Wollte Euch mal von meinen bisherigen Testfahrten berichten. Ich konnte einiges bei Händlern aufstöbern und war letzte Woche auch mal zufällig in der groben Nähe von Koblenz beruflich, und siehe da, eine Lücke im Kalender machte eine schnelle Fahrt zu Canyon möglich ;-)
Aber der Reihe nach, davor war ich auch noch andere Bikes probefahren, die meisten davon tauchten hier gar nicht auf. Ich bin einfach alles gefahren, was einen flachen Lenkwinkel hatte oder irgendwie Ähnlichkeiten hatte zu denen, die hier empfohlen wurden.
Santa Cruz Hightower: Wie erwartet viel zu viel Bike für meine Zwecke, Lenkwinkel hat mir nicht gefallen, kippelig bei langsamer Fahrt. Es fiel mir schwerer als mit anderen Rädern, damit sehr enge Kreise langsam zu fahren, was für mich ein Hinweis auf das Handling auf einem engen Trail oder auf schmalen Wurzelwegen zwischen Bäumen ist. Dafür ist es aber auch nicht gebaut, eher geradeaus schnelle bergab als langsam im Kreis, insofern kein Argument gegen das Rad, sondern einfach das falsche Rad für mich.
Scott Genius: 65.6 Grad Lenkwinkel! Darauf war ich gespannt. Für mich: Ganz übles Handling, Rad kippt bei langsamer Fahrt regelrecht zur Seite weg, wenn man den Lenker nur leicht einschlägt. Lenker zieht deutlich nach außen, sobald man leicht lenkt. So ein Fahrverhalten würde bei einem anderen Fahrradtyp niemand akzeptieren. Keine Frage, schnell bergab läuft es dafür sicher top. Wenn die neuen Downcountry Bikes auch nur annähernd so fahren wie das Genius, ist das nichts für mich.
Cube Stereo 120 HPC SLT: Klasse Rad. Lenkwinkel sehr flach, dadurch einen Tick zu kippelig für mich, geht deutlich mehr in Richtung Abfahrtsrad als das Vorgängermodell. Leider genau wie bei meinem Stereo ist das Fahrwerk nicht das antriebseffizienteste. Es gautscht und schaukelt bei jedem Tritt, es sei denn man sperrt es halb, dann gehts. Offen würde ich das Rad nicht fahren wollen, außer bergab.
Specialized Epic Evo Sehr stark, super antriebseffizient, wundschöner Rahmen, Bain Federelement funktioniert, macht das Rad effizient (aber nicht leicht) wie ein Hardtail. Typisches XC Bike mit etwas längerer Gabel. Der Gedanke, damit die Alpen hoch zu fahren ... GEIL... der Gedanke, damit danach die Alpen auf steilen Gerölltrails wieder RUNTER zu fahren .... UNGEIL. Vielleicht schreibt jetzt gleich wieder einer, dass Nino Schurter mit seinem XC Rad mit 100mm Federweg jede Enduro Strecke runterbretter. Stimmt, aber ich eben nicht (oder nur einmal, mit schlimmen Folgen). Und selbst für Mike Levy von Pinkbike waren die Abfahrtsskills von Nino Schurter unerreichbar gut
(siehe hier ab 7 min 20 sek).
Scott Spark: Coole Rakete. Twist lock System ist genial. Antritt top, Fahrwerk super effizient. Wirkt sehr durchdacht und ausgereift. Kein Wunder scheint in der Schweiz jeder vierte damit rumzufahren. Es gibt nicht viel, was an dem Rad nicht stimmt, außer das Preis Leistungsverhältnis, wie immer bei Scott (habe trotzdem ein Scott Rennrad). Man legt 4 Riesen hin und muss trotzdem erst noch Billo-Teile am Rad austauschen Trotzdem eine Option für mich, wenn auch eine teure.
Canyon Spectral: Reiht sich ein wenig ein in die Erfahrungen mit dem SC Hightower oder Genius, das Rad ist nicht für mich gemacht. Für mich ein furchtbar träges Rad.
