Neubrandenburger in Lebensgefahr !!!

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23. Oktober 2003
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Neubrandenburg
Da sitz ich nun nach einer an Fieberwahn grenzenden Fressattacke und angenehm üppigem Völlegefühl vor dem Pc und kann meine noch vor kurzem durchlittene Odyssee nur noch sehr unwirklich nachempfinden.
Welche Schlechtigkeiten sind Grund zur Trauer fragt man sich.

Seinen Anfang nahm es mit hastigen Schritten, ja einem leichtbeschürzten Spurt, zum Hühnerstall mit dem Ergebnis, dass mein Frühstück aus sehr frischen Eiern auf sehr altem Brot bestand. Mit der alten Weisheit, dass Ketchup alles richtet also runter damit, zwei Kaffe hinterher und rein in die Klamotten.
Da man sich leider nie selbst verwaltet, sondern ja immer gern und hilfsbereit zur Seite steht, musste heutigst jedoch eine Startverzögerung bis ca. 11,00 Uhr in Kauf genommen werden.
Somit also immer noch frischen Mutes und mindestens der Energie von noch einem Ei rauf aufs Rad, heute sollte es das Rennrad sein, und elanvoll Richtung Woggersin. Dieses Örtchen ich im Fluge nahm. In weiterhin ungezügelter Eile zischte ich durch Altentreptow`s Kleinstadtdschungel, an Werder vorbei in Richtung Friedland.
Wegen meinem bis dahin erreichten Schnitt voller Stolz erfüllt, ermahnte ich mich nun zum Verzehr der zwei wunderbaren Bananen, welche ich vorsorglich mitführte. Nichts kann mich heut aufhalten war meine Denke und somit setzte ich mein Pedalieren rastlos und ungestüm fort. Nur ein im Graben liegender Chevi-Pick-Up erlangte für den Bruchteil einer Sekunde meine Aufmerksamkeit.
Einem sich kurz vor Friedland trotz Bananen einstellendem Hungergefühl, welches der fremdgemachten Zeitverzerrung nach meinem opulenten Frühstück zu verdanken war, begegnete ich mit Ignoranz. Anders dagegen sah es mit diesem stärker und stärker werdenden Durst aus. Aber auch dies verdrückte ich weitestgehend und vorerst. Dies aus gutem Grund. Bananen alle, Geld und Getränke vergessen. Liegt wohl daran, dass man nicht nur frontseitig der Stirn altert.
Worüber ich mir bis Friedland auch keine Sorgen machte war, dass es einfach zu gut lief. Nicht dass er besonders stark von hinten geblasen hätte, kam er nach der Friedländer Kehre doch erstaunlich sehr von vorn.
Einem heut eigens des recht feinen Wetters wegen verwandtes Windstopper-Jackett kann ich ab heut nebenbei seine Untauglichkeit bescheinigen.
Nun und fast noch in Friedland bemerkte ich an meinem sonst recht beherrschten Körper ein vielerorts auftretendes Zittern und sich damit einstellende Lustlosigkeit. Schade, denn die noch zu meinem anfänglichen Glück fehlende Sonne hatte sich nun gerade die Ehre gegeben.
Im Wissen darüber, daß mir die nun noch vor mir liegenden 25 km so nicht einfach fallen werden, ich wahrscheinlich aus Gründen der Dehydrierung aufhören werde zu schwitzen, entschloss ich meinem Durst mit einem beherzten Schluck Modderfütze ein Ende zu setzen. So schritt ich nunmehr im Angesicht einer erstaunlich schmutzigen Lache zur Tat und soff warscheinlich Gülle. Wer weiß.
Ich möchte an dieser Stelle auf einleitende Worte verweisen. Denn alles was nun kam war pures Elend. Womöglich hätte ich den leblosen Körper einer sehr flachen Katze am Wegesrand verschlugen. Gott sei Dank begegnete ich keiner.
Zu diesem Gezitter, lustigerweise auch im Gesicht, wo mir die Unterlippe lustige Dinge tat, stellte sich auf Höhe der Autobahnbrücke A20 Richtung Neverin ein an Ohnmacht grenzendes Unlust- bzw. Unfähigkeitsgefühl ein. Mein Hunger hatte sich in einer Massivität durchgesetzt, dass ich mit dem ernsten Gedanken spielte, im nächsten Dorf nach einem mir ersehnten Kanten Hasenbrot zu betteln oder im mAckermatsch nach vergessenen Kartoffeln zu wühlen. Nun ging da nichts mehr zu verdrängen und eine neue Strategie gefordert. Ich holte mir ins Hirn, welche vergleichbaren Strapazen in der Welt schon durchlebt wurden. Das ließ mich zur Erkenntnis gelangen, dass ich eigentlich ein vergleichsweise kleines, weil kurzfristiges, Problem aufgrund Nahrungsmangel hatte. Aber das hatte ,,Uns Ulle" auch und auch der wurde nicht schneller vom Hungerast.
Irgendwann kurz vor Neverin muß ich dann das Bewusstsein verloren haben. Die Leute, welchen ich zuerst daheim begegnete, werden mir irgendwann verzeihen.

