schluss sein. Aber wichtig ist, dass Ihr sofort von Anfang an die Mobilität - so gut es eben geht - aufrecht erhaltet. Es bringt nichts, die Sache nach hinten zu schieben ("Nach 3 Monate, wenn alles ausgeheilt ist, gehe ich dann ins Studio"). Bleibt sofort am Ball, dann habt Ihr erträglichen Muskelschwund und - vor allem - keine Depressionen und sofort erste Erfolgserlebnisse. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich, dass ich theoretisch schon in drei Wochen, aus Vorsicht natürlich aber erst in drei Monaten, wieder voll in den Bikesport einsteigen könnte.
Die Sportklinik Stuttgart, insbesondere Herrn Dr. Frieder Mauch, kann ich nur empfehlen. Die Einrtichtung der Sportklinik selbst sowie die Organisation ist eine Katastrophe, aber die Onkel Doktoren, die hier am Werk sind, sind Künstler - anders kann man das nicht sagen. Ich habe ein Röntgenbild von dem Ergebnis gesehen: absolute Symmetrie zwischen beiden Schultern/Spatlmapßen.Bei Gelegenheit schicke ich noch ein paar Bilder nach...
Euch allen eine gute Besserung - StayStrongAndHungry!
Ben