Lenkwinkel am Mountainbike: Flach oder steil – einfach erklärt!

Lenkwinkel am Mountainbike: Flach oder steil – einfach erklärt!

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In unserem Grundlagen-Artikel zum Thema Rahmen haben wir uns auch ein wenig mit dem Thema "Lenkwinkel" befasst, doch in Anbetracht der starken Entwicklungen auf diesem Feld ist es mehr als angebracht, diesen Thema einen eigenen Artikel zu widmen. Jeder kennt ihn, den Lenkwinkel. Doch was beeinflusst ihn und wie beeinflusst er das Fahrverhalten eines Mountainbikens?

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Lenkwinkel am Mountainbike: Flach oder steil – einfach erklärt!
 
Ich finde, der Artikel ist ein guter Anfang, aber so sehr vereinfacht und auf die Fokussierung auf den Lenkwinkel geschnitten, daß er schon fast mehr Unwissen produziert als Wissen.

In sehr vielen Bereichen (nicht nur MTB) wir immer versucht, eine Fülle von Parametern mit einem einzigen Wert zu beschreiben. Gerade die Fahrstabilität von Fahrrädern ist da ein sehr heikles Thema, das nach meinem Wissen noch nicht vollständig verstanden ist. Und hier wird der Eindruck vermittelt, daß der Lenkwinkel ein Hauptmerkmal für die Fahrstabilität ist.

Ein ganz wichtiger Wert, der nur am Rand erwähnt wird, ist der Nachlauf. Ohne den wird ein Rad praktisch unfahrbar. Wie der Nachlauf erzielt wird, hängt dann sehr von anderen Rahmenbedingungen ab, z.B. gewünschter Radstand, Federungsrichtung (für Federgabeln), Laufradgröße, konstruktive Vorgaben (z.B. gerade Gabel, Federgabel), gewünschte "statische" und "dynamische" Fahrstabilität (bringe ich weiter unten noch), usw. .

Wenn man in die Liegeradszene schaut, sind dort sehr viele radikal andere Konstruktionen zu finden als im MTB-Bereich. So gibt es Liegeräder mit ca. 95° Lenkwinkel (d.h., die Gabel zeigt nach hinten), um einen möglichst kurzen Radstand zu erzielen, bei gegebener Sitzlänge. Genauso gibt es die Knicklieger ("Flevos"), die einen Lenkwinkel von geschätzt 45° haben. Bei den Fronttrieblern (z.B. Zox), wo die Gabel wegen dem Kettenzug gerade sein muß (ohne Gabeloffset), hat sich bei den 20"-Rädern ein Lenkwinkel mit ca. 75° als sehr gut herausgestellt. Alle diese haben gute, angenehme Fahreigenschaften, weil eben die Gesamtheit von allen Parametern sorgfältig gewählt worden sind. Auch der "Urahn aller Bikes", das Rad von Drais, hat gute Fahreigenschaften gehabt, und das bei einem Lenkwinkel von 90°. Er hat dafür einen Gabeloffset von ca. -15 cm gehabt (die Gabel war also ca. 15 cm nach hinten "gebogen"), was einen sehr satten Nachlauf von ca. 15 cm ergeben hat. Viele der "Nachbauten" haben genau diese Konstruktionsmerkmale mißachtet und Null Nachlauf eingebaut. Entsprechend unfahrbar waren diese Geräte dann.

Auch die Bemerkung, daß ein flacher Lenkwinkel ein abkippendes Fahrverhalten bringt, ist so nicht richtig. Beispiel: Die uralten "schwarzen Schleifer", die einen sehr flachen Lenkwinkel haben, sich aber auch bei Schrittgeschwindigkeit freihändig fahren lassen. Das hängt gerade in diesem Fall auch mit dem flachen Lenkwinkel und dem großen Gabeloffset zusammen. Diese Kombination bewirkt, daß beim Einlenken die Einbauhöhe vergrößert wird, und in der Folge das gesamte Rad (Rahmen) angehoben wird. Dadurch ergibt sich eine "statische" Stabilität, sprich, die Lenkung geht auch im Stand auf "geradeaus", weil das dem niedrigsten Gesamtschwerpunkt entspricht. Umgekehrt gibt es Konstellationen aus Lenkwinkel, Laufradgröße und Gabeloffset, bei denen der Schwerpunkt beim Einlenken nach unten geht. Statisch ist so ein Rad "labil", weil es im Stand immer einlenken will. So eine Konstellation habe ich mal an einem Liegerad gehabt. Durch die "dynamsiche Stabilität" (Nachlauf, Kreiselkräfte), die nur beim Fahren wirken kann, war das Rad ganz locker und angenehm zu fahren, so lange man den Lenker gehalten hat, und wenn es nur mit einem Finger war. Beim Lenker loslassen ist man aber sofort in eine Kurve geschossen.

