Ich habe zu der ganzen E-Bike-Thematik ein ambivalentes Verhältnis.
Letztes Jahr beim Testival in Brixen bin ich mit meiner Frau vor Beginn des eigentlichen Festivals mit unseren Bike die Plose hochgestrampelt. Es war noch relativ Früh am Morgen, aber wir hatten nur noch armellose Shirts an und dampften trotzdem vor uns hin. Kurz unterhalb der Plosehütte überholte uns ein E-Bikepärchen. Frau ist bis dato noch nie E-Bike gefahren und war fassungslos, wie so offensichtlich unsportliche als auch übergewichtige Menschen kurz vor dem Renteeintritt mit viel, viel zu niedrig eingestellten Sattelstützen in polartauglichen Klamotten in so einem Tempo an ihr vorbeifahren können. Sie hatte sich verbal noch nicht von dem Schock erholt, da zog wenige Minuten später das nächste Pärchen, diesmal tatsächlich in Rentenalter, aber mit brandaktuellen Rotwild-Elektro-Enduros (kein Witz) an uns vorbei.
Da ich schon bei verschiedenen Gelegenheiten zum Testen auf E-Bikes saß, war ich nicht verwundert und schlug ihr vor, selber eines zu fahren. Haibike hatte in Brixen auch einen Stand, der ständig belagert war. Wir standen also am übernächsten Tag (erst mal wollte ich "richtige" Bikes testen
) Früh auf und waren eine halbe Stunde VOR Standöffnung die ersten in der Reihe (so stelle ich mir den damaligen Bananenkauf in der DDR vor) und bekamen auch den gewünschten E-Downhiller und das E-Enduro. Schon die Anfahrt zur Talstation war für meine Frau ein Erlebnis, denn mit 500W kann man im Turbomodus tatsächlich den Berg "hochflowen". Bergab tauschten wir die Bikes, da mir der Downhiller zum Stylen viel zu schwer war sie zugegebenermaßen selten so einen Spaß auf einem Rad hatte. Und selbst bergab fuhr sie schneller als sonst.
So, was will ich damit sagen?
Fakt 1: Ein potentes E-Bike macht bergauf genauso viel Spaß wie bergab. Nicht falsch verstehen, ich behaupte nicht ganz unfit zu sein und mir macht bergauf fahren (psychisch) überhaupt nichts aus (physisch irgendwann schon), sondern ich schaue mir die Landschaft an und freue mich über die verbrannten Kalorien. ABER mit einem E-Bike kann man auch auf leicht ansteigenden Wurzeltrails richtig Gas geben und die Zeit im Flow, die man sonst nur bergab hat, verdoppelt sich. Ist wirklich der Hammer und mich hat es die paar Mal auf E-Bikes echt gekickt.
Fakt 2: Mit E-Bikes werden Menschen an Stellen in den Bergen gelangen, die sie aus eigener Kraft niemals erreicht hätten.
Fakt 3: Die Anzahl an Fahrradfahrern wird im Gebirge massiv ansteigen.
Fakt 4: Die Trails werden um ein Vielfaches mehr belastet. Zum Beispiel: Obwohl ich es vermeiden wollte, ist mir als ungeübter E-Bike teilweise schon beim Anfahren das Hinterrad vor lauter Drehmoment "durchgegangen" (mit entsprechenden Spuren...). Ich kann mit E-Bikes Trails mehrfach fahren, die ich sonst aus eigener Kraft nur einmal befahren hätte.
Fakt 5: Es wird mehr Verletzte geben, da sich Ungeübte übermotorisiert in Regionen bewegen, die ihr Können bei weitem übersteigen.
Fakt 6: Es wird erhebliches Konfliktpotential mit Wandervereinen/-organisationen geschaffen.
Fakt 7: Aus oben genannten Gründen wird es in bislang ungeahntem Umfange Streckenverbote geben und vermutlich wird nicht zwischen Bike und E-Bike unterschieden.
Fakt 8: Wenn (wie die Werbung nicht ganz zu unrecht behauptet) der Lift im Rad eingebaut ist, dann bin ich mal gespannt, was Bikepark-Besitzer dazu meinen, wenn während und außerhalb der Öffnungszeiten, nicht zahlende E-Gravity-Bikes ihren Park umpflügen.