16.07. 19:00 Les Deux Alpes
Ein Weg hinunter vom Col de la Cime de Valette ist zwar nur sporadisch auszumachen, aber der kleinschottrige Abhang fährt sich wunderschön. Ein ganz neues Gefühl, sich seine eigene Line bei der Abfahrt suchen zu können.
Später dann weiter weglos durch wunderschöne Enzianwiesen, Specki genießt. Ich dagegen bin etwas verwundert darüber, was bei den Franzosen so als Biketour durchgeht. Aber ich befinde mich mehr oder weniger genau auf einem Track der "Transmaurienne" von utagawavtt.com. Sei's drum, die 600 Höhenmeter bis hinunter zum...

..Col Valette...
sind zwar weglos aber auch problemlos auf S2-Niveau fahrbar. Menschen gibt's in dieser verlassenen Einöde keine, meine einzigen Begleiter sind mal wieder riesige Greifvögel. Die Adler des Haute Savoie?
Im Col Valette zweigt der Track weiter weglos über sumpfige Schafwiesen links bergauf ab. Kann das noch stimmen? Weglos bergab lass ich mir ja noch eingehen, solang die Geschichte mit Spaß zu fahren ist. Aber bergauf?! Ohne mich.
Statt dessen folge ich einem Schild nach rechts, dort geht's angeblich nach "Besse". Das ist zwar nicht so ganz meine Richtung, ich würde dadurch wieder nach Süden ins Tal der Romanche abdriften. Aber hier runter gibt's wenigstens einen Weg, der zudem auch noch verdammt gut aussieht. Also was solls, wagen wir ein Experiment.

Trail hinab ins unbekannte und gottverlassene Val Zorro. Es hat bestimmt auch einen anderen Namen, aber Val Zorro gefällt mir irgendwie besser

.

Knackig aber fahrbar, immer am Rand einer steilen Schlucht talwärts.

Lustig glänzende schräge Felsen und Wasserfälle begleiten mich auf dem Weg ins Ungewisse.

Blick talauswärts, ob ich wohl irgendwo ankommen werde?

Noch ist der Weg über dem Canyon leidlich fahrbar, allerdings mit ein paar gemeinen Gegenanstiegen versehen.

Grmbls... diese verdammten Rindviecher. Ich finde, Kühe gehören auf Fusswegen verboten. Was eine einzige Herde anrichten kann, sieht man hier. Das schaffen zigtausend Biker in vielen Jahren nicht.
Durch die vielen Gegenanstiege und zerstörten Wegstücke wird das Val Zorro weiter unten zu einer recht mühsamen Angelegenheit. Als ich schließlich eine Piste und wenig später den kleinen Ort...

..Besse...
..erreiche, bin ich heilfroh und schon ganz schön abgeschlafft. Das kleine Marmeladenbrötchen war vielleicht doch nicht genug über den Tag.
Ohne weitere Trailexperimente (es hätte durchaus interessante Weglein am Rand der Straße gegeben) fliege ich fast 1000 Höhenmeter auf Piste und Teer hinab ins Tal der Romanche.

Barrage du Jambon.
Das Sträßlein führt mich schließlich direkt an der Barrage du Jambon beim Abzweig nach Les Deux Alpes auf den Talgrund. Geschafft... Gletscher und Gipfel bezwungen, die Moräne bekämpft, das Val Zorro erstbefahren (man darf ja träumen), darauf erst mal...

.. une pression!
Und jetzt? Kaum ist das Bierchen verdunstet, kommt auch schon der freundliche Shuttlebus um die Ecke und erspart mir ein weiteres Mal den Anstieg nach Les Deux Alpes. Wäre auch zu blöd, so einen Traumtag mit 700hm Teergeschwitze zu beschliessen.

Transisere, dein Freund und Helfer.
Ja und nun? Hier wollt ich doch eigentlich gar nicht mehr her. Hat aber auch seine guten Seiten: preiswerte Unterkunft, Orange-WiFi-Hotspot, Wäscherei, Party am Abend. Außerdem kann ich so noch einen Tag länger über den weiteren Tourverlauf nachgrübeln. Links um dem Mt Blanc rum? Oder rechts? Gran Paradiso oder nicht? Wenn ja, über Bardonechia und Susa und die unbekannten italienischen Täler? Oder über den Col Galise im Vanoise Nationalpark bei Val d'Isere? Die Alpen sind verdammt groß und es gibt viele Möglichkeiten, aber über die generelle Richtung werd ich mir morgen oder spätestens übermorgen im Klaren sein müssen. Apropos morgen... wenn ich schon reihenweise bekannte Tour-De-France-Pässe schlucke, könnt ich doch eigentlich den Galibier und den Lautaret noch mitnehmen, die sind ja hier gleich ums Eck. Na mal sehen...
Soviel zu den Gedankenspielen während ich im Bus nach Les Deux Alpes sitze. Dort angekommen führt mein erster Weg natürlich zum WiFi-Hotspot um die Story von gestern zu posten. Die Geschichte von heute muss erst noch geschrieben werden, was ich in der Wäscherei und nachher in einer netten Kneipe erledige. Dafür gehen durchaus einige Stunden drauf. So ist das eben: je geiler der Tag, desto mehr Arbeit gibt's hinterher.
Und falls ihrs noch nicht an der Bildern und dem Geschreibsel gemerkt habt, mach ich das jetzt nochmal ganz klar: Der Tag heute war mal wieder ein absolutes Highlight

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