Wie im Artikel ja angeschnitten, haben die flacheren Lenkwinkel auch viel zu tun mit den inzwischen akzeptierten längeren Radständen und der damit verbundenen geringeren Überschlagsgefahr. Nur muß halt dann alles angepaßt werden, auch der Gabeloffset. Und da wird es halt schwieriger, weil die Gabelhersteller verständlicherweise keine Kleinstmengen mit ungewöhnlichen Offests bauen wollen. Wobei ich mal die Frage in den Raum stellen will, warum alle aktuellen Gabeln den Offset über einen Versatz unten am Ausfallende machen, und nicht über einen Winkel oben an der Gabelbrücke, was z.B. bei der allerersten RockShox der Fall war.

tl;dr : Der Lenkwinkel ist nur ein Parameter aus einer ganzen Fülle von Parametern, die verschiedene Vorgaben unter einen Hut bringen müssen. Ihn isoliert zu betrachten bringt wenig für das gesamte System.
 
warum alle aktuellen Gabeln den Offset über einen Versatz unten am Ausfallende machen, und nicht über einen Winkel oben an der Gabelbrücke, was z.B. bei der allerersten RockShox der Fall war.

Fox macht das doch?
Man kann auch zwischen den Gabelherstellern verschiedene Strategien erkennen. BOS verwendet zb sehr großen Offset.
Beim Mountainbiken, zb in den Alpen, kommt halt etwas dazu: Die Trails sind meistens sau steil und dann sieht das Ganze wieder anders aus.
 
Ich hab meinen Lenkwinkel der laut ibc eh zu steil ist nochmal 1,5 Grad steiler gemacht. Ich finde Trends sind gut wenn man sich dagegen wehren kann.
 
Ich fahr lieber und versuch über Fahrtechnik und angepaßte Geschwindigkeit mit den Bikes klarzukommen.
Ne grobe Richtung und Auswahl bzgl. Biketyp (bei Miete) macht für mich zwar Sinn, aber wenn ich mir vorstelle, auf euerm Expertenlevel ein Bike zum Kauf zu finden, würd ich wahrscheinlich verzweifeln. Vor allem, wenn man bedenkt, über wieviel Teile am Bike man sich sonst noch so den Kopf zerbrechen kann.
Finds aber trotzdem interessant, hier mitzulesen.

Vollste Zustimmung!
 
Grundsätzlich eine gute Idee, allerdings wurden ein paar Parameter wie Vorbaulänge, Lenker-Backsweep etc. weggelassen bzw. nicht näher darauf eingegangen. Vielleicht hätte man sich mit einer einfacheren Größe am Rad als Einstieg beschäftigen sollen. Sozusagen eine Geometriebasis schaffen, in dem schon zu einigen Werten etwas vorgegriffen und in Folgeartikeln näher darauf eingegangen wird. Teilweise sind die Kommentare hier viel detaillierter als der Artikel selbst.
 
Wobei ich mal die Frage in den Raum stellen will, warum alle aktuellen Gabeln den Offset über einen Versatz unten am Ausfallende machen, und nicht über einen Winkel oben an der Gabelbrücke, was z.B. bei der allerersten RockShox der Fall war.

Wird wahrscheinlich an den vielen Einstellmöglichkeiten, die eine Federgabel heute zu bieten haben muss, liegen. Da würden halt unten 2 Möglichkeiten fehlen Verstellschrauben anzubringen, wenn die Radaufnahme an der gleichen Stelle ist. Gleichbedeutend mit Zerlegbarkeit, Servicefreundlichkeit, etc. pp.
 
Was man ja leicht berechnen kann, ist der Nachlauf.
Es gibt sogar online tools, wo ich meine Daten eingebe,
und in 30 Sekunden den Nachlauf gerechnet habe.

Wie sieht es aber mit dem "Abkippen" des Vorderrades im Stand aus.
Dieses Verhalten wird bestimmt von Lenkwinkel und Gabel-Versatz.
Aber sicher auch der Querschnitt des Reifens wird eine Rolle spielen.
Kann man ausrechnen, bei welcher Parameter-Kombination,
das Vorderrad kippt, oder auch nicht kippt?

Und noch was:
Die B+ und Fat Fahrer klagen doch immer über das "self steering" des Bikes.
Hier scheint der Querschnitt des Reifens eine ganz entscheidende Rolle
für die Fahrstabilität zu spielen.
Dieser Aspekt wurde leider auch nicht beleuchtet.

Fragen über Fragen....

