es sollten 1229km sein
Ja, das war die Idee, die recht schnell gereift ist. Gekommen ist sie, als ich bei der zivilen Zwangsarbeit auf dem Spielplatz der Marienburger StraÃe stand, wo in der Mitte ein Pfeiler steht, der nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist und auf seinen Seiten Orte und Entfernungen je nach Richtung eingemeiÃelt sind. Irgendwas musst du machen â drei Wochen Zwangsurlaub wegen SchlieÃzeit .. Irgendwas gröÃeres sollte schon sein â 30k hm? Zu spät, zu teuer. Aber mach was mitm Rad! Ab in den Süden? Nööööö! Westen? Nöööö! Kennt man alles irgendwie schon. Norden? Na ja â eher nö! Osten? Ja! Da kenne ich so gut wie nichts â vielleicht aus den Urlauben der Kindheitsjahre. Aber da hat man ja nun auf wirklich anderes Wert gelegt, als wie wenn ich es heute beim Radfahren machen würde. Okay â also Osterweiterung angucken! Und wohin genau? Russland zu viel Visumstress, kannst eh die Buchstaben nicht und so viel Zeit haste eh nicht (bisschen Urlaub in Berlin sollte auch sein). Landkarten gecheckt â hmhmm, durch Polen, cool â und dann? An der Küste lang umständlich â Europaradweg schlecht bis gar nicht dokumentiert im Osten. AuÃerdem .. Kalinigrad â wieder der Visashice. Bleib mal lieber in der EU. Gut â und lässte die Radwege mal weg, groÃe gerade gute StraÃen, planste mal deine eigene Route â mehrere Länder, lieber billig als teuer, täglich ~200km sollten okay sein, keine Lust auf Rundtour â also gute Anbindung vom Endpunkt nach Berlin, Baden gehen am Ende der Tour sollte dufte sein â was gibtâs denn da im Osten? Hey! Riga! Okay, ab dafür. Kennste nix dort. Lernste drei Länder ein bisschen kennen, kommst gut weit, Meer am Ende inklusive Flughafen und Zug geht von dort auch.
Also die Route innerhalb eines halben Tages etwas genauer geplant, Sachen zusammengerafft, ein bisschen am Bike gebastelt, Wetter gecheckt, was eher gut als schlecht werden sollte, noch einmal Feiern gegangen und am Mittwoch (05.08) um 8:00 aufs Rad geschwungen.
Geplant für heute waren laut google 138km â dachte beim Planen, dass wäre zum Warmradeln wahrscheinlich ganz gut. Auf dem groÃen Kettenblatt ging es auf der 5 Richtung Polen (22 ab Polen), was auch recht schnell erreicht war.
Schnell 150⬠in 610,xx zt getauscht und es ging auch schon weiter. Durch Kostrzyn/Küstrin bis nach Gorzow Wielkopolski/Landsberg war heute der Plan. Kam sehr schnell dort an (15:30?) und eierte dann sehr lange in der (im Zentrum schönen) Stadt rum, bis ich über zig Umwege und ein wenig Hilfe die Jugendherberge gefunden hatte, wo ich für 30zt (~4:1) die Nacht mit Fahrrad im Zimmer verbringen konnte.
Auf dem Tacho standen 152km in etwa 6h, welchen ich in der Stadt jeweils entnervt ausgeschaltet hatte. Nach dem Duschen gönnte ich mir noch einen Ausgang, aà eine wirklich sehr sehr leckere Portion Pasta Meksykana mit Käse überbacken aus einer Lasagneform und trank dazu leckerstes polnisches Bier. Dann noch zwei Bierchen in einem Supermarkt gekauft und ab fürn Stündchen an die Warta gesetzt.
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Danach ab ins Bett â am nächsten Tag hatte ich mehr vor. Meine laminierten Plänen sagten 210km an. Blöd war nur, dass mir anscheinend in dem Restaurant irgendwelche Aufputschmittel ins Essen gepackt worden sind â sah man mir die km von heute etwa schon an? Oder ist das die polnische Gastfreundschaft? Bis 4 Uhr nachts machte ich kein Auge zu und wälzte mich nur wütend im Bett herum. Um 6:29 klingelte dann mein Wecker und äuÃerst zerknirscht machte ich mich nach einem Supermarkt-Frühstück (Brötchen, Wurst und Milch) auf den Weg. Die ersten 20km waren keine schönen â GroÃstadtverkehr am morgen, viele LKWs, schlechte StraÃe und auch nicht die hübschesten Dinge am Wegesrand â aber ich kam wenigstens voran. Und es wurde auch bald schöner.
Ich weiÃ, wo eure Kollegen sind! Abgeworben!
