Ich denke du hast ja einen ganz guten Einblick in die Performance verschiedener Federelemente, getuned und ungetuned deshalb würde mich deine Sichtweise zu dem Thema "kommen 5 Tuner/Hersteller auf 5 unterschiedliche Dämpfungen bei der gleichen Aufgabenstellung" interessieren.
Unterscheiden sich die Sock Tunes Von
Rockshox, Fox, Öhlins und EXT voneinander und unterscheiden sie sich von dem was MST dann daraus macht?
Und eigentlich die wichtigste frage im sinne des Threads, Unterscheidet sich das Tuning von MST und das Tuning von Anyrace voneinander in der Auslegung der Dämpfung?
Ich hab mich vlt innerhalb der Diskussion ein wenig ungünstig ausgedrückt. Ich selbst bin der Meinung das MST es richtig macht, auch wenn ich meiner Ansicht keine Allgemeingültigkeit zutraue. Mario schafft es einen sehr schnellen Rebound zu realisieren ohne das man das Gefühl hat es kickt oder ist unkontrolliert, wie es bei manchem Seriendämpfer der fall ist wenn man einfach den Rebound aufdreht. Das ergebnis ist in meinem fall ein Dämpfer der jedes stein und Wurzelfed frisst, Super sensibel anspricht und gleichzeitig sehr viel leben in den Hinterbau bringt.
Ich hab neben dem vergleich zum EXT storia auch noch einen vergleich zu einem Fox Float X ohne tuning.
Aber ich bin auch der Meinung das die Dämpfung nach einem MST Tuning nichts mehr mit dem zu tun hat was man von den Herstellern bekommt.
Das zusammen mit meinen Erfahrungen lassen mich zu den Schluss kommen das eben keine branchenweite Einigkeit darüber herrscht wie eine Dämpfung abgestimmt sein sollte.
Zuerst mal zum letzten Satz:
Es gibt keine ideale Dämpfung für ein Bike. Es gibt immer nur eine „ideale“ Dämpfung für EINE Kombination aus Fahrer und Abfahrt, natürlich bezogen auf ein bestimmtes Bike (hier ist dann schon die Kombination aus Hinterbau und Federbein, also Kinematik plus Kraftverlauf der Feder, gemeint). Die Anführungszeichen bei ideal, weil es da dann immer noch einen gewissen Spielraum hinsichtlich persönlicher Vorlieben gibt, der allerdings im Vergleich zur möglichen Bandbreite recht klein sein wird (also nichts, was grundsätzlich verschieden wäre). Beim Faktor „Fahrer“ spielt dabei neben dem Gewicht auch eine Rolle, wie hoch das Fahrkönnen und damit der Grundspeed ist und genauso auch, was der Anspruch des Fahrers ist, also will er möglichst schnell oder möglichst komfortabel unterwegs sein. Es ist also durchaus komplex, und das ist dann eben eine Konstellation. Soll es für verschiedene Konstellationen passen, also entweder unterschiedliches Terrain oder auch mal wechselnde Ansprüche des Fahrers, sind ohne laufende Anpassungen schon Kompromisse erforderlich. Soll es dann auch noch für verschiedene Fahrer funktionieren, werden die Kompromisse zwangsläufig groß.
Wenn also „branchenweit“ (das bezieht sich dann wohl vor allem auf die Hersteller) eine unterschiedliche Auslegung der Dämpfung vorzufinden ist, dann spricht das vor allem dafür, das unterschiedliche Hersteller unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie der „typische Fahrer“ dieser Marke aussieht und wie das „typische Terrain“. Bei verschiedenen Tunern spricht eine verschiedene Auslegung der Dämpfung auch dafür, dass die Interpretation von Kategorien unterschiedlich erfolgen kann. Was ist denn ein Race Tune? Ein Weltcup-Fahrer ist was anderes als ein Hobbyfahrer, beide fahren Rennen…
Nochmal, die Physik gibt schon ein recht klares Bild davon, wie Federung (im Sinne von ungedämpfter Feder, also Energiespeicherung) und Dämpfung (Energieumwandlung in Wärme) bei Schwingungsvorgängen (nichts anderes macht so ein Fahrwerk: eine gedämpfte Schwingung) zusammenspielen und das hat jeweils unterschiedliche Implikationen fürs Fahrverhalten bei unterschiedlicher Auslegung. Da ist nicht viel mit Philosophie (Anmerkung an
@Ale_Schmi
Ich hoffe, dir ist der Unterschied zwischen Philosophie und Ideologie klar

). Was es natürlich gibt, sind unterschiedliche Herangehensweisen ans MTB-Fahren. Also was einem dabei wichtig ist und wie man dabei unterwegs ist. Will man maximal schnell fahren (und hat auch die Voraussetzungen dazu) oder will man eher kraftsparend/komfortabel unterwegs sein und dabei etwas langsamer. Was bedeutet schnell überhaupt in Bezug auf einen speziellen Fahrer? Will man maximale Kontrolle oder maximalen Gegenhalt? Das mag sogar innerhalb von Rennformaten einen Unterschied machen, weil etwa eine Megavalanche sehr viel länger dauert als ein normaler DH, der Unterschied ist aber natürlich weitaus größer, wenn es dann ums Spaßfahren geht. Da ist vor allem auch in der Kommunikation zwischen zum Beispiel Kunde und Tuner und in der Interpretation von Begriffen ein großer Spielraum, der sich dann auch in Unterschieden der Dämpfungsabstimmung widerspiegeln kann.