Sven
 
Was ist mit der Tendenz zu weniger Nachlauf? In letzter zeit höre ich immer öfter von 44 oder 42 mm Nachlauf anstelle von 51. Woher kommt dieses Umdenken?
 
@foreigner
Top Beiträge!:daumen:
Was deine Erfahrungen mit dem ICB angeht muss man aber dazu aber fairerweise auch noch den Reach betrachten. Erst in Kombination mit dem Reach ergibt sich mit dem Lenkwinkel (sowie Einbaulänge der Gabel, Stack und Steuerrohrlänge) das Frontcenter, welches für die Berechnung der Gewichtsverteilung mit der Kettenstrebenlänge verwendet werden kann. Ein Rad mit 62 Grad Lenkwinkel und großem Offset kann also auch mit kurzen Kettenstreben von 425mm funktionieren, wenn das Front-Center (also vorwiegend der Reach) klein ist.

Persönlich bin ich momentan nämlich auch mit dem Bird Aeris 145 LT am liebäugeln und bin nicht sicher ob ML oder L besser wäre. Der lange Reach vom L würde mir besser gefallen, da aber die Kettenstreben nicht mitwachsen habe ich bei 435mm Kettenstreben und einem Lenkwinkel von 64.6 Grad das Gefühl, dass ein ML Rahmen (481mm Reach) ein ausgewogeneres Verhältnis hat als das L (506mm Reach) und eine neutralere Position auf dem Rad erlaubt, anstatt wie ein irrer auf dem Vorderrad zu hängen (was ja auch nicht immer die sicherste Position ist).

Was deine und auch Greg Minaars Ansicht zur Korrelation von Vorbaulänge und Gabeloffset angeht habe ich mir auch ein paar Gedanken gemacht bin aber von der Theorie einfach nicht überzeugt, da durch den Backsweep des Lenkers (je nach Lenkerbreite -> siehe hier: https://www.mtb-news.de/news/2012/1...cht-straitline-ssc-und-spank-spike-race-35mm/), die effektive Vorbaulänge deutlich kürzer wird. Bei einem 800mm Lenker mit 8 Grad Backsweep ist man bei einem 35mm Vorbau schon ziemlich genau auf der Lenkachse mit den Griffen (34mm Verkürzung). Kürzer und man lenkt schon "von hinten", länger und man hat das gewohnte Verhalten. Und das unabhängig vom Gabeloffset.

Noch eine Sache die ich ganz interessant finde ist die Effektivität von Gabeln unter sehr flachen Lenkwinkeln überhaupt noch zu arbeiten. Gerade bei flachen Landungen ist die orthogonal zu den Standrohren einwirkenden Kraft schon ziemlich groß. Manche kennen vielleicht das Bild von der sich durchbiegenden Downhillgabel bei einer Rampage. Wird der Lenkwinkel zu flach, wird die Belastung der Gabel einfach sehr groß. Ich finde gerade den Link nicht mehr aber irgendwo hat Chris Porter auch mal gesagt, dass bei einem Lenkwinkel jenseits der 61 Grad im Downhill der Verschleiß der Gabeln extrem zunimmt und die Dinger ständig nur noch gewartet werden müssen. Prinzipiell sollte das Problem jedoch bei Upside-Down Gabeln aufgrund der größeren Überlappung etwas geringer sein. Gabeln wie die Dorado, Emerald oder Intend sollten also mit flachen Lenkwinkeln besser klarkommen als Boxxer und co..
 
Noch eine Sache die ich ganz interessant finde ist die Effektivität von Gabeln unter sehr flachen Lenkwinkeln überhaupt noch zu arbeiten. Gerade bei flachen Landungen ist die orthogonal zu den Standrohren einwirkenden Kraft schon ziemlich groß.

Anders sieht es aber aus, wenn man Stufen runter fährt:
Hier mal ein beliebig gewähltes Bild, das mir grad zwischen die Finger gekommen ist.
https://fotos.mtb-news.de/p/478661

In so einem Falle (Stufe langsam runter rollen) wären selbst 50° Lenkwinkel nicht übertrieben...
Spätestens wenn man mit dem Vorderrad unten aufsetzt und die Gabel etwa einfedert,
ist man ganz schnell bei einem Lenkwinkel größer 90°.
 
Und noch was:
Die B+ und Fat Fahrer klagen doch immer über das "self steering" des Bikes.

Da ich inzwischen ein bisschen Erfahrung im Fat Bereich habe kann ich dir sagen, dass das hohe Self Steering von zu wenig Luftdruck kommt und sich noch weiter verstärk je breiter die Felge ist.