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Auf nach Rusinowo wo ich mich von der 22 trennte und auf die wesentlich ruhigere (aber schlechtere) 179 wechselte, welche mich durch eine sehr schöne Landschaft bis nach Pila führte, wo es wieder lecker Nudeln und ein Bier gab. Die Pause tat nach 120km wirklich sehr gut und erst da, auch wegen den noch bevorstehenden 90km, wurde mir wirklich klar, was ich mir für die nächsten Tage vorgenommen hatte.
Nach weiteren 100km (ja â nicht 90 ..) kam ich dann an meinem Tagesziel an. Bydgoszcz/Bromberg â die Suche nach der Jugendherberge war heute einfacher â sie war nur geschlossen! Mist! Kann sowas nicht in der Internetsuche vermerkt werden? Na ja â muss ich wohl in ein Hotel â schnell drei abgeklappert und nach ein wenig handeln kam ich für 130zt in einem sehr netten ***Hotel unter. Frühstück inklusive, besseres Bett, Shampoo, Handtücher, Fernseher (fürs Wetter). Na gut â schon schöner als JuHe. Fahrrad durfte ich nicht mit nach oben nehmen, aber die sehr nette Frau an der Rezeption nahms mit hinter diese und wollte die ganze Nacht drauf aufpassen (10h-Schicht ..).
Abends dann Essen gehen war dann schwerer als erwartet â in der Nähe gabs nur ein Restaurant, was aber schon halb geschlossen war, nur noch manche Speisen anbot und eher teuer als billig war. Also probierte ich den polnischen Kebab. Auweia â da können sie von uns noch was lernen. Echt nicht lecker aber erfüllte wenigstens seinen Zweck â mit polnischem Bier gings auch irgendwie runter. Gut satt fiel ich ins Bett und heute konnte ich wirklich sehr gut schlafen. Tacho sagte 220km @ 9:12.
(Blick auf Bromberg, klicken für gröÃere Ansicht)
Ich konnte mich morgens nicht entscheiden â ganzen Tag liegen bleiben oder Bäume ausreiÃen. Ich entschied mich komischerweise zum Bäume ausreiÃen. Mein Rad stand noch hinter der Rezeption und nach einem sehr gutem Frühstück gings dann auch schon weiter. Ãber Grudziadz/Graudenz sollte das Hauptziel Olsztyn/Allenstein angesteuert werden. Google hatte mir 218km vorhergesagt. Der Teil bis Grudziadz wurde gespalten aufgenommen. Schöne ruhige Route, jedoch schlechter StraÃenzustand. Teilweise deswegen viele Gedanken, warum ich mir das überhaupt gab und ich nicht versuchen sollte, einen Teil zu trampen. Aber ich blieb eisern und kam auch mit Muskelkraft in Grudziadz mit Ãberquerung der Wisla an.
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Gefallen hat mir die Stadt nicht so â habe aber auch nicht viel gesehen â dort wo ich lang fuhr, fand ichs dort nicht so schön. Ich belieà es bei einer kleinen Eispause an einer Tanke, anstatt irgendwo essen zu gehen. Zeit hatte ich eh nicht â ich hatte noch über der Hälfte vor mir. Auweia. Irgendwie, trotz recht vielen Abbruch-/Trampinggedanken, kam ich gegen 20:30 bei bestem Licht in Olsztyn an.
Der Teil zwischen Grudziadz und Ziel war wenigstens sehr sehr schön und auch der Asphalt war klasse (Siehe Bild - EU-Auszeichnung für diese StraÃe!). An den Verkehr neben mir hatte ich mich gewöhnt, empfand ihn nicht als Bedrohung und sah noch sehr viel von Polen. Es war jedoch der härteste Tag von allen â der Hintern tat weh und zu den am Ende des Tages angezeigten 236km (@10:08) waren locker 1000hm gekommen. Aber Olsztyn war echt schön und die JuHe war relativ schnell gefunden. Heute sollte mich die Nacht auch nur 25zt kosten und das Fahrrad kam in einen gut gesicherten Fahrradkeller. Zum Essen hatte ich dann nicht mehr so viel Zeit, da die JuHes um 22:00 immer abgeschlossen werden. Ab zum Chinamann und was ToGo geholt, noch zwei Bier und ein leckeren Nachtisch organisiert und sehr fertig fiel ich danach in mein einziges im Gruppenraum besetztes Bett.
Aufgestanden, Supermarkt-Frühstück und mit einem unterdrückten Schrei auf den
Sattel aufgesessen. Wieso hatte ich mich wieder fürs Bäume ausreiÃen entschieden?! Google hatte 196km bis Suwalki angesagt. Da ich recht lustlos war, mich stets neu zu orientieren, kam ich recht bewusst von meiner geplanten Route ab und blieb stets auf der 16, da die Richtung und die Verhältnisse meistens stimmten. Diese führte mich durch die wunderschöne masurische Seenplatte. Teils sehr touristisch, teils sehr ruhig, aber stets sehr schön. Die StraÃen lieÃen mich teilweise verzweifeln, gröÃtenteils aber gut vorankommen. Der TransPoland Gedanke trieb mich jedenfalls gut an.
