slowracer schrieb:
Da ich mich mit der Dämpferanlekung nicht so auskenne, frag ich hier noch mal nach:
Bedeutet eine progressive Anlenkung, dass sich bei konstanter Kraft auf das Hinterrad die Kraft auf den Dämpfer mit dem "eintauchen" erhöht?
Hi,
bevor hier Drücke und Federwege diskutiert werden, ist es wichtig, das Bezugssystem festzulegen. Und hier werden Erklärungen abgegeben, die nicht das gleiche Bezugssystem und die gleichen Kräfteverhältnisse als Grundlage haben. Daraus erscheinen die Aussagen widersprüchlich, was ich mal versuchen möchte aufzuklären:
Progression:
Progression ist eine Umsetzung (oder besser Übertragung) des konstanten Einfederns der Schwinge (Hinterradachse) in einen immer größer werdenden Einfederweg des Dämpfers.
(im Gegensatz dazu lineare Anlenkung:
Das Verhältnis zwischen Einfedern der Hinterradschwinge und des Dämpferweges kann in einem konstanten Verhältnis, also z.B. 2:1, ausgedrückt werden.)
Beim Luftdämpfer wird im stark komprimierten Bereich auch eine Progression erlangt, was ein Durchschlagen von Luftdämpfern sozusagen unmöglich macht.
Das kommt aber aber nur bei wirklich extremen Einfederraten (Maximale Schwingenauslenkung) zum Tragen. Ein Luftdämpfer wird deshalb vornehmlich für die Nutzung des annähernd linearen Bereiches ausgelegt. (Korrigiert mich bitte, wenn das nicht stimmt).
1. zu Axel 123:
''Je progressiver die Anlenkung ausgelegt ist, umso geringer kann der benötigte Luftdruck sein.''
Du gehst hier vom Kräftegleichgewicht bei maximaler Belastung des Dämpfers aus.
Beim maximalen Einfedern der Schwinge wird auch der Dämpfer durch die dann entstehende größte Hebelübersetzung maximal zusammengedrückt. Um den gleichen, maximalen Federweg wie bei einer linearen Geometrie zu erhalten, benötigt der progressiv angelenkte Dämpfer deshalb grundsätzlich folgerichtig weniger Luftdruck.
Allerdings muß man dabei beachten, dass die Progression erst mit dem Einfedern zunimmt, d.h. am Anfang wird der Dämpfer sich aufgrund des niedrigeren Luftdrucks stärker zusammendrücken, d.h. dass das 'SAG' größer ausfällt als bei einem Dämpfer mit höherem Luftdruck.
Soll das Sag aber klein bleiben (= höherer Druck im unbelasteten Dämpfer bei progressiver Geometrie), so will ja eine progressive Anlenkung den Dämpfer beim Einfedern quasi immer mehr zusammendrücken, was bei gleicher Belastung (gleicher Fahrer) zu einer Verringerung des maximalen Federweges am Hinterrad führt. (Der Dämpfer baut zu einem früheren Zeitpunkt - geringeres Einfedern der Schwinge - als bei linerarer Abstimmung das Kräftegleichgewicht auf).
Hier muss man also die optimale Abstimmung mit unterschiedlichen Anlenkpunkten (sofern diese optional vorhanden sind) und Luftdrücken erspielen.
zu Dani:
''Wenn der Sag am Hinterrad gleich bleiben sollte, dann benötigt man bei der progressiveren Anlenkung einen höheren Druck, um denselben Sag zu erreichen, denn das Übersetzungsverhältnis von Federweg zu Dämpferhub ist im ersten Bereich des Federwegs grösser (wenn progressiv), somit
1. wirkt bei gleicher Kraft auf das Hinterrad die grössere Kraft auf den Dämpfer und um das zu kompensieren, muss der Dämpfer ein wenig härter gepumpt werden
2. muss der Dämpfer bei gleichem Sag am Hinterrad etwas weniger einfedern,¨was auch nur mit höherem Druck im Dämpfer erreicht werden kann.
Die Belastung auf den Dämpfer und den Rahmen ist aber am Schluss des Federwegs kleiner, da dort das Übersetzungsverhältnis auch kleiner ist bei progressiver Anlenkung.''
Du ziehst den Vergleich und definierst den Nullpunkt im Einfedern durch die Fahrerbelastung (SAG).
Du gehst jetzt davon aus, dass die progressive Anlenkung am Anfang bis zum SAG weniger 'Weg macht' als eine lineare Anlenkung, und dass sie im Bereich des gewünschten (!) SAG den gleichen Weg, und danach bis zum maximalen Einfedern der Schwinge mehr Weg macht als die lineare Anlenkung.
Unter dieser Annahme stimmen dein Punkte 1. und 2. (drehmoment = kraft * hebelarm)
''Die Belastung auf den Dämpfer und den Rahmen ist aber am Schluss des Federwegs kleiner, da dort das Übersetzungsverhältnis auch kleiner ist bei progressiver Anlenkung.''
