"Flitzen nach Sitzen" oder "Wenn der Anschluss mal verstopft ist"
Unsere Anfahrt nach Wolfratshausen
Tag 1 || 12. August: KW - Wolfratshausen* | 0:45 h | 10 km (bzw. 700 km in 11 h)
Ein Sommersonntag, mitten im August. Die strahlende Sonne, der blaue Himmel, ein Runterrauf, eine Renn.schnecke, ein Fully, ein Hardtail, zwei Deuterrucksäcke... es kann los gehen! Dolomiten, wir kommen!
Anderthalb Wochen Alpenüberqueren liegen vor uns. Runterrauf will nun endlich mal auch!
Vor diesem Abenteuer steht aber noch das Abenteuer Bahnfahrt:
Wir wollen zu zweit mit dem Schönes-Wochenende-Ticket bis zum Starnberger See. Der liegt zwar noch nicht in den Alpen, aber angesichts unserer einzigen möglichen Bahnverbindung gibt es keine vernünftige Alternative. 10 Stunden Fahrt und fünf Mal umsteigen stehen uns bevor.
Wenn wir gewusst hätten, was uns erwartet, hätten wir wahrscheinlich anders geplant...
Am Ende. Was will mir RR mit der mitgebrachten Zeitung sagen?
Runterrauf will mit der S-Bahn nach KW kommen. Er ist noch nicht mal auf dem Bahnsteig (!!), da hört er schon, dass seine S-Bahn sich verspäten wird.
15 min Umsteigepolster reichen aber aus, um rechtzeitig da zu sein: Kunststück, denn unser erster gemeinsamer Zug hat auch gleich mal Verspätung. Ich fang schon mal an, nervös von einem Bein aufs andere zu wackeln, denn in Cottbus haben wir nur vier Minuten, um von Gleis 2 auf Gleis 5 zu gelangen. Unser Zug hat dann auch gleich mal eben jene vier Minuten Verspätung.
Der Zugbegleiter ist echt nett, fragt jeden Anschlusszug in Cottbus an, ob er wartet. Natürlich wartet genau unser Zug nach Leipzig nicht. Tolle Wurst! Sollte unser Plan schon zu Beginn in Schall und Rauch aufgehen?
In Cottbus einrollernd sehen wir unseren Zug noch im Bahnhof stehen. Optimisten, die wir sind, springen wir aus dem fast noch fahrenden Zug auf den Bahnsteig, hüpfen alle Stufen auf einmal nehmend in den Tunnel, umkurven die anderen Bahnkunden im Slalom, surfen die Treppe wieder hinauf und - erreichen den Zug rechtzeitig! Kunststück, denn er wartet doch.
Unser Fahrräder sind die ersten im Radabteil. Aber bei weitem nicht die letzten. Rien ne va plus - nichts geht mehr. Die verkeilte Horde wird immerhin von der Zugbegleiterin bewacht.
Aber es soll noch viel besser kommen!
Mit einiger Verspätung geht es von Cottbus nach Leipzig. In Leipzig nimmt sich Runterrauf der Koordination an und deligiert Fahrräder, Passagiere, Gepäckträgertaschen, Türen und Tore: Ich reiche ihm die Räder der Fahrgäste aus der schmalen Tür heraus, während zwei andere die immer wieder zufallende Automatiktür (yeah!) aufhalten. Das Ganze ist nicht so einfach, da jeder in Hektik und Eile ist und unbedingt und gleich zu seinem Zug (natürlich genau wie wir nach Hof) muss!
Im nächsten Zug sieht es dementsprechend aus, aber Zugbegleiterin Frau Bauer bleibt cool und lässt alle gewähren. Cool!
In Hof (schon wieder Hof! Mein Alptraumbahnhof... ich sag nur "vergessener
Helm" oder auch "2 h Zwangspause") müssen wir uns wiederum beeilen. Die 10 min Umsteigezeit ist auf ungefähr 0 min geschrumpft. Ich also mein Rad durch einen Waggon getragen, damit nicht alle Räder aus ein und derselben Tür rausfallen müssen. Schon mal den ersten doofen Kommentar kassiert.
Dieses Mal mussten wir nur auf das gegenüberliegende Gleis. Alles gut? Denkste! Viel zu kleine und viel zu wenige Radabteile! Und ein Zugbeleiter, der es nicht toleriert, dass die Drahtesel im Gang stehen.
Kurz und knapp: die Ansage, dass der Zug wegen "uneinsichtiger Radfahrer" nicht losfahren wird + "die Bundespolizei ist aber schon unterwegs", schaukelt alle radlosen Bahnkunden (und die waren in der Mehrzahl) gegen die "Bösewichte" auf. Unsere Räder stehen im Übrigen nicht im Gang. Ich war sogar mittlerweile auf Klo und hab dort mein Bike auseinander gebaut. Die Laufräder liegen auf der Ablage, der Rest steht auf RRs Bike. Oje, oje, jetzt muss es ganz furchtbar leiden.
Eine Oma wird mit ihrem Rad aus dem Zug geblöckt. Die Stimmung ist echt geladen. Schade, dass wir behelmt, also "gezeichnet" sind...
Gleich beginnt die Meuchelei... Man kann quasi die Gereiztheit bzw. vielmehr die Aggressivität die Wände hinunter rinnen sehen.
Zwei Polizisten schlendern dann auch über den Bahnsteig. Eine Ansage kleckert über die Lautsprecher: ein weiterer Waggon wird an den Zug geklemmt. Na also, warum nicht gleich so! Oma kann nun doch mit.
Währenddessen singt eine junge Mutti ihrem Kind "eine Zugfahrt die ist lustig..." vor.
Nach Regensburg haben wir es also mit (er)hängen und (er)würgen geschafft. Ganz langsam werden die gewetzten Messer wieder eingesteckt, wir setzen unsere rollenden Köpfe wieder auf und ich bau mein Rad zusammen. Zur Abwechslung müssen wir uns mal nicht beeilen, denn unseren Zug nach München haben wir eh verpasst.
Nehmen wir also den nächsten Alex. Der hat wieder vernünftige Radabteile, voll ist es trotzdem. Die Messer werden wieder gewetzt.
Zum Glück finden wir ein Abteil, wo noch normale Menschen sind, die teilweise regelrecht glücklich sind, aus dem Gröbsten raus zu sein!
Wenn wir nicht noch S-Bahn gefahren wären, hätte ich gesagt, dass der erste Zug, also der im VBB-Bereich echt der geilste war!
Die S-Bahn war nämlich leeeeer.
Haaallllo, ist hier jemand? Na, erstmal Abendbrot im leeren Zug genießen.
RR zu RS: Guck mal, eine Bobbahn.
In Wolfratshausen angekommen, wo Runterrauf nach einem Telefonmarathon mit lauter unsagbaren Unterkunftsinhabern eine feine Wohnung bei netten Leuten gefunden hatte, ist die Nacht auch schon da. Wir pedalieren um drei Ecken und können in unsere Bettchen schnecken.
*Zimmer bei privat 20 EUR Ü