Spezial thanks to: Meine großartige Mutter, welche die erste Hilfe in Form unermesslicher Mengen an Nahrungsmitteln einleitete.
Meine Schwester, welcher ich zuerst begegnete für ihr hoffentlich baldige Vergebung.
Allen die mir eine Stulle gegeben hätten.


Dennoch: 74 km; 2,52 h
 
Hi Jim Knopf,

schön geschrieben, (da kann sich Bohlen mal ne Scheibe abschneiden).
Das kenne ich als gerade Anfänger nur zu gut. 20 Km von zu Hause entfernt und vor lauter Zipperlein geht gar nix mehr. War es eher die feste oder die flüssige Nahrung die da fehlte? Naja, vielleicht bin ich mit meinen 40 Lenzen schon zu alt zum sportlichen Radeln :(

Ciao Heubi
 
Mensch Jimmy,

wie sagt man ? aus Schaden wird man klug !!!

Trotzdem ein netter Bericht , doch die Frage bleibt.

Hast Du echt aus der Pfütze gesoffen ???
 
chicer bericht, schön!

weiß auch net, aber gut nachempfinden kann ich die letzten kilometer schon...
und dann noch frischer sw-wind aufer strecke nb-friedland.

en passant: wennze aufer rolle rollst, kannste dir alles bereitstellen, wonach gaumen und magen verlangt... achso.. rolle haste ja nich mehr... :p

anyway...
 
Sehr verehrte Leserschaft.

Hier nun Dank für die leckeren Lübercker Marzipan-Lorbeeren.
Auf die Frage mit der Pfütze, ja ich tat es. Hier, im ja so unberührten mecklenburger Land, soll das Pfützenwasser ja reiner und mineralisch reicher als Evian sein.

Und wer schaut da mal rein? Rollen-Rötte. Feines Röllchen, welches Du da noch nicht ganz zu Ende erworben hast.
PS: Hiermit fordere Dich zum morgigen herumbieren auf.
Ich geh heut schon mal vor.
 
Hallo, Jim Knopf!

Einen wirklich feinen Bericht hast du da verfasst. Der Steigerung deines Leidens jeder Zeile folgend konnte man dies wahrlich nachvollziehen. Das aber vermag wohl nur der, welcher ein solches ebenso erfahren hat. Auf ein Wissen um den Mineralgehalt heimischer Pfützen kann ich zwar nicht zurückgreifen, befürchte aber Bestandteile fäkaler Natur sind nicht gänzlich auszuschließen und werden sicher manch kurzzeitig halluzinoide Wirkung entfaltet haben. Es spricht für mein Dafürhalten doch eher von großem Mute, selbst angesichts des nahenden Ablebens von einem solchen Gesöff zu kosten.

Grüße
 
Ich fühle mit. So ging es mir auf dem Marathon in Willingen. Ich war auf der kleinen Runde auch einfach zu schnell unterwegs und verspürte keinerlei Hunger, sodass ich alle Verpflegungsstationen auslies. FEHLER!!!
Auf der mittleren Runde habe diese Entscheidungen (pro Verpflegungsstationen) BITTER bereut!

So wird man schlauer...
 
Vielleicht zum nächsten Mal Helm und Handschuhe an den Camelbag knoten ? Powerbarriegel halten sich in den Rucksacktaschen auch ewig.
Dann musst Du Dich auf dem Weg zum Bike nur noch wundern, dass der Rucksack ungewöhnlich leicht ist. Dann sofort zurück und Trink-Blase auffüllen und erst dann losfahren !!! Ich sage ja immer, nichts geht über den Camel-Bag, gell?
Hydrate or die (or drink muddy water, igitt!)
 
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