Andreas 2905 schrieb:
Hallo Leute,
ich möchte mir einen Hund zulegen der mich auch auf auch meinen Touren begleiten kann. Meine Touren dauern meist 6-8 Stunden und gehn bis 70 km meist auf Singletrails mit 1500 bis 2000 hm.
Welcher Hund macht so was mit? Dalmatiner soll sehr lauffreudig sein.
Hat von Euch jemand Erfahrung?
Gruß Andreas
Erfahrung ja

/ Empfehlung eher nicht
Wir haben seit 1999 einen Rhodesian Ridgeback in XXL (+60 kg, 76 cm, im Gegensatz zu mir keinen nennenswerten Fettanteil

). Ridgeback sind sogenannte Allrounder. Gezüchtet für die Großwildjagd (Löwen

, deswegen auch der deutsche Name "afrikanischer Löwenhund") mussten sie stundenlang neben den Großwildjäger zu Pferde laufen. So sind u.a. Sloggis (Nordafrikanische Windhunde), Pointer (englische Jagdhunde) und Bluthunde (amerikanischer Schweisshund) eingekreuzt worden. Ziel war es, einen eigenständigen Jagdhund mit hoher Ausdauerleistung, kurzfristig hoher Endgeschwindigkeit, extreme Wendigkeit und sehr guter Nasenarbeit zu selektieren. Vorteil ist ihre relative hohe Lebenserwartung von rund 12-15 Jahre bezogen auf ihre Größe. Nachteil ist aber ihre lange Entwicklungszeit. Körperlich ausgewachsen sind sie sind meist erst mit 2,5 Jahre, obwohl viele Besitzer davon erzählen, dass ihr Hund mit 3 Jahren nochmal einen Schuss gemacht hat. Unser DJ-Sam ist vom 2. zum 3. Lebensjahr hin um mehr als 8 cm gewachsen

und hat von rund 45-48 kg auf 58 kg zugelegt

.
Die ersten zwei Jahre hat uns der Züchter ausdrücklich von 'Fahrradfahren'

abgeraten, da sich erst das gesamte Skelett ausbilden und festigen zu. Dies gilt auch für Muskeln, Bändern und Sehnen. Ehrlich, wir haben den Tag als wir erstmalig das Bike 'ausgepackt' haben, herbeigesehnt. Als Welpe und Junghund hat uns DJ-SAM ca. 5 Stunden am Tag durchs Gelände geschleift. Müdigkeit war ein Fremdwort für ihn. Als Angestellte hätten wir seinen Bewegungsdrang wohl kaum befriedigen können.
Die Theorie und praktische Übungen
Im August 2001 begann meine MTB-Karriere.

DJ-SAM war zu dem Zeitpunkt 2 Jahre 3 Monate alt. Zuerst habe ich ihn an der Leine neben dem Bike geführt. Das Bike habe ich wohlgemerkt geschoben. Dann nach - ich weiß nicht wieviele Stunden - habe ich mich aufs Bike gesetzt und bin geschneckt. Ziel war es in vielen Stunden, den Hund an den richtigen Abstand zu gewöhnen (keine Kollision mit den Pedalen, nicht ins Vorderrad laufen, nicht schlagartig stehenbleiben auf welchem Grund auch immer, Radius bei Kurven berücksichtigen (Außen-/Innenradius, Hund habe ich links geführt, da vorher schon "Im fuss gehen" links gemacht wurde und (Achtung) meine Hinterradbremse rechts montiert ist) und keine unerwünschten Zwischensprints an der Leine sowie kontroliertes Verhalten im Straßenverkehr an der Leine neben dem Bike (keine Ahnung wieviele Stunden das gedauert hat).
Von August 2001 bis Frühjahr 2002 habe ich zu allen Tages- und Wetterzeiten ohne reines 'Gassigehen' ca. 1-2 Stunden in mehreren Lehrsessions mit DJ-SAM geübt. Plus Begleithundkurs und spezieller Stadt-/Straßenlehrgang (Extremsituationen). Das waren schon einige hundert Stunden.
Ab Sommer 2003 war unser Hund top ausgebildet. Speziell fürs Biken sind die Befehle
- links -> Richtungsänderung
- rechts -> Richtungsänderung
- komm -> aufschliessen z.B. nach Pinkelpause
- Rad -> analog zu Fuss, nur nicht so eng, spricht ca. 1m Abstand links auf Lenkerhöhe
- Halt
'installiert' worden.
Die Praxis:
DJ-SAM trägt einen Brustgurt (sollte man bei Hunden sowieso nur nutzen, Sprung in die gespannte Leine mit Halsband kann zu einer tödlichen Halswirbelverschiebung führen