Stimmt schon von der Überlegung her, aber auch nur für die Kraft im Dämpfer selbst, nicht für die resultierenden Kräfte im Rahmen.
Es gilt zu beachten:
Die Belastungen in den Umlenkpunkten auf den Rahmen sind letzendlich bei einer konstanten Belastung des Fahrrades (z.B. Fahrer mit 80kg im Stand) gleich, egal ob progressive oder lineare Anlenkung. (Kraft * Hebelarm)Letzendlich belastet das Fahrergewicht das Rad, und dieses Gewicht wird abgefangen durch eben verschiedene Hebelverhältnisse und die entsprechend benötigten Drücke im Dämpfer:
a) Langer Hebel zum Dämpfer hin = geringe Untersetzung = geringe Kraft = wenig Weg der Dämpfer-Kolbenstange = wenig Einfedern
oder
b) kurzer Hebel zum Dämpfer hin = hohe Untersetzung = hohe Kraft auf den Dämpfer, langer Weg der Dämpfer-Kolbenstange = viel Einfedern.
Allerdings steigt die Belastung auf den Rahmen immer, je mehr Kräfte (Fahrergewicht) von der Federung aufgenommen werden müssen.
zu slowracer
zu Deiner Frage:
Stimmt von der Überlegung, ist aber nicht ganz korrekt ausgedrückt:
''Ja, bei gleichmäßig steigender Kraft auf das Hinterrad wächst die Kraft auf den Dämpfer in einem größeren Maße.''
Fakt ist, dass bei gleichem bleibendem Federweg der Schwinge der Einfederweg des Dämpfers wächst. Das ist aber in der Realität nicht der Fall, denn der Dämpfer baut ja auch mit stärkerem Komprimieren eine stärkere Gegenkraft auf, die die Belastung wieder auffängt.
Schwierig zu erklären, aber man muss eben immer alle Faktoren mit berücksichtigen....
Progression ist gleichzusetzen mit einer linearen Anlenkung, bei der über den kompletten Federweg gleichzeitig mit dem Einfedern der Druck des Dämpfers konstant durch gleichmäßiges Aufpumpen höht wird.
Wie sind die Effekte auf den Federweg? (Beispiele des Einfederns zur Veranschaulichung, maximaler Dämpferweg 5cm)
1. Linear: Wegeverhältnis Schwinge-Dämpfer 2:1
25 kg Belastung, Schwinge 2cm einfedern, Dämpfer 1cm einfedern
50 kg Belastung, Schwinge 4cm einfedern, Dämpfer 2cm einfedern
75 kg Belastung, Schwinge 6cm einfedern, Dämpfer 3cm einfedern
100 kg Belastung, Schwinge 8cm einfedern, Dämpfer 4cm einfedern
Es bleiben effektiv zwischen SAG und maximalem Schwingenausschlag 6cm Federweg übrig.
2. Progressiv: (der Dämpfer ist der gleiche, gleicher Luftdruck)
25 kg Belastung, Schwinge 4cm einfedern, Dämpfer 1cm einfedern
50 kg Belastung, Schwinge 6cm einfedern, Dämpfer 2cm einfedern
75 kg Belastung, Schwinge 7cm einfedern, Dämpfer 3cm einfedern
100 kg Belastung, Schwinge 7,5cm einfedern, Dämpfer 4cm einfedern
Die Progression führt hier dazu, dass a) das SAG größer wird, weil die Übersetzung der Hebel von Schwinge zu Dämpfer am Anfang größer ist, und b) zwischen SAG und maximalem Ausschlag der Schwinge nur noch effektiv 3,5 cm Federweg unter Belastung 'übrig' bleiben.
3. Progressiv: (der Dämpfer ist der gleiche, weniger Luftdruck = Ziel ist maximale Auslenkung der Schwinge = 8cm)
25 kg Belastung, Schwinge 4cm einfedern, Dämpfer 2cm einfedern
50 kg Belastung, Schwinge 6cm einfedern, Dämpfer 3cm einfedern
75 kg Belastung, Schwinge 7cm einfedern, Dämpfer 4cm einfedern
100 kg Belastung, Schwinge 8cm einfedern, Dämpfer 5cm einfedern
Die Progression führt hier dazu, dass zwischen SAG und maximalem Ausschlag der Schwinge nur effektiv 4 cm Federweg unter Belastung 'übrig' bleiben.
Das Bike federt zwar maximal ein, vergeudet aber die Hälfte seines gesamten Federpotentials durch den niedrigeren Dämpferdruck und das resultierende, größere SAG.
In Fall 2 und 3 ist die Progression der Anlenkung des Dämpfers zu hoch, der insgesamt verfügbare Federweg kann nicht voll ausgenutzt werden, obwohl der Dämpfer jeweils fast immer seine 5cm Gesamtfederweg nutzt.
Hier hilft dann nur noch eine andere Schwingenanlenkung zur Änderung der Progression hin zu einer lineareren Kennline, oder, falls das nicht möglich ist, der Kauf eines anderen Dämpfers, bzw. einer anderen Feder beim Stahldämpfer.
Hoffe das hilft...
gruß