Päusschen nach knapp der Hälfte an einem der vielen Seen
Derweil hatte mein Vater aus Berlin über Bekannte von Bekannten mir eine Ãbernachtungsmöglichkeit in Riga organisiert, was ich gespalten auffasste. Ich freute mich zwar über die Geldersparnis, aber so war dass Ziel viel festgelegter. Ich fand es immer gut an, dass ich an sich Riga nur so ansteuerte, ohne groÃen Zweck, jederzeit abbrechen/umplanen konnte, doch so entstand irgendwie eine Verbindlichkeit in Riga anzukommen.
Nun ja â ich kam dann recht spät in Suwalki an und hatte damit 2/3 geschafft. Es waren doch wieder wesentlich mehr km als geplant â 219km @ 9:30. Dazu wieder ca. 800hm.
Keine einzige der übers Internet rausgesuchten Adresse waren überhaupt Jugendherbergen ... Also für 100zt ein Hotel gefunden (Diner & Lunch im Rahmen eines Promoprogramms for free!) und Bike mit aufs Zimmer.
In dem Hotel war leider eine Veranstaltung(Hochzeit) bis 3 Uhr nachts (eher ausgeartete Technoparty), welche bis zu mir in den dritten Stock hämmerte. Aber da ich ja fleiÃig gewesen bin, konnte ich dennoch gut und recht viel schlafen.
So â Tag 5 â jetzt wurde geschwuckt!
Wer nochmal sagt, Berlin wäre flach, war noch nie in Littauen und Lettland und gehört der Strafe wegen umgesiedelt! Auf dem groÃen Kettenblatt gings über die Grenze und ich kam echt gut auf schönen, guten und ruhigen StraÃen voran.
Nach ca. 120km brauchte ich eine gröÃere Pause und die wollte ich mir an einer einsamen Tanke geben. Doch da â Schock â kein â¬! Hääääää â aber ich dachte doch â häääääää! Mist! Es brauchte eine Weile, bis mein Puls sich wieder beruhigte â der Anfangsschock â ohne Geld in einem fremden Land zu sein â wurde erst mit dem Fund eines EC-Automaten bewältigt. Beruhigt brauchte ich dann erstmal doch keine Pause, welche bei km 150 dann aber doch angebracht war.
Es ging weiter und nach 229km @ 9:01h war ich bei meinem Tagesziel angelangt â mit meinem insgesamt dritten Platten rollte ich in Kelmè ein und machte mich auf die Schlafplatzsuche.
Und â da war er â Schock Nummer zwei an diesem Tag. Dort wo das Hotel sein sollte, war keins und die Stadt entpuppte sich kleiner als erwartet. Shit. An den Tankstellen wusste keiner Alternativen. Noch rumgefahren um was zu finden, leider erfolglos â zum Fahren in die nächste Stadt war es schon zu dunkel. Vier Jugendliche angehauen, ob sie wen kennen oä, welche nach einer Stunde suchen leider erfolglos waren. Hm, okay â erst mal kurz in den Supermarkt â Gedanken, ob ich nicht durchmachen sollte, Suche nach irgendeinem Platz, der wenigstens überdacht oä ist. Es gab in dem Ort eine Polizeistation die ich dann alternativlos aufsuchte und fragte, ob es nicht irgendeinen Raum/Bank bei ihnen geben würde, wo ich einschlafen konnte, ohne das meine Sachen geklaut würden. Sie meinten nein. Mist. Aber zweien schien meine Lage dann klar zu sein und sie fingen an, rumzutelefonieren und nach einer halben Stunde hatten sie etwas für mich, wenn ich kein Problem mit Chaos hätte. Ich sollte mit dem Rad einem Auto folgen, welches etwas ausseits der Stadt dann Stop machte. Die Polizei hatte mir ein ganzes Haus organisiert, normalerweise für die Vermietung für Veranstaltungen gedacht, in dem heute eine Hochzeit stattgefunden hatte und die Besitzerin kein Problem mit mir hatte, da eh erst am nächsten Tag aufgeräumt werden sollte. Geil! Gutes groÃes Bett, Sauna, Restessen, ganzes Haus und Kaffee. Geil! Das erste mal, dass ich Bullen gut und helfend empfand. Und das ganze sogar umsonst.
Es brach der letzte Tag zum Radeln an und gut gestärkt, nach x Verabschiedungen und Danksagungen machte ich mich dann auf gen Lettland, was im flachen Littauen wieder recht flink ging.