Zum Zweiten: Mir scheint, manche Leute glauben, es gäbe grundsätzlich verschiedene Arten von Dämpfung. Dem ist aber im Falle von modernen Federelementen nicht so, diese funktionieren alle dadurch, dass Flüssigkeit durch eine Öffnung mit relativ zum sonstigen Flüssigkeitskreislauf kleinem Querschnitt fließt, wodurch eine Reibung in der Strömung und also eine Kraft entsteht, die der Strömung entgegen wirkt, diese also bremst. Das ist die Dämpfungskraft, die allgemein von der Strömungsgeschwindigkeit und entsprechend von der Geschwindigkeit eines Kolbens abhängt, der die Flüssigkeit bewegt. Dies im Unterschied zur Federkraft, die rein ortsabhängig ist, also davon wie weit die Feder schon komprimiert ist. Das ist vom Prinzip her in jedem Federelement gleich. Will man (bei gleichen Geschwindigkeiten) unterschiedliche Kräfte, muss man den Querschnitt variieren (oder eine andere Flüssigkeit mit unterschiedlicher Viskosität nehmen). Dies gelingt zum Beispiel, indem man eine Nadel in die Öffnung hineindrückt und damit den Querschnitt reduziert. (Nadelventil, beliebt bei LSC) Außerdem kann man sich vorstellen, dass bei einem größeren Geschwindigkeitsbereich ein konstanter Querschnitt nicht funktioniert, deshalb kann man Lösungen bauen, wo sich der Querschnitt abhängig von der Stärke der Dämpfung anpasst. Dies geschieht über verschiedene Möglichkeiten einer Federung, entweder indem ein Teil der Öffnung zum Beispiel durch eine biegsame Metallplatte (Shim) verschlossen wird oder überhaupt eine Klappe mit einer klassischen Feder auf die Öffnung gedrückt wird, deren Vorspannung sich dann zum Beispiel von außen anpassen lässt. Durch Kombination verschiedener Shims lassen sich verschiedene Kraftverläufe in der Abdeckung, dadurch unterschiedliche „Verläufe“ der Querschnittsfläche und entsprechend unterschiedliche Verläufe der Dämpfungskräfte realisieren. Letztlich lassen sich noch verschiedene Kreisläufe für unterschiedliche Geschwindigkeitsbereiche der Flüssigkeit realisieren (klassisch high Speed und low Speed), wobei man den Übergang vom einen zum anderen auch noch auf verschiedene Weise beeinflussen kann.
Quintessenz: Man kann den Verlauf einer Dämpfung genauso wie die Anpassbarkeit von außen durch einfache Einstellknöpfe verschieden komplex aufbauen, die Dämpfung in einem bestimmten Punkt (Geschwindigkeit des Kolbens und damit auch der Flüssigkeit) funktioniert prinzipiell aber immer gleich. Es gibt in dem Sinn keine „bessere Dämpfung“, sondern nur eine besser angepasste Dämpfung. Man kann sich auch leicht vorstellen, dass eine Anpassbarkeit, entweder schon von außen, um ein Federelement auf verschiedene Fahrergewichte und eventuell verschiedene Hinterbau-Kinematiken anpassen zu können, oder dann auch intern hinsichtlich der Funktionalität über große Geschwindigkeitsbereiche der Flüssigkeit, immer auf Kosten der Genauigkeit der Anpassung in einem ganz bestimmten Geschwindigkeitsbereich geht. Eine genaue Anpassung der Dämpfung in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich (immer der Flüssigkeit, nicht die des Bikes) erhöht aber die Funktionalität und damit die Qualität des Federungssystems insgesamt AUF EINE GANZ BESTIMMTE ANWENDUNG bezogen.
Es ist also immer eine Abwägung, was will man: eine möglichst gute Funktion in einem ganz bestimmten Fall oder eine passable Funktion in ganz vielen verschiedenen Fällen. Wobei offensichtlich die hohe Qualität in einem bestimmten Fall auch nur dann erreicht werden kann, wenn man diesen Fall genau kennt, sprich wenn der im Falle des Tunings vom Kunden korrekt spezifiziert wird und der Tuner darunter dasselbe versteht, wie der Kunde.
Also ja, es gibt sehr viel Spielraum für „Philosophie“ in der Fahrwerksabstimmung. Diese bezieht sich aber nicht darauf, wie die Dämpfung physikalisch zu funktionieren hat, sondern vielmehr, welche Anwendungen man wie priorisiert, wie die Kommunikation mit dem Kunden ist, was man allgemein unter verschiedenen Begrifflichkeiten versteht, wie eine weitere Anpasbarkeit sein soll etc. pp. Das ist mindestens genauso komplex wie die Physik im Federelement und entsprechend hat da die Philosophie auch ihre Berechtigung, was sich dann unter anderem in unterschiedlichem Erfolg verschiedener Tuner niederschlägt.