Canyon Lux: Kannte ich schon aus den Alpen, wo ich das einen Tag lang fahren konnte. Klasse Rad. Geht ab wie Schmidts Katze. Selbst in der gefahrenen günstigsten Ausstattung außerordentlich schnell. So ein XC bike sollte jeder zumindest mal ein paar Minuten gefahren sein, das ist wie ein Rennrad mit Stollenreifen. Platz für 2 Flaschen im Rahmen. Allerdings: Beim harten
Bremsen wie auch bei meiner 32er Gabel am Cube Stereo tritt ein sichtbares Gabelflattern auf. Mich nervt das. Vielleicht lag’s an der Einsteiger Fox 32 Gabel, möglicherweise ist die Factory Version steifer. Für 60% meiner Strecken wäre das Lux mit 110 mm Federweg vorne trotzdem das perfekte Rad. Für 20% wäre es noch Ok, aber für die letzen 20% ein Alptraum. Mit den
SRAM Level
bremsen wollte ich schon mal gar keine Transalp fahren.
Canyon Neuron CF SLX / 9.0 SL: Erstaunlich aufrechte Sitzposition. In der SLX-Variante beeindruckend leicht, fast so leicht wie das Lux und annähernd so antriebsneutral. Ich habe es in L als SLX-Variante für 6000 EUR MIT Pedalen und Schläuchen drin mit 12.1 kg an meiner eigenen mitgebrachten Waage gemessen. Die 11,7kg sind also realistisch. Gefahren bin ich beide Varianten, SLX Rahmen in L und den normalen CF Rahmen in XL in
dieser einfacheren Variante. Erste Beobachtung: 1. Das Rad ist im Vergleich zu allen anderen bislang gefahrenen Rädern extrem einfach zu fahren. 2. Die Antriebseffizienz ist ein Weltenunterschied zum Cube Stereo. Ich habe den Gummi beobachtet, auch bei vollem Reintreten blieb der Dämpfer weitgehend ruhig. Kein Dauerwippen bei jedem Tritt wie beim Cube. Das Rad klettert wie eine Ziege den Berg hoch, auch mit offenem Dämpfer (direkt neben dem Canyon Gelände ist eine kleine MTB-Strecke mit steiler Rampe - eigentlich verboten für Testfahren ;-) ). Vielleicht ein halber bis 1 cm Bewegung des Dämpfer-Gummis konnte ich feststellen, mehr nicht. Im Wiegetritt natürlich mehr. Die 4 Kolben XTR-Bremse (Nur an der SLX Variante) lässt sich absolut feinfühlig dosieren, würde aber trotzdem einen Güterzug zum Stehen bringen. Das ist die beste Bremse, die ich bislang gefahren bin. Die XTR Schaltung geht mal ganz locker und ohne viel Geknirsche 4 Gänge auf einmal hoch. Eine halbe bis eine Kurbelumdrehung und man ist vom 4. im 1. Gang. Ich bin noch keine bessere MTB Schaltung gefahren. Alleine der Besenstil-Lenker ohne Backsweep (schon klar, fahren außer mir fast alle gerne), dass der Rahmen noch 1-2 cm länger sein könnte und die schlechte Wasserflaschen Staumöglichkeit konnte ich dem Rad noch ankreiden. Das Rad ist aber so wie es ist unglaublich handlich, agil und gut zu fahren. Auch kleinste Kreise zirkelt man leicht auf den Parkplatz, wo man bei anderen Rädern mit flacherem Lenkwinkel schon richtig konzentriert steuern muss, um nicht wegzukippen (die Rahmengeometrie des Neuron entspricht übrigens ziemlich genau dem Yeti SB 100)
Leider konnte ich noch kein Ibis Ripley fahren, und einige andere auch nicht. Das versuche ich noch nachzuholen. Wenn ich aber im Moment wählen müsste, würde ich das Neuron wählen. Selbst in der einfacheren Ausstattung mit 13,1kg wäre das von den bislang gefahrenen Rädern das mit Abstand am besten für meine Zwecke geeignete. Unterm Strich habe ich mich auf dem Neuron wohler gefühlt als auf irgendeinem anderen Rad. Die SLX Variante, von der ja leider kein XL da war, ist mit der Kombination aus einem 130mm Trail Fahrwerk, Enduro
Bremsen und Gewicht eines mittelpreisigen XC—Rads schon eine große Versuchung, das Preislimit nach oben anzupassen. Die zweite Wahl wäre das Lux, das zwar etwas weniger universell als das Specalized Epic Evo ist, aber (bei vergleichbarem Preis) erheblich leichter, spritziger und schneller.