) und eine Lederkurzleine. Sie ist ca. 30 cm lang, besitzt an einem Ende einen Karabinerhaken und an der anderen Seite eine Schlaufe. Eingeklinkt wird sie oben auf dem Brustgurt hinter den Schulterblättern. So hängt sie herab, und der Hund kann in keiner Situation mit den Pfoten darin hängenbleiben. DJ-SAM muss in der Freilaufphase immer schräg neben mir oder vor mir laufen. So bekommt man stets mit, ob eine 'Pause' einlegen will. Läuft der Hund hinter einem her, kann je nach Ablenkung (gerade bei Hunden mit noch nichtkonditioniertem Jagdtrieb) schnell der Kontakt abreissen. Bei durchschnittlich 15 km/h werden rund 4 m/s zurückgelegt. Bleibt der Hund stehen oder verfolgt im schlimmst Fall eine Spur in entgegengesetzter Richtung vergrößert sich der Abstand innerhalb von zwei Minuten auf rund min. 500 m

. Eine Abzweigung oder Wegesbiegung und es besteht kein Sichtkontakt. Keine Sorge, der Hund findet Euch schon. Aber andere Waldnutzer finden einen offensichtlich freilaufenden, nicht kontrollierten Hund überhaupt nicht prickelnd. Während der Brut- und Setzzeit sind freilaufende Hunde im Wald nicht erlaubt. Dies gilt auch für Schutzgebiete ganzjährig. Also, entweder läuft der Hund kontrolliert neben oder vor einem. Unter kontrolliert verstehe ich, Befehlsgehorsamkeit und Radius grob 10-20 m jenach Geschwindigkeit.
Die ersten 10 Minuten nutzen wir zum Lösen, Schnüffeln und Markieren, d.h die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt unter 10 km/h. Dann kann es losgehen. Bis ca. 20 km/h trabt er, dannach verfällt er in leichten Galopp. Dauerleistung liegt etwa bei 10-20 km/h ganz stark abhängig von der Außentemperatur und Höhe der Luftfeuchtigkeit. Idealtemperatur liegt deutlich unter 15 ° C. Ab ca. 25 ° C fällt die Leistungskurve rapide ab. Im trainiertem Zustand sind 40 km und mehr kein Thema gewesen. Heute in seinem siebten Lebensjahr läßt er es etwas ruhiger angehen. HAuptproblem ist die Beschaffenheit des Geländes. Ganz, ganz übel sind längere Strecken auf geschottertem Boden bzw. rauhem Naturfels. Da hat sich sich DJ-SAM schon einige Blasen an den Pfoten gelaufen. Naturbelassene Singletrails möglichst ohne Schotter oder Naturfels sind ideal, da sie die besten Dämpfungseigenschaften besitzen.
Allerdings wird an jeder Wasserstelle ein Zwischenstop eingelegt. Ideal, wenn der Trail neben einem Bach oder Fluss verläuft.
Den Wasserbedarf sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Obwohl ich meine Routen immer so legen, dass wir möglichst viele 'Wasserstellen' passieren, sollte man gerade im Sommer zusätzlich Wasserflaschen mitnehmen, da häufig die 'Wasserlöcher' ausgetrocknet sind.
Bei warmen Wetter hat mein Hund rund 0,5 bis 1 l pro Stunde 'verbraucht'.
Auch sollte man den Energiebedarf nicht unterschätzen. Wer Ausdauersport mit Hund betreiben will, muss die Anzahl der Mahlzeiten erhöhen (mindestens 2 besser mehr), die Letzte mindesten 2 Stunden vor der Tour. Anfänglich nicht mehr füttern, sondern überprüfen, ob der Hund abnimmt. Ggf. auf Futtersorte desselben Herstellers

