Irgendwie kann man da oft eine gewisse Doppelmoral erkennen. Wenn ein Landkreis, Behörde was auch immer darauf hinweist das bestimmte vorhandene Wege nicht befahren werden dürfen dann kommt oft die Frage "dürfen die das überhaupt", aber wenn es darum geht in einem Wald oder Naturschutzgebiet künstliche Hindernisse anzulegen oder neue Wege reinzufahren fragen die wenigsten ob sie das überhaupt dürfen, da wird einfach gemacht.
Mit der Doppelmoral würde ich dir ausdrücklich zustimmen, aber die Doppelmoral lässt sich rechtlich nun mal nicht erfassen und das ist auch gut so. Rechtliche Regeln müssen eindeutig sein und entsprechend darf man nach aktuellem Recht in Bayern auf Wegen Radfahren, wenn sie nicht ordentlich für Radfahrer gesperrt sind; und Wege ist ausdrücklich alles, was sich als Weg erkennen lässt. Eine ordentliche Sperrung muss in diesem Zusammenhang begründet und eindeutig sein — was übrigens diese komischen Banner, die man da auf verschiedenen Bildern sehen konnte, imho in beider Hinsicht nicht leisten (einschränkend muss ich sagen, dass ich dort nicht persönlich vor Ort war, der Eindruck der Bilder mag also täuschen).
Also ja, wenn jemand an dem Ort vorbeikommt und die Wege sieht, kann man ihm nicht vorwerfen, dass er sie fährt. Dass das gezielte Anlegen dieser Wege nicht rechtens ist, braucht keine Diskussion. Wenn aber jemand die Benutzung der Wege unterbinden will, muss er die Wege entfernen und darf bis zur Erledigung diese sicher auch ordentlich sperren (alleine die Arbeiten zum Entfernen würden die Sperrung ja wahrscheinlich schon rechtfertigen). Macht er dies nicht und es gibt keinen anderen Grund, die Nutzung dauerhaft einzuschränken, darf man die Wege auch nutzen.
Nun zum Thema Doppelmoral:
Wenn jemand weiß, wie die Wege entstanden sind (was im Zweifel bei gebauten Trails ja nicht so kompliziert zu erkennen ist) und noch dazu um die Problematik in einer Region weiß, handelt zumindest nicht schlau, wenn er die Wege trotzdem befährt. Wenn er sich dazu noch denken kann, was ein Befahren für Folgen haben kann, handelt er eventuell gegenüber anderen Mountainbikern moralisch verwerflich, weil sein Handeln zu noch weiteren Einschränkungen (wenn auch vielleicht nur temporär, da unberechtigt) führen kann. Rechtlich ist das aber nach wie vor in Ordnung und auch gegenüber der Natur und der Allgemeinheit handelt er nicht verwerflich, weil es ja keinen vernünftigen Grund gibt, dort nicht zu fahren, sonst gäbe es ja zum Beispiel schon länger ein Verbot, das Gebiet zu betreten. Den Vorwurf der Doppelmoral halte ich daher im Allgemeinen für schwierig, weil es die MTB-Community doch aushalten sollte, wenn jemand seine Rechte wahrnimmt — und das schließt das Buddeln ausdrücklich NICHT mit ein.
Vielmehr ist es doch so, dass ein Fahren von unrechtmäßig gesperrten Wegen auch eine Art des Widerstands in Form von zivilem Ungehorsam ist, schließlich setzt sich der Befahrer zumindest potentiell Ärger mit den Behörden aus (etwa einem Bußgeld, das man zahlen muss, wenn man nicht klagen will, was zwar besser wäre, aber eben auch eingroßer Aufwand) und dieser Ärger weist immerhin mehr auf einen Missstand hin als ein Nicht-Befahren a.k.a Kuschen. Wichtig dabei: Die Sperrung muss tatsächlich ungerechtfertigt sein, und das nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch sachlich.
Wenn ich denke wie viele Jahre es die Wege / Trails im Würmtal schon gibt und wie lange es niemanden gestört hat das man dort gefahren ist. Aber irgendwann sind halt wieder zu viele Leute gekommen denen die alten etablierten Wege nicht mehr gereicht haben.
Hier ist eigentlich eine Doppelmoral. Offensichtlich gibt es einen Bedarf, und zwar sowohl schon länger nach gemäßigteren Trails und nun neuerdings nach etwas heftigeren Trails. Gehe ich mal davon aus, dass die älteren Wege ähnlich informell entstanden sind wie die neueren, dann ist es also okay, dass einige die älteren Wege befahren dürfen, weil sich niemand daran gestört hat, aber die neueren Wege sind dann nicht mehr okay, weil plötzlich jemand angefangen hat, sich daran zu stören? (Wobei ich mal davon ausgehe, dass die neueren Wege nicht derart massive Bauten sind, dass da ein struktureller Unterschied bestünde.)
Und die ziehen jetzt dann wahrscheinlich weiter zu den nächsten Kleinoden in der Gegend und verbrennen dann dort das was seit Jahren niemanden stört
Was dann natürlich genauso fragwürdig ist, wie das Bauen der Wege, die zu den ursprünglichen Problemen geführt haben, und auch der Wege, die noch zu keinen Problemen geführt haben.
Quintessenz des Ganzen ist, dass es offensichtlich einen Bedarf an Wegen, Trails oder was auch immer gibt, der imho erstens berechtigt ist und zweitens auch niemand anderen in unzumutbarer Weise einschränkt — jedenfalls nicht, wenn man den Bedarf in vernünftiger und angemessener Weise deckt — und da sollte es doch sogar Aufgabe des Staates sein, diesen Bedürfnissen entgegenzukommen. Jedenfalls sollte es nicht wundern, dass es zu Problemen kommt, wenn der Staat diese Bedürfnisse nicht nur nicht ignoriert, sondern sogar auf nicht zu rechtfertigende Art und Weise weiter den Bedürfnissen entgegen handelt. Gäbe es hier eine gute Kooperation zwischen Mountainbikern und Verwaltung, um den berechtigten Bedürfnissen auf möglichst ausgewogene und effektive Art entgegenzukommen, könnte man von der Mountainbike-Szene moralisch (nicht rechtlich) auch verlangen, in der eigenen Gemeinschaft einem Wildwuchs entgegenzuwirken. Davon sind wir aber weit entfernt und entsprechend tue ich mich schwer, da an Mountainbiker einen hohen moralischen Anspruch zu stellen.
Abschließend noch:
Ich will hier niemanden angreifen und die hier geäußerten Ansichten sind alle nachvollziehbar und im Prinzip auch ehrenwert, aber es schadet nicht, sich hin und wieder auch zu hinterfragen und einen Perspektivewechsel vorzunehmen, dann sieht man manchmal klarer. Moral ist oft weniger einfach, als man denkt. Für Recht gilt dasselbe, aber aus anderen Gründen.