Dsehalb nochmal meine ursprüngliche Frage:
Angenommen ich komme mit großer Scheibe und schwächerer Bremse auf die selbe bremskraft wie bei starker Bremse mit kleiner Scheibe, wieso sollte das eine besser sein als das andere?
Für die Dosierbarkeit und allgemein das Bremsgefühl ist nur die Gesamtverstärkung erheblich. Ist die groß, bewirkt ein kleiner Kraftunterschied am Finger viel und entsprechend muss man gefühlvoller mit seinem Finger agieren.
Das Einzige, was sonst noch einen Unterschied macht, ist wenn die Verstärkung nicht linear ist, sprich wenn sie nicht in jeder Fingerstellung gleich ist. Dafür ist aber einzig und allein die Konstruktion des Hebels verantwortlich. Das hydraulische Übersetzungsverhältnis ist konstant, weil sich die Kolbendurchmesser nicht verändern, und das mechanische Übersetzungsverhältnis zwischen Bremsscheibe und Reifen ist auch konstant, weil sich deren Durchmesser während der Fahrt auch nicht ändern. Beim Hebel gibt es aber eigentlich immer eine kleine Veränderung, weil der Hebel in seiner einfachsten Ausführung für eine konstante Übersetzung auf einer Kreisbahn gezogen werden müsste, der Finger aber immer gerade zieht und eben nicht auf einer Kreisbahn. Darüber hinaus kann ich den Hebel natürlich komplexer konstruieren und damit die Übersetzung beeinflussen, was von verschiedenen Herstellern ja auch gemacht wird. Insofern ist das Hebeldesign an einer Bremse eigentlich am interessantesten.
Ansonsten kann man eine Bremse ganz allgemein in drei Abschnitte zerlegen und Auswirkungen betrachten. Die Abschnitte wären Hebel, Hydraulik und Bremsscheibe.
Fangen wir mit der Bremsscheibe an. Eine größere Bremsscheibe verbessert die Übersetzung zum Reifen und entsprechend muss weniger Kraft durch die Kolben aufgewandt werden. Wenn man die Fläche der Bremsbeläge als einigermaßen konstant annimmt, dann bedeutet weniger Kraft vom Kolben auch weniger Flächendruck am Bremsbelag mit eventuellen Auswirkungen wie ein womöglich anderes Temperaturverhalten (Achtung: Es muss für die gleiche Bremswirkung dieselbe Energie vernichtet werden und entsprechend sollte dieselbe Menge an Hitze entstehen – das kommt bei geringerer Kraft durch die sich weiter außen schneller bewegende Bremsscheibe zustande –, aber die Entstehung ist eben anders und das mag aufgrund von Materialeigenschaften insbesondere des Bremsbelags zu real unterschiedlichen Wirkungen beim Bremsen führen, vor allem auch auf Dauer betrachtet.) Eine größere Bremsscheibe ist aber von Haus aus schwerer und muss wegen der Hebelwirkung auch insgesamt stabiler gebaut werden. Andererseits hat mehr Material wieder Vorteile in der Wärmeableitung. Also eigentlich ist das Thema Bremsscheibe ganz einfach, dann aber wieder doch nicht.
Als zweites kommen wir zur Hydraulik. Hier ist vor allem zu beachten, dass durch das Verhältnis der Kolbengrößen zum einen natürlich das Übersetzungsverhältnis bestimmt wird, andererseits aber auch das Verhältnis der Wege, welche die beiden Kolben zurücklegen. Ist das Übersetzungsverhältnis groß, unterscheiden sich die beiden Wege stark. Das bedeutet zum Beispiel, man muss die Beläge, wenn man nicht bremst, bereits sehr nahe an der Bremsscheibe führen (Einstellungsproblem!) oder aber der Hebel muss an der Seite der Hydraulik einen weiten Weg zurücklegen, was ohne komplexe mechanische Auslegung des Hebels bedeutet, der Finger muss dann ebenfalls einen weiten Weg zurücklegen oder aber das mechanische Übersetzungsverhältnis des Hebels leidet. Außerdem kann man noch über die Fläche der Kolben an sich nachdenken. Eine große Kolbenfläche am Bremssattel hat den Vorteil, dass damit größere Bremsbelagflächen gleichmäßig belastet werden können. Der Nachteil ist, dass für dieselbe Kraft dann ein höherer Druck im hydraulischen System notwendig ist, was höhere Anforderungen an die Bauweise/Verarbeitung stellt.
Als Drittes bleibt noch der Hebel. Beim Hebel kommt natürlich die Ergonomie ins Spiel, da er eine Kontaktstelle zum Fahrer darstellt. Ergonomie an sich ist immer kompliziert und meist auch individuell. Die einfachste Lösung ist im Prinzip ein Hebel mit einem Drehpunkt, wo das Übersetzungsverhältnis von den Hebelarmen abhängt. Der Hydraulik-seitige Aspekt wurde ja schon angesprochen. Ansonsten erfordert ein hohes Übersetzungsverhältnis beim einfachen Hebel einen großen Hebelarm auf Seiten des Fingers und damit einen großen Weg des Fingers beim Bremsen. Dieser Weg wäre nun idealerweise ein Kreisbogen, in real bewegt sich der Finger aber gerade. Inwiefern der Finger da nun am Anfang oder am Ende tangentialer und damit effektiver zieht, hängt davon ab, wie der Hebel konstruiert ist, sicher ist jedoch, dass eine gerade Linie je mehr vom Kreisbogen abweicht, je länger sie ist. Dem lässt sich durch eine komplexere Konstruktion gegensteuern und ganz allgemein lässt sich das Übersetzungsverhältnis durch kompliziertere mechanische Konstruktionen nicht-linear steuern. Wer will, darf hier jetzt gerne an Hinterbauten und Progressionskurven denken.
Insgesamt ist so eine Bremse aber doch ein recht komplexes System und Vorteile in einem Bereich erkauft man sich in aller Regel mit Nachteilen irgendwo anders. Die ideale Bremse ist also ein nicht-triviales Optimierungsproblem. Leider.