mit höherem Energiegehalt wechseln. Zusätzlich sollten 'Powerriegel' für Hunde mitgenommen werden. Der Hund darf weder zunehmen noch abnehmen, d.h. Faustregel: die hinteren Rippenbogen zeichnen sich leicht im Fell ab, sind spürbar, aber der Hund sieht nicht knochig aus.
Sehr wichtig sind die genetischen Veranlagungen der Eltern bzw. Vorfahren. Es sollten nur ein Hund gekauft werden, bei dem weitesgehend Dysplasien (HD-A Status ideal) ausgeschlossen werden können. Also nur mit Papiere und Stammbaum (nicht der Name ist wichtig, sondern die genetische Disposition und positive charakterliche Eigenschaften).
Dennoch muss Dir folgendes klar sein:
Jeder Welpe ist eine Wundertüte, d.h. ein individuelle Lebewesen. Du kannst durch umsichtige Auswahl und Kauf viel für eine genetisch optimale Voraussetzung schaffen. Durch optimale Erziehung (konsequent und ohne körperliche Härte) und langsame Gewöhnung an die vielfältigen Aufgaben (Familienhund, BEgleithund etc.) forderst und förderst DU den Hund. Aber dennoch besteht ein Restrisiko. Denn Du kannst trotz aller 'Vorsichtmaßnahmen' einen laufunwilligen Hund erhalten bzw. einen Hund, der an der Aufgabe des Bikebegleithundes keinen Spass hat oder der trotz aller Erziehungsmaßnahmen während des Bikens negative Eigenschaften zeigt (Angriff von anderen Hunden, Jagdtrieb etc.).
Dann darfst Du wieder alleine fahren. Leider hast DU dann fürs Biken weniger Zeit, da Du Dich ja noch anderweitig mit dem Hund beschäftigen musst.
Trotzdem musst Du grob jeden zweiten Tag das Biken mit Hund ausfallen lassen, da der Hund in erster Linie ein Nasentier ist und diese für ihn wichtige Eigenschaft beim Biken nur unzureichend ausleben kann. Auch lange Wanderungen mit Hund sind ideal.
Auch halte ich 70 km mit 1.500 bis 2.000 hm für eine regelmäßig Tourleistung für zuviel. JE nach Gelände und Temperatur sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit inkl. echter Pausen auf deutlich unter 10 km/h, d.h. das werden dann echte Ganztagestouren.
Auch der oft zitierte Vergleich mit Huskies hinkt, da diese im Gespann auf gedämpften Wegen (schnee-/eisbedeckt) laufen. Auf Asphalt oder Schotterwegen nimmt die Bodendämpfung stark ab, und damit nimmt die Möglichkeit der Gelenk- und Bänderreizung zu.
Falls Du den idealen Hund findest, wird Dir ein seriöser Züchter folgende Fahrplan aufzeigen.
2/3Monat bis 1. Lebenjahr Welpengruppe, Sozialisation, Junghundgruppe und Spielen, spielen, spielen
1.-2. Lebensjahr spezielle Kurse z.B. Begleithund, Agility, Stadtkurse, Desensibilisierung durch unvorhergesehene Umweltaktionen (Fahrradfahrer, Autos, Skater, Kinder, U-Bahn, Bahnhöfe, Straßenverkehr, Parkplatz, Unterführung, Tiefgarage, Treppenhaus, Fahrstuhl und, und, und)
2. -3. Lebensjahr Gewöhnung ans Bike, Training mit und am Bike, erste kleinere Touren. Konditioneller Aufbau
3. - ca. 8. Lebensjahr Phase max. körperlicher Leistungsfähigkeit, je nach Hund auch kürzer.
Jenseits der 6-8 Jahre sind leistungsorientierte Touren nicht mehr möglich. Nach meiner und durch andere Hundebesitzers Erfahrung sind dann bestenfalls noch Halbtagestouren möglich.
Fazit:
Du steckst viel Zeit und Geld in den Aufbau eines Bikekameradens, der Dich unter idealen Bedingungen max. 5 Jahre nach Deinen Kriterien begleiten kann. Dem gegenüber stehen z.B. Rigdebacks ca. 10 Jahre nicht bikeorientiere Lebenszeit gegenüber.
Was will ich Dir damit sagen:
Es gibt nicht vieles, was schöner ist, als morgens zum Tagesanbruch im Früsommer/Herbst mit dem Hund auf eine ausgedehnte Tour aufzubrechen. Und dann alleine mit sich und dem Hund die Natur wahrnehmen und genießen. Traumhaft.
Aber nur wenn der Hund Lust hat.
Ähnlich wie in der Ehe heißt es in guten und schlechten Tages zueinander einzustehen.
Und das bedeutet irgendwann nicht mehr mit dem Hund biken zu fahren, da er älter und schwächer geworden ist. Möglicherweise sogar weniger zu biken, weil man sich jetzt anders mit dem Hund beschäftigen muss.
Ohne Dir nahe zu treten, wir wollten ein Hund um des Hundes Willen. Dass er drei Jahre lang intensiv mit mir neben dem Bike gelaufen ist, war ein Glück. Aber immer häufiger signalisiert er, dass er keine Lust hat, mitzufahren. Oder er gibt ein langsameres Tempo vor und verkürzt die Touren (er kennt ja schließlich die meisten). Andererseits gibt es Tage, wo ich nach Stunden deutlich platter als der Hund bin.
Wenn es Dir 'nur' um eine Alternative der Tourbegleitung geht, dann sage ich Dir ganz offen:
Such Dir einem menschlichen Bikepartner. Der ist auf einen Zeitraum von 10-15 Jahre weniger anstrengend, kostenintensiv und freiheitseinschränkend.
Selbst wenn nicht, besteht trotzdem das Risiko, einen Hund zu erwählen, der nicht die idealen Bikebegleithundvoraussetzungen mitbringt. Übrigens wie die Mehrheit der Menschheit.
Nimm Dir viel Zeit für die Auswahl (bei uns über ein Jahr intensiver Veschäftigung; Kinder schaffen sich leichter an

), prüfe Deine eigentliche Intention.
Viel Spass wünsche ich Dir mit der richtigen Entscheidung für Dich.
VG Martin