Ich nahm an, dass wenigstens die Jungs ⬠hätten, was sich nach 30km schlechter StraÃe in Lettland an der Tanke wieder als falsch herausstellte â man was hatte ich denn da im Fernsehen gesehen?! Na ja ⦠weiter auf der grottigen StraÃe bis zu einem EC-Automaten. Nach 140km an diesem Tag hatte ich dann ⬠und die Pause nötig. Eis, Erdnüsse und ein Bier gaben mir dann die letzten 40km Kraft bis zum Ziel! Riga war erreicht!
Durch die Anfangs sehr chaotische und fahrradunfreundliche Stadt gings dann über die Daugava zu meiner Unterkunft.
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Von diesen riesigen Brücken sprangen übrigens Kids und Jugendliche â es gab zwei höhen â 15 und 20m. Die kleinen nahmen den Absprung von der FuÃgängerpassage und die gröÃeren sprangen von der Autopassage.
Das Schlafangebot war wirklich sehr nett, ich hatte 183km @ 6:54 auf dem Tacho, ging noch kurz einkaufen, schlenderte durch ein paar Gassen und buchte meinen Flug. Das was ich bis jetzt vom Zentrum gesehen hatte, war echt sehr schön. Sich Riga als Ziel zu nehmen, war keine schlechte Idee.
Dienstag schlief ich aus, lieà das Rad ganz bewusst und froh stehen, Frühstückte lang, machte fünf Stunden touristische Gänge durch Riga und machte dann ein Picknick im Park mit lesen bis es dunkel wurde.
Freiheitsdenkmal
Dan Brown hätte hier suchen sollen!
Da ich mich nicht lumpen lassen wollte und mich im nachhinein zu ärgern, nicht am Meer gewesen zu sein, stand ich Mittwoch dann extra früh auf, schwuckte 30km bis nach Jurmala, sprang schnell nackig ins Wasser, 20km zurück nach Riga zum Flughafen, Lenker gedreht, Pedale ab, Luft raus, durch die Sicherheitskontrollen (wo mein versehentlich im Rucksack vergessenes Pizzamesser vom Picknick übersehen worden ist!) und zwei Flaschen Riga Black Balsam gekauft.
(das wäre für die Nikigallerie cooler gewesen ...)
Innerhalb von 1,5 Stunden war die Strecke geschafft, wofür ich 6 Tage gebraucht hatte. In Berlin ärgerte ich mich über die Transportbestimmungen, da in zwei
Reifen wieder 5-7 bar mit der CrankBrosPumpe rein mussten ⦠Aber irgendwie schaffte ich das auch noch und von TXL gings dann zurück nach Hause. So standen für heute wieder 65km auf dem Tacho ...
Das Ganze war eine wirklich sehr sehr schöne Woche. Ein Ziel ohne tieferen Sinn setzen, was nicht einfach zu erreichen ist und es dann zu schaffen, ist echt gut für einen finde ich. Eine ganze Woche wirklich mal nur für sich zu sein, sich kaum zu unterhalten, den Körper auszupowern, neues zu sehen, sich selbst überwinden, etwas durchzuziehen -viele schöne Erfahrungen.
Der Körper ist an drei Stellen taub, am Hintern hab ich bestimmt ein Flite-Branding und die Beine haben mal ein anderes Sommer-Trainingslager überstanden. Hab meinen Körper recht gut besser kennen gelernt, was Energie- und Wasserhaushalt angeht. Gepäck hatte ich eigentlich alles mit, auÃer Schlafzeug. Handtuch, Hygieneartikel, Wechselklamotten â etc â alles am Start gewesen. Sogar die Wäsche habe ich immer abends im Waschbecken mit mitgenommenem Waschpulver gewaschen. Das Wechseltrikot war entweder als Sonnenschutz auf meinem Kopf (6 Tage nur geiles und heiÃes Wetter) oder für's âAusgehenâ bestimmt. Das BR-Niki war immer am Körper, wenns ums Kilometermachen ging. Fazit insgesamt â sehr schön, doch Quälerei war auch (evt. auch beabsichtigt) mit dabei. Muss nicht noch einmal zu sein â zumindest nicht die selben Wege/Selbes Ziel. Aber geil! Besser als die 7 Tage einfach nur in Berlin verfeiert zu haben. So â i'm out. Freu mich aufs Mountainbiken.
//achso: es wurde oft gefragt - "was?? alleine" von freunden wie auch von der polizei. nein - ich hatte keine angst oder probleme dadurch- wieso auch. eigenes tempo, eigene pausen, probleme treten mit mehreren genau so auf, mehr meditativer charme .. bla bla - war schon richtig, dass ich gar nich erst nach mitfahren gesucht hab, was sicherlich iwie geklappt hätte