Angefangen hatte ich mit 100mm breiten Felgen. Bei 0,5 Bar fuhr sich das katastrophal - bei 1 Bar war das Self Steering sehr gering und man konnte die Kurven recht spritzig nehmen.

Dann mit den neuen LRS mit 80mm breiten Felgen fuhr sich 0,5 Bar mehr als besser. Wenig Self Steering und das typische Fatbike Gefühl,
sprich weich. Bei 1 bis 1,3 Bar fühlt sich das fahren nicht mehr nach Fatbiken an, sondern eher nach normalen MTB.
Durch die schmaleren Felgen fahre ich lieber mit weniger Luftdruck.

Ich würde zu gerne wissen wie sich 65mm Felgen bei wenig Luftdruck machen.
 
Wird mit dem plus Größen und breiten Felgen Trend jetzt sicher nicht besser.
Hat auch seine Gründe, warum Motorräder vorne schmale Reifen fahren.

Schön wär's, wenn die Hersteller den Lenkwinkel in einem guten Mittelmaß wählen würden. Also am Enduro zb 64°. Per Winkelsteuersatz kann man dann alles zwischen 62° und 66° wählen. Weniger Sinn macht es, wenn ein Enduro mit 66° Lenkwinkel kommt. Wer geht da schon auf 68°?
 
Ich finde, diese Fragestellung wird in dem verlinkten Bikeradar Artikel ganz gut erklärt.
Und: Lies doch mal die Diskussion hier.
Das bleibt mM kaum nachvollziehbar. Cannondale und Spezialized gehen beim Nachlauf mit 55 mm bzw 42mm völlig konträre Wege und nehmen beide die selben Attribute für sich in Anspruch. Welches der beiden Konzepte ist nun "besser"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das geringere Offset an den Gabeln sorgt für mehr Nachlauf und Laufruhe, dabei wird der Radstand minimal kürzer und es bleibt wendig :)

@nuts :
Wenn ich beide Laufräder im selben Maß vergrößer/verkleiner bleibt der LW gleich.
 
Das geringere Offset an den Gabeln sorgt für mehr Nachlauf und Laufruhe, dabei wird der Radstand minimal kürzer und es bleibt wendig :)

Glaub ich nicht. Der Radstand verkürzt sich minimal, aber der Nachlauf wächst erheblich.

BOS, für Rennsporttechnik bekannt, geht auch den Weg des größeren Offsets. Diese Gabeln passen gut zu Bikes mit flachen Lenkwinkel; also besser zu einem zb Solid Strike als zu einem Santa Cruz V10.
 
Ich finde den Artikel gelungen :daumen:
Klar spielen hier noch andere Parameter mit rein die das Fahrverhalten zusätzlich noch (die einen mehr, die anderen weniger …) mit beeinflussen.
Aber der Artikel ist doch keine Doktorarbeit, sondern soll den nicht so technisch versierten einen besseren Einblick und ein besseres Verständnis bringen.
Würde der Artikel wirklich ALLES beinhalten was hier diskutiert wird, dann hätten gerade die nicht so technisch versierten gar keine Lust ihn zu lesen … und das wäre ja nicht Sinn und Zweck der Sache.
 
Das geringere Offset an den Gabeln sorgt für mehr Nachlauf und Laufruhe, dabei wird der Radstand minimal kürzer und es bleibt wendig :)

@nuts :
Wenn ich beide Laufräder im selben Maß vergrößer/verkleiner bleibt der LW gleich.
Na ja, gerade noch wollte man den 29er eine agileres Handling implizieren. Jetzt soll das ein min. Kürzerer Radstand erledigen. Haha.. das passt alles nicht zusammen.
 
Man sollte sich an jenen Bikes orientieren, wie wirklich schnell sind: Den Downhill Bikes. Dort nähert man sich ja langsam dem Optimum und man kann sich viel abschauen.
 
Man sollte sich an jenen Bikes orientieren, wie wirklich schnell sind: Den Downhill Bikes. Dort nähert man sich ja langsam dem Optimum und man kann sich viel abschauen.

Was lässt dich glauben, dass die heutigen DH Bikes in 10 Jahren nicht so wirken, wie die 2005er Modelle heute? ;)

Gabs da schon wieder eine Art "Umkehren" zu steileren Winkeln und weniger Radstand? Hab das nicht so im Blick...
 
Na ja, gerade noch wollte man den 29er eine agileres Handling implizieren. Jetzt soll das ein min. Kürzerer Radstand erledigen. Haha.. das passt alles nicht zusammen.
Für mich eine sinnvolle, in der Entwicklung absolut stimmige Neuerung.
Nur ist das keine große Sache und nur ein Punkt von vielen, die zu einem neuen Konzept beitragen.
 
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